Österreich gibt im Kampf gegen Agro-Gentechnik nicht nach
Österreich hatte Deutschlands "grüner" Agro- und Verbrauchs- Ministerin Künast über Jahre hinweg in vielerlei Hinsicht vorgemacht, was realpolitisch gegen den Vormarsch der Agro-Gentechnik in Europa unternommen werden könnte. So hatte beispielsweise die Landesregierung des Bundeslandes Oberösterreich die gesamte Anbaufläche zur gentechnikfreien Zone erklärt. Das entsprechende Gesetz war von allen vier Landtagsparteien beschlossen worden. Wissenschaftlich abgestützt war dieses Vorgehen ausgerechnet mit einem Gutachten, das Künasts Paradigma von einer Koexistenz zwischen konventioneller Landwirtschaft und Biolandwirtschaft auf der einen Seite und Gentech-Landwirtschaft auf der anderen eine klare Absage erteilte. Werner Müller von der österreichischen Umweltorganisation 'Global 2000' hatte federführend in diesem Gutachten nachgewiesen, daß insbesondere in der kleinräumig strukturierten Landwirtschaft Österreichs der Anbau von Gen-Pflanzen zu einer Verdrängung sowohl konventionell als auch biologische wirtschaftender landwirtschaftlicher Betriebe führen werde. Mit dem Anbauverbot wollte Oberösterreich die bestehende Landwirtschaft vor unerwünschter Gentech-Kontamination durch Pollenflug schützen.
Der langwierige Kampf gegen EU-Bürokratie und Gentech-Konzerne
Nachdem die EU-Bürokratie zunächst das flächendeckende Verbot des Anbaus gentechnisch manipulierter Pflanzen in Oberösterreich zurückgewiesen hatte, klagte das Bundesland Oberösterreich vor dem Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser hat nun erwartungsgemäß zu Gunsten der Gentech-Konzerne Monsanto und Co entschieden wie heute in Luxemburg bekannt wurde.
Österreich habe es nicht vermocht, "die Ergebnisse der EFSA zu widerlegen, nach denen die Republik Österreich nicht nachgewiesen habe, daß das Gebiet des Landes Oberösterreich über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfüge", heißt es in dem Urteil des EuGH. Darüber hinaus stehe eine gentechnikfreie Zone Oberösterreich im Widerspruch zum Binnenmarkt. Die EU-Lebensmittelagentur EFSA hatte bereits 2003 erklärt, Österreich habe keine wissenschaftlichen Argumente für das oberösterreichische Gentechnikverbot vorgebracht. "Keiner der genveränderten Organismen, die in der EU zugelassen sind, ist gefährlich. Sie haben alle wissenschaftlichen Untersuchungen durchlaufen, die zeigen, daß sie keine Gefahr für Gesundheit oder Umwelt sind. Um sie verbieten zu können, muß ein Land beweisen, daß Gefahr für Gesundheit oder Umwelt besteht oder neue Erkenntnisse vorlegen, die zeigen, daß sie aus bestimmten Gründen in einem bestimmten Gebiet für den Anbau nicht geeignet sind. Das gilt unserer Meinung nach nicht für Oberösterreich", erklärt der Sprecher von Landwirtschaftskommissarin Fischer-Boel, Michael Mann heute am Morgen, noch ehe die Entscheidung gefallen war laut Ö-1-Morgenjournal.
Der Kampf geht weiter
Oberösterreich, aber auch die anderen österreichischen Bundesländer wollen dennoch keinesfalls klein bei geben. Längst vorbereitete Pläne werden nun aus der Schublade gezogen, um auf anderem Wege den Vormarsch der Agro-Gentechnik zu stoppen. Anstelle von Verboten, sollen nun mit Auflagen unüberwindliche Hürden errichtet werden: Dabei kann es sich um besondere Schutzvorkehrungen von ökologisch sensiblen Gebieten und einen Zwang zu Haftschutzversicherungen (für die sich jedoch kein Versicherungs-Konzern bereit findet) gegen die Risiken der Gentechnologie handeln. Hiergegen kann auch die EU-Kommission nicht einschreiten.
Auf die Entscheidung des EuGH hat eine ganze Reihe weiterer europäischer Regionen von der Bretagne bis zur Toscana gewartet, die sich ebenfalls auf die nächsten Schritte vorbereitet haben. All diese Regionen haben bereits erklärt, genfrei bleiben zu wollen, und sich mit Oberösterreich zur Plattform gegen den Gentechnik-Anbau1 zusammengeschlossen.
Letztlich wäre eine ökologisch orientierte Politik heute allein auf das Territorium eines Nationalstaates beschränkt nicht mehr möglich. Die Konsequenz müßte daher - zumindest für die Linke - darin bestehen, die bisherige Form des europäischen Zusammenschlusses grundsätzlich in Frage zu stellen. Seit den Erfolgen gegen den neoliberalen und kriegstreiberischen Verfassungsentwurf in Franktreich2 und Holland3 ist die Diskussion über eine emanzipative und demokratische Alternative der europäischen Vereinigung in Ansätzen stecken geblieben.
Adriana Ascoli
Anmerkungen
1 Siehe auch unseren Artikel:
'Europäische Anti-Gentech-Konferenz' (25.01.05)
2 Siehe auch unseren Artikel:
'Merci, chers amis!' (30.05.05)
3 Siehe auch unseren Artikel:
'Bedankt, geachte vrienden!' (2.06.05)
Zum Thema siehe auch unseren Artikel:
'Gentech-Euphorie in Brüssel wankt' (22.03.05)