Wie die westlichen Demokratien mit dem Menschenrechts-, dem
Demokratie- und dem Terrorismusargument die
(energie-)wirtschaftlichen Interessen der Global Player mit
diplomatischen und militärischen Mitteln durchsetzen.
Zusammenfassung
Interventionismus bedeutet die Einmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten: Einmischung in die
Wirtschaftspolitik, das Einsetzen von neuen Regierungen, Krieg und Besatzung. Für die deutsche Politik dient die
"Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt"
wieder zu den offiziellen Rechtfertigungen von Kriegen. Für fast alle Kriege der letzten Jahre lässt sich nachweisen,
dass der Zugang zu den Erdöl- und Erdgasreserven zu den wesentlichen Kriegsgründen zählte. Von der Öffentlichkeit
bislang kaum beachtet, haben Politik und Wirtschaft ein besonderes Augenmerk auf die Rohstoffe in Afrika gelegt.
Offiziell gerechtfertigt werden konkrete Interventionen jedoch mit Gründen wie Terrorgefahr, Unterdrückung der Frau,
Demokratiedefizite und schwere Menschenrechtsverletzungen.
Die Rechtfertigungen für die Interventionen können nicht überzeugen. Eine mögliche Rechtfertigung der neuen
Rohstoffkriege mit dem Argument, Deutschland sei nun einmal abhängig vom Öl, scheitert daran, dass man vor dem
Versiegen der Ölquellen ohnehin mit den erneuerbaren Energien auf eine andere Rohstoffbasis umsteigen muss.
Doch auch die vielfach diskutierte Rechtfertigung von Interventionen bei schweren Menschenrechtsverletzungen ist
wenig realitätstauglich. Dafür sprechen eine Reihe von Gründen:
- Den Führungseliten fehlt erfahrungsgemäß die
Motivation zur Beseitigung von Menschenrechtsverletzungen, sie verfolgen eine egoistische Interessenpolitik.
- Eine
tatsächliche demokratische Kontrolle der Führungseliten im Vorfeld von Interventionen scheitert regelmäßig bereits
daran, dass sich die Öffentlichkeit selbst unter Rückgriff auf vermeintlich unabhängige Menschenrechts? und
Hilfsorganisationen kein realistisches Bild über die Menschenrechtslage und die sonstigen zu beachtenden
Randbedingungen in einem fremden Land machen kann.
- Zudem kann die Förderung von Militär und
Rüstungsindustrie eine gefährliche Eigendynamik entfalten.
- Schwerste Menschenrechtsverletzungen in starken
Ländern wie den USA oder China können militärisch schlichtweg nicht bekämpft werden.
- Hinzu kommt, dass die
wesentlichen weltweit begangenen Menschenrechtsverletzungen wegen knapper finanzieller Mittel und aus
organisatorischen Gründen überhaupt nicht militärisch bekämpft werden könnten.
- Schließlich führen Kriege selbst zu
schweren Menschenrechtsverletzungen.
Auch unterhalb der Schwelle des Militärischen sind Interventionen höchst problematisch. Demokratie bedeutet
Selbstbestimmung, Souveränität. Interventionen aber stellen eine Einmischung von außen und somit eine
Beschränkung der Selbstbestimmung der Völker dar. Es stellt sich die Frage, ob die Staaten tatsächlich mehr Einfluss
nehmen dürfen als ihr eigenes Staats- und Wirtschaftsmodell anderen Völkern als Vorbild anzupreisen.
Nicht zuletzt ist auch zu bedenken, dass in Deutschland hoch offiziell zentrale wirtschaftspolitische Probleme wie
Arbeitslosigkeit, soziale Sicherung und die Staatsfinanzen als völlig ungelöst gelten. Wie aber kommt dieses Land -
ebenso wie andere Mächte - vor dem Hintergrund der eigenen ungelösten wirtschaftspolitischen Probleme dann auf die
Idee, der Welt mit IWF, Weltbank, Entwicklungshilfe, Kriegen und Besatzungen unser defizitäres Wirtschaftssystem
als das allein Heilbringende aufzwingen zu wollen?
1. Was heißt Interventionismus? - Einige Schlaglichter
Die wechselseitige Achtung der Souveränität der Völker bzw. Staaten ist einer der Grundsätze des internationalen
Völkerrechts. Doch wie sieht es in der Praxis aus mit dem Selbstbestimmungsrecht der Staaten?
