Im Poker um einen deutschen Atom-Endlager-Standort stellt sich "Rot-Grün" auf die Seite der vier Energie-Multis und gegen die Anti-Atom-Bewegung
Atom-Minister Trittin löst einmal mehr unverhohlene Wut im Wendland aus. In einer Pressemitteilung spricht die BI Lüchow-Dannenberg von einer "Bankrotterklärung" Trittins. Dieser hatte in den letzten Tagen den Gemeinden um Gorleben, das seit den Tagen des niedersächsischem Ministerpräsidenten und Schröder-Vorgänger Ernst Albrecht als Endlager für hochradioaktiven atomaren Müll umkämpft ist, einen "Entwurf einer Veränderungssperre" zugesandt.
Dieser "Entwurf", der die Gemeinden nun pro forma zur Stellungnahme vorliegt, hat es in sich. Die Bundesregierung will die "Unversehrtheit" des Salzstocks Gorleben sichern, damit dort das deutsche Atommüll-Endlager eingerichtet werden kann. Grundlage ist das novellierte Atomgesetz. Ein entsprechender Passus (§ 9 Absatz 1 Satz 1) wurde wohlweislich eingefügt, um Dritte zu hindern, dort Salz abzubauen oder Gaskavernen zu errichten. Unter der Rubrik "Alternativen" heißt es im Entwurf lapidar "keine".
Offenbar hatte die BI Lüchow-Dannenberg immer noch gehofft, Trittin werde - erstmals in seiner Politikerlaufbahn - Rückgrad zeigen. Für einige Zeit hatte sie sich auf die Schmierenkommödie des "AK End"1 eingelassen, bei dem es angeblich darum gehen sollte, in gemeinsamen Gesprächen mit der Atom-Mafia ein Prozedere für die "ergebnisoffene" Suche nach einem "optimalen" Standort für ein Atommüll-Endlager in Deutschland zu vereinbaren. Doch alsbald hatte sich gezeigt, daß E.on, RWE, Vattenfall und EnBW kein ernsthaftes Interesse an einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung möglicher Alternativ- Standorte hatten. Das Risiko, daß hierbei allzu sehr publik würde, wie unsicher der Salzstock Gorleben aus geologischer Sicht für die Endlagerung von abgebrannten AKW-Brennstäben ist, war den Konzern-Vertretern bewußt. Doch die Sitzungen des AK End konnten genutzt werden, um mit Hilfe der Medien die Begriffs-Assoziation Gorleben Endlager-Standort zu festigen. Und so konstatiert die BI Lüchow-Dannenberg in einer aktuellen Stellungnahme nun auch, daß "statt des lange überfälligen Verzichts auf Gorleben und der immer wieder angekündigten weiteren Endlager-Suche" von Trittin im Gegensatz zu dessen warmen Worten weiter "der Standort Gorleben zementiert" werden könnte.
Auf der Endlager-Baustelle ruhen als Folge eines Moratoriums bekanntlich seit Jahren die Bauarbeiten. Einwände gegen die Eignung des Salzstocks Gorleben hatten zunächst dazu geführt, daß der Arbeitskreis Endlagerung (AK End) im Auftrag Trittins drei Jahre lang über Empfehlungen gebrütet hatte, wie ein Auswahlverfahren für Endlager-Standorte aussehen müsse. Ein vergleichendes Verfahren anstelle der "Einbahnstraße Gorleben" und die Konsultation der Bevölkerung wurden von Seiten der BI, Greenpeace, Robin Wood und BUND immer wieder eingefordert: Gorleben galt vor rund zehn Jahren bereits geowissenschaftlich und politisch als "verbrannt". Doch nun setzt Trittin weitere Teile der Vereinbarung um, die zwischen Bundesregierung und Atom-Mafia im Juni 2000 getroffen und bereits ins Atomgesetz übernommen wurden. Per Veränderungssperre soll dafür gesorgt werden, daß Gorleben als atomares Endlager im Spiel bleibt. Noch im Oktober 2003 hatte der "grüne" Trittin auf dem Atomrechtssymposium in Köln für eine vergleichende Erkundung "an den zwei bestgeeigneten Standorten" plädiert und wörtlich hinzugefügt: "Ich meine Erkundung - nicht den als Erkundung getarnten Bau eines Endlagers wie in Gorleben." Doch was von diesen Worten zu halten war, erkannte, wer darauf achtete, ob ihnen Taten folgten: Trittin hütete sich wohlweislich, einen zweiten Standort in Deutschland auch nur zu benennen.
In den letzten Monaten hatten AktivistInnen aus der Anti-Atom-Bewegung versucht, die als wissenschaftliche Erkundung getarnte und mit erheblichem Finanzaufwand betriebene Offenhaltung des Salzstocks Gorleben auszuhebeln. Laut gültigem Bergrecht sind wirtschaftliche Interessen höher zu werten als wissenschaftliche. Und so gründeten sie 'Salinas'. Zusammen mit Graf von Bernstorff, der über Grundbesitz im Areal des Gorlebener Salzstocks verfügt, erwarben sie Salzabbaurechte und begannen, Salz abzubauen und dieses mit der Marke 'Salinas' als "Anti-Endlager-Salz" zu verkaufen. Mit dem von Trittin versandten "Entwurf einer Veränderungssperre" soll dem nun ein Riegel vorgeschoben werden. "Das ist eine vorgezogene Enteignung von Grundeigentümern, die in Gorleben Salzabbaurecht erhalten haben", kritisiert die BI Lüchow-Dannenberg. "Damit soll jetzt der vielschichtige Widerstand gegen Gorleben mit einer Lex Salinas zerschlagen werden."
In den Gemeinderäten und Verbänden regt sich jedoch Widerstand. Zu weit gehend sind die Eingriffe in Eigentumsrechte von Grundeigentümern, die in den nächsten zehn Jahren "ab Erdoberkante" im Untergrund keine wertsteigernden Maßnahmen mehr ergreifen dürften. Mit Sicherheit werde gegen eine solche Veränderungssperre auch geklagt. "Viele Menschen sehen nun ganz klar, was sechs Jahre rot-grüner Ankündungspolitik in Sachen Gorleben gebracht haben: Nichts! Für uns ist dieser Politknaller der Startschuß für die nächste Castor-Kampagne", kündigt die Bürgerinitiative an.
Ute Daniels
Anmerkung:
1 Siehe auch folgende Artikel
'AK End
- Nichts anderes als eine weitere Propaganda-Kommission' (17.1.02)
'Atomares Endlager
- die evangelische Kirche spielt ein falsches Spiel' (10.02.03)
'AK End
- Totgeburt in den Brunnen gefallen' (23.06.03)
'Besetzung in 840 Meter Tiefe' (4.09.03)
'Zwischenlager +++ Salz +++ Ende' (25.11.03)