Ausgebremst und Schutz gegen Gentechnik verweigert
Mit der deutschen Landwirtschaft insgesamt geht es in zunehmendem Tempo bergab: 15.700 Bauernhöfe mußten im Jahr 2004 aufgeben werden und die landwirtschaftliche Fläche nahm um 8.100 Hektar ab.
Während dessen verzeichnet die Öko-Landwirtschaft ein - im europäischen Vergleich jedoch schwächliches - Wachstum. Mit lediglich rund fünf Prozent Zuwachs gegenüber 15 bis 22 Prozent in den Vorjahren fiel die Wachstumsrate der Öko-Landwirtschaft in den letzten Jahren auf den Stand von 1995 zurück. Zugleich wuchs der Markt für Öko-Lebensmittel im Jahr 2004 um nahezu 12 Prozent. In den letzten zehn Jahren entstanden nach Angaben des 'Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft' (BÖLW) in Erzeugung, Verarbeitung und Handel ökologischer Lebensmittel rund 75.000 neue Arbeitsplätze. Dennoch muß festgestellt werden - wie auch der BÖLW bestätigt - , daß nach wie vor auch unter "Rot-Grün" die Öko-Betriebe im Durchschnitt weniger Förderung erhalten als konventionelle.
Während in den Mainstream-Medien das Bild gezeichnet wird, von "Rot-Grün" werde einerseits die "Agrar-Wende" vorangetrieben, andererseits Agro-Gentechnik "behindert" und "Innovation" gehemmt, dürfen Jahr für Jahr größere Flächen mit Gen-Mais angebaut werden.1 Und mit Inkrafttreten des von Ministerin Künast vorgelegten Gentechnik-Gesetzes wäre das de facto noch bestehende europäische Gen-Moratorium in Deutschland zu Fall gebracht worden. Genmanipulierte Nutzpflanzen könnten dann auf immer größeren Flächen angebaut werden und in Folge unvermeidbarer Gen-Kontamination wäre dann bereits in wenigen Jahren in Deutschland keine Öko-Landwirtschaft mehr möglich. Die Beispiele USA, Kanada und Argentinien lassen grüßen. In Kanada kann inzwischen kein gentechnik-freier Raps mehr angebaut werden. Und in den USA und Argentinien ist längst nachgewiesen, daß der Pestizid-Einsatz entgegen den ursprünglichen Versprechungen bereits nach einigen Jahren den der konventionellen Landwirtschaft überholt hat.
Daß die "schwarz-gelbe" Opposition in Bundestag und Bundesrat mit ihrer Blockade-Politik bisher das Gentechnik-Gesetz (Teil 2) aus dem Hause Künast verhinderte, geschah allein aus ideologischer Verblendung. Tatsächlich war dies ein "Bärendienst" an Gen-Konzernen wie Bayer, Monsanto oder Syngenta. Offenbar hatte sie nicht erkannt, daß Künasts Gesetz entgegen den öffentlichen Bekundungen den Weg für diese Konzerne frei gemachen hätte.
Das Haupteinfallstor für die Agro-Gentechnik in Europa wird jedoch in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Der Markt für Futtermittel hat eine wesentlich größere Bedeutung als der Markt für Lebensmittel. So wird der deutschen Landwirtschaft durch viele Futtermittel-Großhändler eine Wahlfreiheit zwischen Gen-Futter und gentechnik-freiem Futter verweigert.2 Dieselben Firmen, die in Österreich in der Lage sind, gentechnikfreie Futtermittel anzubieten, verweigern in Deutschland, die gentechnik-freie Qualität ihrer Produkte zu garantieren. Hintergrund: Diese Firmen sind vielfach mit den Gen-Agrokonzernen verbandelt.
Die einzige Umwelt-Organisation, die sich auf diesem Feld nennenswert engagierte, war im letzten Jahr Greenpeace. Greenpeace machte publik, daß Müller-Milch neben einigen anderen Anbietern Milch von Kühen anbot, die mit Gen-Futter "versorgt" wurden. Zugleich veröffentlichte Greenpeace Listen von Futtermittel-Firmen, wo sich Öko-LandwirtInnen mit garantiert gentech-freiem Futter eindecken konnten.