Intervention bedeutet zum Beispiel im nordost-afrikanischen Land Sudan1 Einmischung in die Wirtschaftspolitik des
Landes. Der Website des Auswärtigen Amtes war bzw. ist zu entnehmen, dass der Internationale Währungsfonds
(IWF) "ein wirtschaftliches Reformprogramm zur Modernisierung und marktwirtschaftlichen Orientierung des Landes"
durchsetzt. "Privatisierung, Liberalisierung und Diversifizierung der Wirtschaft sind Eckpfeiler der Reformstrategie (...)".
Der Sudan befindet sich laut Auswärtigem Amt weitgehend "on track". "Sudan ist aufgefordert, (...) überproportional
expandierende Sozialleistungen zu überdenken." Die Privatisierung staatlicher Unternehmen zeigt nach Auffassung des
deutschen Ministeriums "erste Fortschritte". Wichtige Privatisierungskandidaten seien die staatliche Fluglinie Sudan
Airways, die Bank of Khartum und der ausbauträchtige Transportsektor. "Sie könnten perspektivisch für Investoren von
Interesse sein." Ein 1999 verabschiedetes Investitionsfördergesetz biete verstärkt steuerliche Anreize,
Zollerleichterungen und Investitionsgarantien für ausländische Investoren. Seit Ende 2004 ist die Bundeswehr im Land.
Intervention bedeutet zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo2 die Einsetzung einer neuen Regierung, die
vom Westen gewünschte wirtschaftliche Reformen durchsetzt. Auf der Website des Auswärtigen Amtes wurde bzw.
wird unter anderem die "Einsetzung einer Übergangsregierung im Juli 2003" in Kongo als "entscheidende Etappe" in
dem für die Sicherheit und Stabilität in Zentralafrika maßgeblichen Friedensprozess bezeichnet. Nach Einsetzung der
Übergangsregierung seien die "wesentlichen willkürlichen Handelshindernisse innerhalb des Landes (z.B. Sperrung des
Schiffsverkehrs auf dem Kongo in der Provinz Equateur, die von den Rebellengruppen eingerichtet worden waren)"
größtenteils abgebaut worden. Weitere Forderungen des Auswärtigen Amtes: "Zunächst ist eine Bereinigung der
Steuergesetzgebung und eine tatsächliche Eigentumsgarantie notwendig". Weiterhin verlangt die deutsche
Bundesregierung: "Der Verabschiedung von Investitionsgesetz, Forstgesetz und Minengesetz muss noch deren
jeweilige konkrete Umsetzung folgen."
Intervention bedeutet zum Beispiel am Horn von Afrika die Überwachung von Handelsschiffen. Ausgehend von einem Stützpunkt im ostafrikanischen Land Djibouti kontrolliert unter anderem die deutsche Marine die Meerenge zwischen dem
Roten Meer und dem Indischen Ozean. Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums wurden dort bislang
rund 20.000 Schiffe kontrolliert. Niemand kann ausschließen, dass mit Hilfe dieser Militärpräsenz in Zukunft Schiffe
nicht nur kontrolliert werden. Genau so gut kann man den strategisch wichtigen Verkehrsweg für gegnerische
Handelsflotten dicht machen.
Intervention bedeutete zum Beispiel in Somalia das Aufzwingen von Wirtschaftsreformen und einen nachträglichen
Militäreinsatz. Nach Darstellung von Michel Chossudovsky konnte sich Somalia mit seinen Kleinbauern, Hirten und einer
Tauschwirtschaft bis in die 1970er Jahre hinein praktisch selbst mit Nahrungsmitteln versorgen - trotz der
wiederkehrenden Dürren. Die Privatisierung von Brunnen und Weideland und spätere Interventionen von IWF und
Weltbank sollen die Selbstversorgung und den Staat zerstört sowie den Hunger herbeigeführt haben. 1993 kam es zu
einer "humanitären" militärischen Intervention unter Beteiligung der Bundeswehr. Durch die mediale Begleitung dieses
"Out-of-area"-Abenteuers wurde die deutsche Öffentlichkeit wieder an Auslandseinsätze der Armee gewöhnt.
Intervention bedeutete zum Beispiel in Georgien und in der Ukraine die Unterstützung von Revolutionen. Mit der
"Rosenrevolution" (Georgien) und der "orangen Revolution" (Ukraine)3 wurden - angeblich nur, um die Demokratie zu
verbreiten - mit tatkräftiger westlicher Unterstützung Regierungen in zwei wichtigen GUS-Staaten ausgetauscht.
