15.06.2004

Klage gegen "Rot-Grün"
wegen Hermes-Bürgschaften

Die Umwelt-Organisation BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) und die Süd-Nord-Initiative 'Germanwatch' haben Klage gegen die deutsche Bundesregierung eingereicht. Damit soll die lange versprochene Transparenz bei Hermes-Bürgschaften endlich durchgesetzt werden. Zuletzt war dieses Mittel der Export-Förderung im Zusammenhang mit der umstrittenen Lieferung der Brennelemente-Fabrik Hanau nach China in die Kritik geraten. BUND und 'Germanwatch' wollen erreichen, daß die Bundesregierung bisher verweigerte Informationen herausgibt, die insbesondere über die Klima-Auswirkungen der mit Hermes-Exportbürgschaften1 abgesicherten Groß- projekte Aufschluß geben.

Zuletzt war eine Anfrage von BUND und 'Germanwatch', die sich unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz an "Rot-Grün" gewandt hatten, im Juli 2003 ins Leere gelaufen. Die beiden NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) hatten Auskunft begehrt über die seit 1997 von Deutschland per Hermes-Bürgschaft geförderten Projekte im Bereich Energieerzeugung. Das zuständige Ministerium lehnte jedoch im August 2003 die Herausgabe der Daten ab. BUND und 'Germanwatch' haben nun Klage eingereicht, um diesen Bescheid aufheben zu lassen und die gewünschten Informationen von der Bundesregierung zu erhalten.

Klaus Milke von 'Germanwatch' erklärt hierzu: "Transparenz ist die Grundlage, um ernsthaft zu prüfen, wie sehr die vom deutschen Steuerzahler gezahlten Bürgschaften das globale Klima indirekt schädigen. Deshalb erwarten wir, daß Hermes und das Bundeswirtschaftsministerium den Informations- pflichten des Umweltinformationsgesetzes nachkommen." Und Gerhard Timm vom BUND ergänzt: "Deutsche Exporte entscheiden mit darüber, wie klimaschädlich oder klimaverträglich die globalen Energie- und Verkehrssysteme werden. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, für wie viele Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid die Hermes-Bürgschaften mit verantwortlich sind und wie die Bundesregierung ihre internationale Klimapolitik in dieser Hinsicht gestalten will. So müssen beispielsweise bei Bürgschaften im Bergbau, beim Kraftwerksneubau oder beim Export von Flugzeugen Umweltauswirkungen stärker berücksichtigt werden." BUND und 'Germanwatch' fordern, daß die exportierten Technologien ökologischen und sozialen Standards genügen. Die von solchen Technologien ausgehenden Risiken eines globalen Klimawandels müßten reduziert werden.

Die Praxis der Vorgänger-Regierung unter Helmut Kohl, Exporte der deutschen Industrie mit Hermes-Bürgschaften abzusichern, wurde von "Rot-Grün" bereits frühzeitig weitergeführt2. Hier sei nur an die bekanntesten unter "Rot-Grün" im Bereich Atomtechnologie geförderten Exporte erinnert. Bereits im Juli 1999 wurde von "Rot-Grün" eine Hermes-Bürgschaft über 36 Millionen Mark für die Nachrüstung des slowenischen Atomkraftwerks Krsko abgesegnet. Nutznießer dieser Förderung war der Kraftwerks-Bauer Siemens. Im März 2000 gewährt die deutsche Bundesregierung - erstmals nach 20 Jahren - wieder eine Hermes-Bürgschaft für den Neubau eines AKWs. Mit Beschluß vom 10. März 2000 erhielt Siemens diese Bürgschaft für die Beteiligung am Neubau von zwei AKW-Blöcken (Lianyungang) in einer chinesischen Sonderwirtschaftszone. Bundeskanzler Schröder hatte zuvor gemeinsam mit Siemens-Managern in China die Baustelle des Atomkraftwerks besichtigt und sich davon begeistert gezeigt.

Zur gleichen Zeit erhielt Siemens eine zweite Hermes- Bürgschaft für Nachrüstungs- und Reparaturarbeiten am argentinischen Atomkraftwerk Atucha-1. Eine dritte Hermes-Bürgschaft diente einer Zementieranlage für flüssige radioaktive Abfälle beim litauischen Atomkraftwerk Ignalina.

Und bereits im Oktober 2000 - kurz nach der Verkündung des "Atom-Ausstiegs" - erfolgte ohne großes öffentliches Aufsehen die erste Genehmigung zum Export der Hanauer Plutoniumfabrik. Sie sollte von Siemens nach Rußland exportiert werden, doch das Geschäft platzte wegen des Widerstands von Atomkraftgegenern in Rußland.

Im Dezember 2000 durften sich deutsche Konzerne über die Kreditvergabe für die Fertigstellung zweier Atomkraftwerken in der Ukraine freuen. "Rot-Grün" enthielt sich am 7. Dezember 2000 bei einer Entscheidung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und ermöglicht damit eine Kreditentscheidung für den Fertigbau der beiden urkrainischen Atomkraftwerksblöcke Khmelnitzki-2 und Rowno-4 (K2R4) unter Beteiligung von Siemens und Framatome. Acht andere Staaten stimmen gegen den 467-Millionen-DM-Kredit, teils aus finanziellen Erwägungen oder unter Druck der Anti-Atomkraft-Bewegung (unter diesen 8 befanden sich die Niederlande, Norwegen und Österreich). Hätte Deutschland damals mit "Nein" gestimmt und hätte sich dann der G7-Staat Italien - wie angekündigt - dem deutschen Votum angeschlossen, wäre der Kredit für den Bau von zwei Atomkraftwerken verhindert worden.

Wegen einer Hermes-Bürgschaft für den ab 2005 geplanten Bau des finnischen AKWs FIN 5 richtete Siemens bereits Ende Juni 2003 eine Voranfrage an den Interministeriellen Ausschuß (IMA). Umgehend wurde in einem "letter of interest" eine Bürgschaft in Aussicht gestellt. Auch Bürgschaften für den Bau des brasilianischen AKWs Angra 3, die Nachrüstung des slowakischen AKW Mochovze oder die bulgarischen Reaktoren Kosloduj 5 und 6 sind in Vorbereitung.

Und schon seit Mitte letzten Jahres ist bekannt, daß eine spezielle Variante von AKW-Technologie nach Südafrika exportiert werden soll.3 Doch mit wenigen Ausnahmen ist dies kein Thema für die Massenmedien. Und so sah sich der "grüne" Außenminister Joseph Fischer bislang nicht genötigt, beispielsweise Anfragen der 'Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm' überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Technologie-Export wird über die Schiene des jährlich mit 262 Millionen Euro aus Steuergeldern subventionierten Forschungszentrums (ehemals: "Kernforschungszentrum") Jülich abgewickelt. In Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen Energie-Konzern ESKOM geht es nicht nur um die Weiterentwicklung der hochgefährlichen und in Deutschland bereits in den 80er Jahren gestoppte AKW-Variante THTR (Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktor), sondern auch um den Export der entsprechenden Technologie nach Südafrika. Anders als in Deutschland regt sich gegen diese Pläne in Südafrika breiter Widerstand.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung:

1 Siehe hierzu auch unseren Artikel
    "Rot-Grün" mitverantwortlich
    für Regenwald-Zerstörung auf Sumatra (29.04.04)

2 Siehe hierzu auch unseren Artikel
    Hanau-Export - nicht Neues
    "Rot-Grün" von Beginn an korrupt (9.12.03)

3 Siehe hierzu auch unseren Artikel
    Atom-Export nach Südafrika (9.01.04)

 

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