29.09.2004

Schweiz: Alternativen zum
Atom-Endlager Benken?

Ein taktischer Schachzug der Schweizer Bundesregierung

Moritz Leuenberger, Schweizer Verkehrsminister, ließ dieser Tage durchsickern, daß die Schweizer Bundesregierung nun doch gedenkt, alternative Standorte für ein atomares Endlager zu erkunden. Der kleine Ort Benken1 im Zürcher Weinland war in den letzten Jahren von der NAGRA (Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle) als einziger Ort in der Schweiz in die engere Wahl für ein atomares Endlager gezogen worden.

Neue Suche nach alternativen Standorten?

Bereits 2001 wurden die seismische Untersuchungen und Probebohrungen in Benken abgeschlossen und die Ergebnisse dem Schweizer Parlament vorgelegt. Zuvor hatte die NAGRA alle anderen untersuchten Standorte für ein Atom-Endlager aufgeben müssen, weil Probebohrungen in härterem Gestein wie beispielsweise Granit negativ ausfielen. Erst im Verlauf der Untersuchungen wich die NAGRA auf den anfänglich als ungeeignet eingestuften Opalinuston aus. Diese Sedimentschicht im Untergrund des nur wenige Kilometer vom Rheinfall entfernten Benken kann allerdings in Hinblick auf den für Jahrmillionen strahlenden Atom-Müll kaum als erdgeschichtlich stabil angesehen werden: Im Schweizer Jura wurde bei Tunnelarbeiten eine Opalinustonschicht entdeckt, die wegen Schieflage nach oben kommt.

Eine Bürgerinitiative bildete sich im Schweizer Benken, der Widerstand wuchs, die Schweizer Behörden spielten bisher auf Zeit. Merkwürdiger Weise kam eine von der BI an das bekannte deutsche Öko-Institut vergebene Studie in einer Anfang 2003 vorgelegten Erstfassung zu dem Ergebnis, daß "keine offensichtlichen Gründe" gegen ein Endlager bei Benken sprächen. Obwohl dies die NAGRA eigentlich hätte erfreuen müssen, wies sie auf Fehler und Lücken der Öko-Institut-Studie hin. So war darin behauptet worden, die NAGRA habe Ergebnisse von Studien zurückgehalten. Diese hatten dem Öko-Institut jedoch nachweislich vorgelegen. Für ein schlicht schlampiges Machwerk hatten die Schweizer Endlager-GegnerInnen bereits 30.000 Franken bezahlt.

Die schon verteilten Exemplare mußten zurückgezogen werden, nachdem die Angelegenheit öffentlich wurde und beispielsweise die 'Neue Züricher Zeitung' am 27.01.03 meldete, das deutsche Öko-Institut habe statt der bestellten Studie nur "Pfusch" abgeliefert. Das Öko-Institut erklärte sich gegenüber der BI bereit, die Studie zu überarbeiten - allerdings gegen Bezahlung. Darauf wurde dankend verzichtet. Wenig später war dann eine vornehme Erklärung des Öko-Instituts auf dessen web site zu finden, nach der "die Überarbeitung der Benken-Studie vom 5. Februar 2003 eingestellt" worden sei.

Vorbild Deutschland?

In Deutschland konnten nun bereits Erfahrungen mit einer "Standortsuche für ein alternatives Endlager" gewonnen worden. Bundesatomminister Trittin hatte bereits seit 2001 versucht - mit aktiver Unterstützung des Öko-Instituts - mehrere Umweltorganisationen zur Mitarbeit in einem "Arbeitskreis Endlager" (AK End)2 zu bewegen, um so verschiedene Standorte gegeneinander ausspielen und den Widerstand in Gorleben brechen zu können. Bereits Juni 2002 verabschiedeten sich mehrere Umweltverbände, die sich zunächst auf dieses Trittinsche Spielchen eingelassen hatten, aus dem "AK End" und kündigten die Zusammenarbeit auf. Es hatte sich herausgestellt, daß nicht etwa auf wissenschaftlich objektiver Basis verschiedene Standorte auf ihre mögliche Eignung als atomares Endlager geprüft werden sollten, sondern daß von vorneherein feststand: Es sei "eine sichere Endlagerung in Deutschland möglich".

dividere et impera

Da in der Schweiz bereits alle in Frage kommenden geologischen Formationen auf eine mögliche Eignung mit bekanntermaßen negativem Ergebnis "abgeklopft" worden sind, bleibt nur eine Erklärung für den aktuellen Schachzug der Schweizer Bundespolitik. Weitere Endlager-Standorte sollen in die öffentliche Debatte eingebracht werden, um einerseits die AnwohnerInnen dieser Orte gegeneinander auszuspielen und andererseits den Druck auf Benken scheinbar abmildern, und so den dort anwachsenden Widerstand bremsen zu können.

 

Christian Semmler

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch unsere Artikel
    'Demo gegen Atomares Endlager im Schweizerischen Benken'
    (20.07.04)
und
    'Öko-Institut schadet Schweizer Atomkraft-GegnerInnen' (3.02.04)
und
    'Die Schweiz zwischen Atom und "direkter Demokratie"' (10.03.01)

2 Siehe auch unsere Artikel
    'AK End Nichts anderes als eine weitere Propaganda-Kommission'
    (17.11.02)
und
    'Atomares Endlager
    - die evangelische Kirche spielt ein falsches Spiel' (10.02.03)

 

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