Intervention bedeutete zum Beispiel 1999 im ehemaligen Jugoslawien die Führung eines völkerrechtswidrigen
Angriffskrieges. Noch während des Dauerbombardements auf jugoslawische Städte und Dörfer wurde laut "German
Foreign Policy" im Auswärtigen Amt der "Stabilitätspakt für Südosteuropa" entworfen. Darin habe das deutsche
Ministerium "ausbaufähige Absatzmärkte, Investitionsstandorte" und "Anreize für internationale
Unternehmenskooperation" auf dem Balkan gefordert. Seit Jahren müssen die Nachfolgestaaten Jugoslawiens nun
bestimmte politische und wirtschaftspolitische Reformen durchführen und sollen dann schrittweise in die EU
aufgenommen werden. Bezogen auf Serbien und Montenegro schreibt das Auswärtige Amt auf seiner Website: "Schon
vor den Wahlen im Herbst 2000, die zum Sturz von Milosevic führten, unterstützte die Bundesregierung die serbischen
Reformkräfte mit einer Vielzahl von Projekten, die gemeinsam mit der in rund 30 Städten und Gemeinden regierenden
demokratischen Opposition und mit Vertretern der Zivilgesellschaft realisiert wurden (...). Nach der Abwahl Milosevics
und der friedlichen Revolution wurde diese Unterstützung weiter geführt."
2. Interventionen für Öl und Gas - Neuauflage einer Interessenpolitik
Am 26. November 1992 erließ das Bundesministerium der Verteidigung unter Verteidigungsminister Volker Rühe die
"Verteidigungspolitischen Richtlinien" für die Bundeswehr. Diese Richtlinien stellten eine Wende dar von einer reinen
Verteidigungsarmee hin zu Kriegseinsätzen im Ausland mit so genannten "Krisenreaktionskräften" (Absatz 45). Einer
der Ausgangspunkte der Verteidigungspolitischen Richtlinien ist die Wahrung und Durchsetzung der "legitimen
nationalen Interessen" Deutschlands (Absätze 2, 3 und 7). Hierzu zählt zum Beispiel die "Aufrechterhaltung des freien
Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt".
Und: "Einflussnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf
unsere Wirtschaftskraft" (Abs. 8, Nr 8 und 10).[1]
Die wirtschaftlichen Interessen an diplomatischen und militärischen Interventionen sind vielfältig. Selbstverständlich
haben die Rüstungskonzerne ein Interesse daran, dass Kriege geführt werden. Krieg ist ein Bombengeschäft. Aus der
unmittelbaren Sicht der Rüstungskonzerne ist es hierbei zunächst egal, wo Kriege geführt werden. Große Baukonzerne
freuen sich über Aufträge für den Wiederaufbau der unmittelbar mutwillig zerstörten Infrastruktur. Für die global
agierenden Konzerne insgesamt ist auch der Zugang zu neuen Märkten von Interesse. Auch hier ist prinzipiell der
gesamte Globus von Interesse.
Die Kriegsschauplätze werden allerdings maßgeblich durch die Vorkommen der knapper werdenden Rohstoffe bestimmt.
Die meisten Krisen- und Kriegsgebiete finden sich in der Nähe der Lagerstätten oder Transportwege von Erdöl und
Erdgas. Hier einige Beispiele:
Besonders auffällig ist die regelrechte Wiederentdeckung Afrikas. Der Erdteil wurde noch vor wenigen Jahren in allen
Publikationen als der "vergessene Kontinent" bezeichnet. Doch seit man in einigen Regionen Afrikas lukrative
Erdöl-Lagerstätten fand, interessieren sich - noch weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit - die wirtschaftlichen
und politischen Eliten plötzlich wieder massiv für den Kontinent. Im November 2005 fand zum Beispiel auf Einladung
des ehemaligen IWF-Chefs und derzeitigen deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler auf dem Petersberg bei Bonn
eine Afrika-Konferenz statt. Im Interview mit dem Bonner Generalanzeiger (8.11.2005) verwies Köhler auf das
schwarze Gold: "(...) seit die Lage im Nahen Osten kritischer geworden ist, importiert der Westen zunehmend mehr Öl
aus Afrika."
Zum Beispiel: Sudan
In Sudan konkurriert Deutschland mit mehreren asiatischen Staaten und möglicherweise auch mit Frankreich und den
USA um den Zugang zum Öl. Die Zentralregierung des Landes hat Verträge mit asiatischen Unternehmen geschlossen.
Das Öl aus dem Südsudan fließt per Pipeline über die Hauptstadt Khartum zur Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer.
Von dort kann das Öl per Schiff nach Asien weiter transportiert werden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist,
dass die Meerenge zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean seit 2002 unter anderem von der deutschen
Marine und US-amerikanischen Soldaten im so genannten Antiterror-Einsatz kontrolliert wird (Einsatz am Horn von
Afrika). Ob es bei dieser Überwachung des Seeweges tatsächlich um Terroristen geht? Hält man sich hier
möglicherweise die Option offen, diesen Seeweg bei Bedarf für asiatische Öltanker mit militärischen Mitteln
abzuriegeln?