Dennoch ist in Deutschland noch viel zu wenig bekannt, daß neben Milch auch Fleisch, Käse, Joghurt, Eier und andere Produkte von Tieren stammen können, die mit genmanipulierten Futtermitteln gemästet wurden. Nach dem jetzigen Stand und auch nach dem von Ministerin Künast vorgelegten Gesetz muß all dies nicht als Gen-Food gekennzeichnet werden. Damit offenbart sich die propagierte "Wahlfreiheit" als Farce.
Zumindest in Baden-Württemberg erweisen sich CDU und FDP als zuverlässigere Helferinnen der Gentech-Industrie. Fleisch, das aus der Mast mit Gen-Futter stammt, darf auch in Zukunft mit dem baden-württembergischen "Qualitäts"-Siegel mit den drei Löwen ausgezeichnet werden. Dies, obwohl längst nicht mehr in Frage steht, daß Öko-Lebensmittel nicht allein in Hinblick auf Landschaft, Natur, Klima und Artenschutz, sondern auch in der Qualität für die VerbraucherInnen deutlich besser abschneidet.
Aus einem aktuellen Bericht des 'Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Baden-Württemberg' geht hervor, daß die Pestizid-Belastung in Lebensmitteln aus konventioneller Landwirtschaft über 60 Mal höher als in Öko-Lebensmitteln ist. Bei Öko-Produkten finden sich nur in verschwindend wenigen Fällen Kontaminations-Spuren von Pflanzenschutzmitteln, die von Anwendungen auf konventionellen Nachbarfeldern stammen. Bei Obst und Gemüse aus konventioneller Erzeugung dagegen fanden sich in drei Viertel aller Proben Pestizid-Rückstände - in der Regel von mehreren Wirkstoffen. In erschreckend vielen Fällen geraten Produkte in den Verkehr, bei denen die gesetzlichen Höchstmengen überschritten werden - so zum Beispiel bei Salat zu 15 Prozent und bei Paprika gar zu 38 Prozent.
Die systematischen Untersuchungen wiesen auch nach, daß bei Öko-Lebensmitteln das Verbot eingehalten wurde, Lebensmittel nicht mit Gamma-Strahlung haltbar zu machen. Dieses Verfahren wird häufig bei Gewürzen, Tee, Keimsaaten, getrockneten Pilzen und Fisch angewandt. Spinat aus ökologischer Produktion enthält im Schnitt nur halb soviel Nitrat wie die konventionelle Konkurrenz. Gleichzeitig zeigt eine jüngst veröffentlichte Studie der EU ein deutlich erhöhtes Parkinson-Risiko als Folge des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel.
Ein weniger erfreuliches Ergebnis brachte die Studie der Freiburger Behörde jedoch ebenfalls zu Tage. Mais und Soja-Proben wurden auf Genmanipulationen untersucht. Diese waren sowohl bei konventionellen wie auch bei ökologisch erzeugtem Mais und Soja nachweisbar, lagen allerdings durchweg noch bei einem Anteil von weniger als 0,1 Prozent. Nach Angabe des Untersuchungsamtes sind diese Befunde auf "Verunreinigung" zurückzuführen. Diese Gen-Kontamination wird sich - zunächst schleichend - von Jahr zu Jahr steigern, wenn der Anbau von genmanipulierten Pflanzen nicht gestoppt wird.
Klaus Schramm
Anmerkungen
1 Siehe auch unseren Artikel
Künast als Terminatorin der Öko-Landwirtschaft? (19.03.05)
2 Siehe auch unseren Artikel
Wahlfreiheit zwischen Gen-Futter und Gen-Futter (22.04.04)
Siehe auch unsere Beiträge
Öko-Landwirtschaft in Deutschland ausgebremst (25.02.05)
Agrar-Wende - Nichts als heiße Luft (24.01.04)