Eine ganze Reihe von Erfolgen deutet darauf hin, daß es nach einem langen Sturm endlich aufklart. Der Agro-Konzern 'Bayer' gab den Anbau von Gen-Mais in Großbritannien auf1, nur wenige Wochen nachdem die Regierung noch nach langem Hin und Her die Freigabe erteilt hatte und nachdem Pro-Gentech-WissenschaftlerInnen schamlos Wissenschaft und wissenschaftliche Beweisführung umgebogen hatten. 'Bayer' bezeichnete nunmehr die von der britischen Umweltministerin Margaret Beckett angeordneten Auflagen als Ursache dafür, daß der Anbau des Gen-Mais "ökonomisch nicht lebensfähig" sei.
'Bayer' ist nicht allein. Auch 'Novartis' hat der britischen Regierung erklärt, dieses Jahr kein Gen-Getreide anbauen zu wollen. Tatsächlich sind alle bis auf ein einziges Gen-Versuchsfeld aufgegeben worden. Auf diesem Versuchsfeld bei John Innes Center, Norwich, wird eine genmanipulierte Erbsensorte in Hinblick auf Dürrefestigkeit getestet. Dies spiegelt eine Situation wieder, die von beschleunigten Abnahme der Zahl der Gentech-Versuche geprägt ist: Nach einem Maximum von 159 Versuchsfeldern im Jahr 2001, 140 im Jahr 2002 und 42 im Jahr 2003.
Andernorts war die Entwicklung ähnlich dramatisch. Gerade erst Ende März haben vier australische Bundesstaaten den großflächigen Anbau von Gen-Getreide gesetzlich verboten: West-Australien, der größte Getreideproduzent der Nation, machte den Anfang, indem er ein uneingeschränktes Gen-Moratorium verkündete.2 Am darauffolgenden Tag stimmte auch Tasmanien für ein Gen-Moratorium. Und Victoria, Südost-Australien, folgte zwei Tage später, indem es sein Gen-Moratorium um vier Jahre verlängerte. New South Wales verbot einige Tage später den auf 3.000 Hektar vorgesehenen Anbau von genmanipuliertem Ölsaat-Raps. Und Süd-Australien erließ ein Gesetz, das den Anbau von Gen-Getreide für die nächsten drei Jahre - mit Ausnahme unter strengen Bedingungen - verbietet. Damit sind die australischen Pläne zum Anbau von Gen-Getreide effektiv "auf unbestimmte Dauer" verschoben.
Gleichzeitig hat eine Basisbewegung in den USA Auftrieb erhalten, dem weltführenden Anbauer und Exporteur von Gen-Getreide. Im März wurde in Mendocino County in Kalifornien ein Gen-Moratorium verabschiedet. Einen Monat später stoppte das kalifornische Landesamt für Ernährung und Landwirtschaft den Anbau einer genmanipulierten Reis-Sorte, die gefährliche Pharmazeutika produziert. Dann schrieb Vermont Geschichte, indem es der erste Staat der USA wurde, der die Kennzeichnung von Gen-Saatgut anordnete. Und Nord-Dakota startete eine Volksabstimmung, mit der Gen-Getreide von Monsanto blockiert werden soll.
Am 21. April verkündete der venezolanische Präsident Chavez3 ein Moratorium gegen das Gen-Soja des Monsanto-Konzerns zugunsten des einheimischen Yucca. Dem folgte auf den Fersen die Zurückweisung von US-Hilfslieferungen durch Angola, da diese aus Gen-Mais bestanden. Angola verbündete sich mit vier weiteren afrikanischen Ländern - Sambia, Zimbabwe, Mozambique und Malawi - , die bereits den Import von Gen-Maiskörnern verboten haben. Sambia hatte vor zwei Jahren Schlagzeilen in aller Welt gemacht, als es US-amerikanische Gen-Mais-Lieferungen auch angesichts eines prognostizierten Hungers zurückgewiesen hatte. Es entschied sich dafür, statt dessen Nahrungsmittelüberschüsse aus den Nachbarländern zu kaufen. Sambia hat sich inzwischen so gut erholt, daß es Maisüberschüsse nach Angola exportieren kann.
Dies sind überwältigende Erfolge für Demokratie und Wissenschaft. Mitglieder der US-amerikanischen Vereinigung unabhängiger Wissenschaftler (ISP, Independant Science Panel) haben unermüdlich korrupte Wissenschaftler aufgedeckt, die die Gentechnik-Blase gefördert hatten und finanziellen und ökologischen Ruin über Familienfarmen in Nordamerika, Argentinien und anderen Ländern gebracht haben. Der Kampf gegen Gentechnik ist noch keinesfalls beendet. Immer mehr Gen-Getreide wird in Indien zum Anbau zugelassen, obwohl niederschmetternde Gegenbeweise vorliegen.
Die Philippinen, Indonesien, Kenia und andere afrikanische Länder stehen noch unter hohem Druck. Die USA brachten eine Anklage gegen die EU vor der Welthandelsorganisation WTO vor. Sie verlangen, daß die EU das bestehende Gen-Moratorium aufhebt und mindestens 1,6 Milliarden US-Dollar als Entschädigung für entgangene Exporte während den vergangenen sechs Jahren bezahlt.
Weitere Hinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken durch genmanipulierte Pflanzen sind in Dörfern auf den Philippinen zu Tage gekommen, wo DorfbewohnerInnen Immunkörper gegen Pollen von Gen-Pflanzen bildeten, die in der Nähe während der vergangenen Wachstumsperiode angebaut wurden. Die französische Tageszeitung 'Le Monde' hatte Einblick in geheime Dokumente, die gesundheitliche Auswirkungen der Gen-Maissorte Mon 863 von 'Monsanto' aufzeigen. Dabei hatte Mon 863 eben erst eine positive Bescheinigung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erhalten. In diesem Geheimdokument waren Mißbildungen der Niere und Zunahme weißer Blutzellen bei männlichen Ratten, Erhöhung der Blutzuckerwerte und Abnahme von Retikulo-Zellen (unreifen roten Blutkörperchen) bei weiblichen Ratten festgestellt worden.
Der frühere britische Umweltminister Michael Meacher nahm Kontakt mit dem ISP auf, da es dringend nötig sei, eine vergleichende Studie über die Sicherheit von Gen-Food in Auftrag zu geben. Es müsse endlich Schluß damit sein, daß WissenschaftlerInnen erheblichen Nachteilen ausgesetzt sind, wenn ihre wissenschaftlichen Ergebnisse der Industrie nicht "passend" erscheinen.
Christian Semmler
Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
Monsanto zieht sich mit Gen-Weizen zurück (10.05.04)
2 Siehe auch unseren Artikel
Victoria, Südost-Australien, verlängert Gen-Moratorium um vier Jahre
(25.03.04)
3 Siehe auch unseren Artikel
Verbot von Gen-Pflanzen in Venezuela? (12.05.04)