Deutschland unterstützt in Sudan die Rebellen des Südens, die mit der Zentralregierung jahrelang einen Bürgerkrieg
um die Einnahmen aus dem Ölgeschäft führten. Im Januar 2005 kam es - nicht zuletzt auch aufgrund intensiven
Drucks seitens der deutschen Bundesregierung - zu einem "Friedensvertrag", der den Rebellen die Macht im Süden des
Landes und einen Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen aus dem Ölgeschäft überträgt. Außerdem darf sich der Süden
laut Vertrag sechs Jahre später in einem Referendum von Sudan abspalten und einen eigenen Staat bilden! Nach einer
Abspaltung des Südens bliebe der Nordsudan ohne Zugang zum Öl. Ob das tatsächlich eine auf Frieden angelegte
Lösung ist, darf bezweifelt werden. Die Bundeswehr möchte gut sechs Jahre im Land bleiben, um die Umsetzung des
Vertrages zu überwachen.
Diese sechs Jahre bis zum geplanten Referendum für die offensichtlich beabsichtigte Teilung des Landes wollen
deutsche Unternehmen nutzen, um für das Erdöl aus Südsudan einen anderen Transportweg zu errichten: Sie wollen
eine neue Eisenbahnlinie von den Ölfeldern des Südsudan - unter Umgehung des Nordsudan - in das westlich
orientierte Kenia bauen. Von der kenianischen Hafenstadt Mombasa soll das Öl dann per Schiff nach Deutschland und
in andere westliche Staaten - statt nach Asien - transportiert werden. Soll die am Horn von Afrika seit Jahren
stationierte deutsche Marine diesen Handelsweg in einigen Jahren schützen und gegebenenfalls in einem Seekrieg gegen
konkurrierende asiatische Kriegsflotten verteidigen?
Zum Beispiel: Zentralafrika
Deutschland interessiert sich aber nicht nur für den Sudan, sondern für die gesamte Region "Zentralafrika". In seiner
"Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika" verweist das Auswärtige Amt neben anderen knappen Rohstoffen auf die
Ölvorkommen in Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Äquatorialguinea, Tschad, sowie auf die Demokratische Republik
Kongo (früher Zaire). In der Demokratischen Republik Kongo tobt laut Auswärtigem Amt ein "Krieg der Rohstoffe". Die
Bundeswehr beteiligt sich dort am UN-Militäreinsatz MONUC.[2]
Zum Beispiel: Iran & Irak
Jenseits von Afrika war der Bezug zum Öl für die Öffentlichkeit oft klarer. Bei den beiden "Golfkriegen" gegen den Irak
war weithin vom "Krieg ums Öl" die Rede. Auch bei den aktuellen Auseinandersetzungen mit Iran liegt ein Interesse
am Öl auf der Hand.[3]
Zum Beispiel: Ex-Jugoslawien (westlicher Balkan)
Beim NATO-Krieg gegen Jugoslawien gibt es Hinweise dafür, dass unter anderem auch geostrategische Interessen eine
Rolle gespielt haben können. "German Foreign Policy" verweist auf einen EU-Text, wonach "Energieverbindungen mit
Südosteuropa und darüber hinaus mit dem Mittleren Osten und der Kaspischen Region" geschaffen werden sollen.
Entsprechende Pipelineprojekte sollen die zukünftige Versorgung der europäischen Kernstaaten mit Rohstoffen aus
Zentralasien und dem Iran sicherstellen. Die deutsche Energiewirtschaft sorgt bereits für einen Anschluss der
Balkanländer an das europäische Strom- und Gasnetz nach deutschen Standards.
Die aktuellen Auseinandersetzungen um die Transportwege des Erdgases aus Russland zeigen einer breiteren
Öffentlichkeit, wie sehr hinter den Kulissen bereits seit Jahren um eine so genannte "Diversifizierung" der
Transportwege gefeilscht wird. Wer sich die Landkarte ansieht, kann leicht feststellen, dass die Länder des
ehemaligen Jugoslawiens strategisch wichtig sein können für Energielieferungen aus dem Nahen und Mittleren Osten,
aus dem Kaukasus (an dem schon Nazi-Deutschland bzw. die deutsche Wehrmacht interessiert war) und aus
Zentralasien.
Zum Beispiel: Georgien & Ukraine
In diesem Zusammenhang muss man sich nicht über Hinweise darauf wundern, dass der Westen die "Rosenrevolution"
in Georgien unterstützt haben soll. Mit Unterstützung eines dem Westen zugeneigten Regimes in der georgischen
Hauptstadt Tiflis lässt sich leichter Erdöl über die neue Tiflis-Ceyhan-Pipeline aus dem aserbaidschanischen Baku zum
türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportieren. Es ist offenbar längst im Gespräch, auch NATO-Truppen zur
Sicherung der Pipeline einzusetzen (vgl. DEN, Kiew, 03.09.2002; Media-Press, Baku 15.03.2002).
