30.01.2005

Irak: Scheinwahlen
mit geringer Resonanz

Auch relativ wenige Terror-Anschläge

Nachdem sich in den letzten Wochen zahlreiche politische Organisationen, die in der irakischen Bevölkerung breiten Rückhalt genießen, gegen eine Scheinwahl unter US-amerikanischer Besatzung erklärt haben, bestätigen unabhängige BeobachterInnen heute im Irak eine geringe Wahlbeteiligung.

Auch islamische Geistliche in den mehrheitlich sunnitischen Gebieten des Irak hatten zum Boykott der Scheinwahlen aufgerufen, während sich die Mehrheit der schiitischen Geistlichen mit Empfehlungen an ihre AnhängerInnen zurückhielt. Dem schiitischen Groß-Ayatollah Ali al Sistani wird allerdings eine Nähe zur Wahlliste 'Vereinigte Irakische Allianz' nachgesagt. In westlichen Medien wurde statt über politische Aufrufe zum Wahlboykott fast ausschließlich über angebliche Drohungen des ominösen Terroristen-Anführers Zarqawi3, die dieser gegen Wahlwillige ausgesprochen habe, berichtet.

Insgesamt 15 Millionen IrakerInnen wurden von der irakischen Marionetten-Regierung unter US-amerikanischer Oberhoheit zur Wahl einer "Nationalversammlung" aufgerufen. Zugleich findet die Wahl-Farce unter dem bereits vor Wochen von "Ministerpräsident" Allawi ausgerufenen Ausnahmezustand ab. Der Ausnahmezustand, der zunächst bis zum 7. Februar befristet war, wurde bereits gestern bis zum 7. März verlängert. So wissen die IrakerInnen recht genau, was sie von der neuen alten Regierung zu erwarten haben. Auch die Veröffentlichungen der letzten Wochen, die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation HRW hatte von systematischen Folterungen durch irakische Sicherheitskräfte berichtet1 und ebenfalls im Januar wurden Foltermethoden nach US-Vorbild in Gefängnissen unter britischer Aufsicht2 bekannt, haben nicht gerade zu Wahl-Enthusiasmus bei der irakischen Bevölkerung beigetragen.

Unter den rund eine Million Auslands-IrakerInnen haben sich nach offiziellen Informationen nur rund 250.000 zur Wahl registrieren lassen. In den sunnitischen Gebieten blieben die Straßen heute auffallend menschenleer und laut 'spiegel-online' sollen sich verschiedenen Umfragen zufolge nur rund neun Prozent der Sunniten bereit erklärt haben, dem Aufruf Allawis zur "historischen" Wahl zu folgen. Bezeichnend ist, daß 'spiegel-online' die in Agentur-Meldungen vorgegebene Formulierung von der "als historisch geltenden Wahl" nicht übernommen hat, während sie in fast allen anderen deutschen Medien zu finden ist.

In Bagdad sollen am Morgen des heutigen Sonntags fünf Selbstmord-Attentate verübt worden sein. Von dreien der Attentäter heißt es, sie hätten sich in Warteschlangen vor Wahllokalen eingereiht und dann die Sprengladung gezündet. Dabei seien nach Angaben irakischer Polizei-Kollaborateure elf Menschen getötet worden. Dutzende Menschen seien verletzt worden. Da es keine unabhängigen Bestätigungen über diese Zahlen gibt, ist Skepsis angebracht. Zugleich wird gemeldet, insgesamt sei es bisher "zu mindestens acht" Selbstmord-Attentaten gekommen sein und durch Granat-Beschuß seien im Süden Bagdads mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen.

Zugleich verkündete der US-amerikanische "Wahlbeobachter" Sam Patten vom International Republican Institute bereits: "Wir haben gehört, daß es in einigen Gegenden eine ziemlich kräftige Beteiligung gibt". Laut unabhängigen BeobachteInnen seine jedoch in vielen Städten nur sehr wenige Menschen bei den Wahllokalen zu sehen gewesen, in der zerbombten Stadt Falludscha4 sei die Wahlbeteiligung praktisch gleich Null, in den Städten Hit und Al-Kaim blieben die Wahllokale leer und in der nordirakischen Stadt Samarra erklärte der Gemeinderatsvorsitzende nach Angaben des TV-Senders Al-Dschasira, die Wahlen könnten nicht durchgeführt werden.

Auch in den heiligen Schiiten-Städten Nadschaf und Kerbela verhielten sich die Menschen - so heißt es - "zunächst abwartend". Als sicher gelten zwei Stimm-Abgaben: Allawi und Marionetten-Präsident Ghasi al-Jawar hatten vor laufenden Kameras in der massiv gesicherten "Grünen-Zone" im Zentrum Bagdads jeweils einen großen Zettel in Urnen versenkt.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel

      'Irak: Folter as usual'
      US-Menschenrechtsorganisation klagt an (25.01.05)

2 Siehe auch unseren Artikel

      '"Operation Ali Baba"'
      Auch britisches Militär folterte im Irak (19.01.05)

3 Siehe auch unseren Artikel

      'Phantom 1 ernennt Phantom 2 - Quelle: Phantom 3'
      (27.12.04)

4 Siehe auch unseren Artikel

      Brief aus Falludscha an Kofi Annan
      (3.11.04)

 

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