Die Juristen-Vereinigung 'Legal action against war' (Juristische Initiative gegen den Krieg) will den britischen Premier wegen Kriegsverbrechen beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag anklagen.
Trotz aller aufgedeckten Lügen und trotz nicht vorhandener Massenvernichtungswaffen konnte sich der britische Premier Tony Blair bislang an der Macht halten. Einzelne "Abtrünnige" wie der langjährige Umwelt-Minister Blairs, Michael Meacher1, der seit seiner Entlassung die öffentliche Begründung des Irak-Krieges als vorgeschoben bezeichnet und unumwunden auf die tatsächlichen Gründe verweist, wie der Ex-Außen- und Parlaments-Minister Robin Cook2, der am 20.03.03 aus Protest gegen den Irak-Krieg zurückgetreten war oder wie Clare Short, die ehemalige Entwicklungshilfe-Ministerin, die kürzlich die britischen Abhör-Aktionen gegen den UN-Generalsekretär Kofi Anan an Licht brachte, konnten Blair nicht ernstlich gefährlich werden. Sie haben - bisher - kein Material gegen Blair in der Hand, das strafrechtlich relevant wäre und zudem haben und hatten sie keine Hausmacht in der Labour Party. Zu lange hatten sie mit angesehen - und selbst davon profitiert - , daß Blair die traditionsreiche, einstmals linke Arbeiterpartei in eine Partei der "neuen Mitte" umgestaltete und die Funktionärs- ebenen mit von ihm und seinem Stab abhängigen Claqueuren besetzte. So war auch kaum zu erwarten, daß in Folge der Kelly-Affaire und den seit Juli letzten Jahres einander jagenden Enthüllungen ein Aufstand gegen Blair in "New Labour" zustande käme. Auch von Seiten der Tories, deren politisches Spektrum Blair besetzt und die er damit im Grunde überflüssig gemacht hat, droht ihm mangels Masse keine Gefahr.
Und auch die Enthüllungen von Brian Jones3, bis letztes Jahr Chef des militärischen Geheimdienstes DIS, der öffentlich erklärte, kein einziger seiner Geheimdienstmitarbeiter habe die Irak-Darstellung von Blair unterstützt, scheinen Blair etwas anhaben zu können. Sie lassen zwar die Lügen Blairs in einem neuen Licht erscheinen, bleiben aber wirkungslos. In Großbritannien existiert nun mal kein dem US-amerikanischen Impeachment vergleichbares Amtsenthebungverfahren, mit dem ein Premier ähnlich dem US-Präsidenten Nixon aus dem Amt gejagt werden könnte. Völlig vergeblich erscheint es da fast, daß nun auch UN-Experten im jüngsten Bericht der UN-Waffenkontrollkommission Unmovic erklären, daß nach allen verfügbaren Informationen der Irak schon vor zehn Jahren nicht mehr über funktionierende Massen- vernichtungswaffen verfügt habe.
Auch wenn keine neuen Beweise ans Tageslicht kommen sollten, die beweisen, daß Tony Blair über die Nicht-Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak tatsächlich informiert war, kann eine neue Initiative britischer Juristen Blair zu Fall bringen. Die Anklage beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag beruht auf der unbestreitbaren Tatsache, daß der Irak absichtlich angegriffen wurde und dabei der Tod und Verletzungen von Zivilisten in Kauf genommen wurden. Sie richtet sich zudem gegen den britischen Kriegsminister Geoff Hoon, Außenminister Jack Straw sowie Justizminister Peter Goldsmith.
Bereits im Januar hatten acht Juristen aus mehreren Ländern den IstGH in Den Haag angerufen, gegen die britische Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Irak-Krieg zu ermitteln. Sie begründen ihre Klage mit dem Einsatz von Streubomben, die nach internationalem Recht geächtet sind, und von uranhaltiger Munition, die den Tod von Tausenden von Zivilisten zur Folge hat. Rechtsexperten haben bereits im Auftrag von Friedens-Organisationen Zeugen und Experten angehört, die den Einsatz der bezeichneten Waffen bestätigten. Von Seiten der Friedens-Kämpfer wird die Zahl der getöteten irakischen Zivilisten mit mehr als 8.000 und die Zahl der Verletzten mit mehr als 20.000 angegeben. Sollte es zu einer Verurteilung Tony Blairs in den Haag kommen, könnte er sich mit Sicherheit nicht länger in seinem Amt als Premierminister halten.
Harry Weber
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
'Meacher schlägt Blair' v. 7.09.03
2 Siehe auch unseren Artikel
'Blair kriegt Cook-Buch an den Kopf' v. 8.10.03
3 Siehe auch unseren Artikel
'Neue Enthüllungen über Blair' v. 4.02.04