Nicht umsonst konzentriert sich die deutsche Außenpolitik in Georgien auf den Bereich Energie: "Die bilaterale
Zusammenarbeit konzentriert sich - auch vor dem Hintergrund der Kaukasus-Initiative - auf die Bereiche Energie,
Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft sowie Entwicklung der Marktwirtschaft", schreibt das Auswärtige Amt
auf seiner Website. "Die georgische Regierung verfolgt eine marktwirtschaftlich orientierte Politik und beabsichtigt in
diesem Rahmen die Privatisierung der Staatsbetriebe. Vor allem im Energiesektor forciert Georgien nun nach
langjähriger Unterstützung der internationalen Gebergemeinschaft die Privatisierung der Energiewirtschaft." Weiterhin:
"Grundsätzlich liegen Georgiens Vorteile als Investitionsstandort in seiner geostrategischen Lage (...). Größtes
aktuelles Investitionsprojekt sind die Öl- und Erdgas-Pipelines, die unter Umgehung der Territorien Russlands und
Irans Rohstoffe aus dem Kaspischen Meer über Georgien in die Türkei und von dort weiter auf europäische Märkte
befördern soll." Wer glaubt da noch, es sei bei der Revolution in Georgien um die Verbreitung der Demokratie
gegangen?
Auch die Ukraine, wo offenbar mit Hilfe des Westens ein gefälliges Regime per Revolution an die Macht kam, ist ein
wichtiges Transitland für Erdgaslieferungen von Russland unter anderem nach Deutschland. Wer glaubt hier, es sei um
die Verbreitung der Demokratie gegangen? Ab Mitte der neunziger Jahre schlossen sich Georgien, Aserbaidschan, die
Ukraine, Moldawien und schließlich Usbekistan zum Bündnis GUUAM (benannt nach den Anfangsbuchstaben dieser
Länder) zusammen, das sich eng an die NATO anlehnt. Ein weiteres an die NATO angelehntes Bündnis besteht
zwischen der Türkei und Aserbaidschan.
Zum Beispiel: Afghanistan, Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan usw.
Im Zuge des so genannten Anti-Terrorkrieges beteiligte sich die Bundeswehr auch an der Eroberung und Besatzung
Afghanistans. Die deutsche Öffentlichkeit wurde auf die Bekämpfung des Taliban-Regimes eingeschworen und zudem
auf die Frauenpolitik. In den Monaten und den ersten beiden Jahren nach Kriegsbeginn gab es kaum einen Bericht, in
dem nicht die "Befreiung der Frauen" in Afghanistan zum Thema hochstilisiert wurde. Jenseits dieser medial
inszenierten Dramaturgie geht es in Afghanistan vermutlich um etwas ganz anderes.
Im Norden Afghanistans gibt es Erdgasvorkommen. Unter sowjetischer Besatzung wurde hier Mitte der 1970er Jahre
Erdgas gefördert. Die Anlagen wurden durch Sabotageakte der Mudschaheddin zerstört. Zu den größeren Erdgasfeldern
gehören Jorqaduq, Khowaja, Gogerdak und Yatimtaq. Sie liegen alle im Umkreis der Stadt Sheberghan in der
nordafghanischen Provinz Jowzjan. Die Provinz Jowzjan zählt zu den von der Bundeswehr besetzten Gebieten.
Doch die Bedeutung der Besetzung Afghanistans geht weit über Afghanistan hinaus. Wolfgang-Peter Zingel vom
Südasien-Institut der Universität Heidelberg, Abteilung Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, schreibt zur
geostrategischen Bedeutung des Landes schlicht und ergreifend: "Nach wie vor dient die Einflussnahme des Auslands
auf den Konflikt in Afghanistan wirtschaftlichen Interessen: die sowjetische Invasion wurde als Versuch gewertet, der
UdSSR endlich einen Zugang zum Indischen Ozean zu verschaffen; die westlichen Industrieländer sahen ihre
Ölversorgung aus der Golfregion gefährdet. Heute geht es um den Zugang zu den Energievorkommen in Zentralasien;
(...) Dazu wären stabile politische Verhältnisse zumindestens in diesem Teil des Landes erforderlich."
Deutschland sorgt mit für die gewünschten stabilen politischen Verhältnisse in Afghanistan: zum Beispiel durch die
"Führungsrolle beim Wiederaufbau der nationalen Polizei in Afghanistan" (Auswärtiges Amt). Außerdem sorgt
Deutschland für rechtliche Rahmenbedingungen, die unter anderem den Bau einer Pipeline ermöglichen können: "Auch
wurde 2003 mit deutscher Unterstützung der Entwurf für ein neues Investitionsgesetz vorgelegt, das den Ansprüchen
internationaler Investoren genügt", so das Auswärtige Amt. Zudem: "Die Bundesrepublik Deutschland hat im Dezember
2004 ein bilaterales Investitionsschutzabkommen mit Afghanistan paraphiert; die Zeichnung und Inkraftsetzung wird
im ersten Halbjahr 2005 erfolgen."
Der ehemalige Leiter des Planungsstabs im deutschen Auswärtigen Amt, Achim Schmillen, kommentierte in diesem
Zusammenhang: "Der Ressourcenreichtum, vor allem an Erdöl und Erdgas, macht das Gebiet besonders attraktiv für
ausländische Investoren. (...) Auch wenn manche Schätzungen überzogen sein dürften, haben die Industrieländer großes
Interesse an der Region. (...) [Die Rohstoffe] auf den europäischen Markt zu bringen, hängt an drei Faktoren: am
Transport, der damit verbundenen Beteiligung der großen Mächte und der potenziellen Instabilität der Gegend."
Von besonderem Interesse sind die gewaltigen Erdgasvorkommen im nördlich von Afghanistan gelegenen
Turkmenistan. Dazu das Auswärtige Amt: "Turkmenistan ist ein potenziell reiches Land. Es verfügt über die
viertgrößten Erdgasreserven der Welt. Die nachgewiesenen Gasreserven belaufen sich auf insgesamt 5,4 Billionen Kubikmeter,
wahrscheinliche Gasreserven auf 107 Billionen Kubikmeter. Die Ölreserven werden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auf
2,930 Mrd. Tonnen geschätzt."[4]
Und offenbar haben die Europäer mittlerweile auch dafür gesorgt, dass Erdgas und Erdöl der Region nicht nach
Pakistan und Indien, sondern gen Westen fließen. Dazu das Auswärtige Amt in diplomatischen Worten: "Die 2002
angedachten Pläne für den Bau einer trans-afghanischen Pipeline nach Pakistan und Indien sowie frühere Ideen einer
Pipeline durch den Norden Irans nach Armenien sind (...) in den Hintergrund getreten. Bereits im Jahr 1997 wurde eine
200 Kilometer lange Pipeline in den Iran eingeweiht." Der Verlauf der Pipelines ist hart umkämpft. So wusste auch die
einflussreiche Deutsche Bank 2002 bezogen auf die Ausbeutung der Erdölvorräte Kasachstans zu berichten, dass der
Verlauf weiterer Pipelinerouten "aus geostrategischen Gründen politisch brisant" ist. Ein möglicher Routenverlauf gehe
durch den Iran. Ob dies das neuerliche starke Interesse am Iran begründet?
Die Deutsche Bank, eine der treibenden Kräfte in der deutschen Politik, macht sich für eine "energiestrategisch
motivierte Geopolitik" stark. In einer Veröffentlichung mit dem Titel "Energieperspektiven nach dem Ölzeitalter" vom 2.
Dezember 2004 schreibt die Deutsche Bank Research: "Im europäisch-russischen Dialog sollte zwar klar gemacht
werden, dass für Europa auch künftig Russland der wichtigste Energie- und Erdgaslieferant sein wird. Langfristige
Lieferverträge sorgen hier für Investitionssicherheit. Gleichwohl darf das Management der Lieferströme nach Europa
keineswegs allein Russland überlassen werden. In den letzten Monaten hat Russland seinen Einfluss auf die großen
Vorkommen in Turkmenistan und Kasachstan sowie die Transportroute über die Ukraine bereits spürbar gesteigert. Vor
kurzem wurden langfristige Kontrakte unterzeichnet. Die Gefahr besteht, dass der Einfluss künftig auch auf das
erdgasreiche Liefer- und Transitland Iran ausgeweitet wird. (...) Ohne unabhängige Transporte aus den wichtigen
Lieferländern sind niedrige Wettbewerbspreise und eine Energieversorgung durch Diversifikation kaum möglich. Eine
moderne Geopolitik in der EU ist daher dringend geboten."
3. Menschenrechts- und Hilfsorganisationen - reich alimentierte Hilfstruppen von Wirtschaft und Militär?
Die Interventionen des Westens werden mit einem Strauß von Gründen gerechtfertigt. Bezogen auf Afghanistan sollte
die deutsche Öffentlichkeit plötzlich Mitleid mit den Frauen haben, um den Einmarsch der Bundeswehr zu rechtfertigen;
so als würden Frauen dort nicht schon seit vielen Jahren und auch in zahllosen anderen Ländern massiv unterdrückt.
Doch die Masche zog und so manche frauenpolitische Organisation war begeistert, dass die Unterdrückung der Frau
vermeintlich endlich die Richtlinien der deutschen Politik bestimmte.
Auch der Umstand, dass in Georgien und in der Ukraine vermeintlich endlich die Demokratie ausbrach, stieß auf
weitgehende Zustimmung in der westlichen Öffentlichkeit. Ernstzunehmende Hinweise, wonach in diesen Ländern
Russland und der Westen um den vorherrschenden Einfluss konkurrieren und entsprechende Regime installieren bzw.
halten wollen, blieben von den westlichen Medien weitgehend unbeachtet.
Mit der tatsächlichen oder vorgegebenen Terrorgefahr bedienen sich die konkurrierenden Mächte einer weiteren
Allzweckwaffe, die beliebige militärische Überfälle oder Truppenstationierungen - und zugleich beliebige
Einschränkungen von Bürgerrechten im Inneren - rechtfertigen sollen.
Der Verweis auf die Menschenrechtslage ist eine weitere Spielart, um diplomatische und militärische Interventionen zu
rechtfertigen. Begriffe wie "Vertreibung", "ethnische Säuberung", "Völkermord", "Massaker" etc. haben seit Jahren
Hochkonjunktur, seitdem die politischen und wirtschaftlichen Eliten die Erfahrung gemacht haben, dass man damit
selbst entschiedene Kriegsgegner zum Einlenken bewegen kann, unabhängig davon, wie sich die Realität darstellt.
Soldaten und Entwicklungshelfer arbeiten im Auslandseinsatz längst Hand in Hand. Das Auswärtige Amt stellte
offenbar allein im Jahr 2005 für humanitäre Hilfsprojekte in Afghanistan gut 3 Millionen Euro zur Verfügung. Gelder, die
großteils an Hilfsorganisationen gehen, die sich aufgrund der enormen finanziellen Zuwendungen möglicherweise auch
mit Kritik an der deutschen Politik zurückhalten und bei so mancher Kooperation vielleicht auch ein Auge zudrücken.
Durch gezielte landesspezifische Mittelzuweisungen an Hilfsorganisationen lässt sich seitens des Staates auch
sicherstellen, dass immer gerade dort Menschenrechtsverletzungen angeprangert werden, wo die Bundeswehr
einmarschieren möchte! Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern treten jeweils deutlich in den Hintergrund und
kommen in der medialen Öffentlichkeit nicht vor. Die Öffentlichkeit gewinnt den sicheren Eindruck, als herrsche in dem
permanent genannten Land - und zwar nur dort - akuter Handlungsbedarf - und als könnte dies durch eine militärische
Intervention schnell gelöst werden.
Im Vorfeld des Bundeswehr-Einsatzes in Sudan wurde eine Menschenrechtskatastrophe in der sudanesischen Region
Darfur hochstilisiert. Der Kölner Wissenschaftler und Sudan-Kenner Stefan Kröpelin vertritt die Auffassung, dass die
Menschenrechtssituation in Sudan nicht besser und nicht schlimmer ist als in jedem anderen afrikanischen Land. Jeder
würde das unter der Hand bestätigen. Doch seit man am Erdöl interessiert sei, sei die humanitäre Katastrophe für den
Westen plötzlich von Interesse. Journalisten wären an einem differenzierten Bild nicht interessiert.
Der deutschen Öffentlichkeit würden Satellitenbilder mit angeblich niedergebrannten Dörfern vorgeführt.
Stichprobenartige Überprüfungen hätten ergeben, dass nicht eine einzige Hütte niedergebrannt worden sei. Es hätte
sich in den überprüften Fällen vielmehr um Keramik-Brennplätze gehandelt. Kröpelin hält die genannten Zahlen über
Menschenrechtsverletzungen für völlig abwegig. Die Zahlen würden von den Flüchtlingslagern stammen. Doch viele
Leute seien nur deswegen in den Flüchtlingslagern, weil es dort Dinge umsonst gebe. Auch Menschenrechts- und
Hilfsorganisationen hätten ein Interesse an übertrieben hohen Zahlen, weil das die Spendenbereitschaft in
Deutschland erhöhe. Zudem sei die Region Darfur nur schwer zugänglich und Menschenrechtsorganisationen würden
sich zum Beispiel auf Aussagen von Exilbischöfen berufen, nicht jedoch auf Quellen vor Ort. Einige Überfälle mit
Todesfällen habe es in Darfur schon immer gegeben. Im übrigen würde auch die Rebellenorganisation des Südens, mit
der Deutschland kooperiert, die Menschenrechte nicht achten. Nach einem BBC-Bericht sollen sie beispielsweise Kinder
als Soldaten missbraucht haben.
Das Beispiel Sudan zeigt ebenso wie auch andere einschlägige Fälle, dass die deutsche Öffentlichkeit die
Menschenrechtslage in anderen Ländern in keiner Weise beurteilen kann. Auch auf die Angaben vermeintlich
"unabhängiger" Menschenrechts- und Hilfsorganisationen kann man sich nicht stützen. Eben so wenig sind in aller
Regel die Abgeordneten des Deutschen Bundestages informiert.
Von der Vorbereitung des NATO-Krieges gegen Jugoslawien ist hinreichend bekannt, wie im Vorfeld des Krieges von
offizieller Seite vermutlich massiv die Unwahrheit gesagt wurde. Die USA hatten vor einigen Jahren sogar offiziell
angekündigt, sie würde der Öffentlichkeit künftig nicht immer die Wahrheit sagen.
Das bedeutet, dass eine demokratische Kontrolle von Interventionen praktisch nicht möglich ist. Weder die
Bevölkerung noch die Abgeordneten in den Parlamenten können ernsthaft überprüfen, ob ein Krieg tatsächlich wie oft
behauptet zur Verhinderung von schweren Menschenrechtsverletzungen geführt wird oder mit dem Ziel, Zugang zu
Märkten und Rohstoffen zu bekommen.
4. Das Herbeibomben von Öl und Gas bleibt letztlich perspektivlos
Man könnte im Sinne einer Staatsraison zunächst argumentieren, es sei nun einmal so, dass wir abhängig vom Öl sind
und notfalls müssten wir diese Grundlage unserer Zivilisation eben mit militärischen Mitteln sichern; wir stünden in
hartem Wettbewerb mit anderen Industrie- und Schwellenländern und man könne das Öl jetzt nicht einfach den
Ländern überlassen, die über entsprechende Vorkommen verfügten oder die sich den Zugang zum Öl mit militärischen
Mitteln sicherten; Deutschland und Europa müssten sich zwangsläufig mit Hilfe harter Verhandlungen, mit der
Beteiligung an der Besetzung entsprechender Territorien und hin und wieder auch mit Kriegen den Zugang zum Öl und
zu den anderen erforderlichen Rohstoffen sichern; Romantisieren helfe hier wenig, es gehe um unser Überleben und um
unseren Wohlstand; man beanspruche nur eine Art Selbstverteidigungsrecht.
Eine solche Argumentation würde - abgesehen von der Frage der Legitimation und der praktischen Durchführbarkeit -
allenfalls dann Sinn machen, wenn sich daraus eine langfristig tragfähige Perspektive ergäbe, die die Risiken und die
massive Inhumanität einer solchen Strategie rechtfertigen könnten. Dies ist aber nicht der Fall.
Seit den 1970er Jahren ist allgemein bekannt, dass Öl und Gas in absehbarer Zeit zur Neige gehen. Insider wissen
mindestens ebenso lange, dass auch Uran ein extrem begrenzter Energie-Rohstoff ist. Wenn 30 Jahre später (!) das
Verkehrssystem in Deutschland praktisch noch immer vollständig vom Öl abhängig ist und die Abhängigkeit des Strom- und Wärmesektors von Erdgas sogar noch erhöht wurde, dann hat die wirtschaftliche und politische Elite 30 Jahre
lang vollständig versagt. Eine gewisse Mitschuld tragen auch manche Umweltschützer, die sich der Expansion des
Erdgases zu Heizzwecken nicht widersetzten und zum Teil noch heute den Bau von "hocheffizienten Gaskraftwerken"
fordern.
Die Menschheit kann ihren Energiehunger langfristig nicht auf Erdöl, Erdgas und Uran stützen. Insofern sind alle
Bemühungen, mit diplomatischen Mitteln und mit Kriegseinsätzen den Zugang zu diesen Rohstoffen zu sichern,
letztlich perspektivlos. Es handelt sich nicht um eine langfristig rationale Politik, sondern um ein kurzfristiges
Aufrechterhalten einer vollständig verfehlten Politikstrategie mit inhumanen Mitteln.
Die Menschheit ist dabei, die letzten Reste an Demokratie, Menschenrechten und sonstigen zivilisatorischen
Errungenschaften aufzugeben und erneut in ein barbarisches Zeitalter der Rohstoffkriege einzutreten, in dem -
möglicherweise mit ständig wechselnden Koalitionen - permanent National- oder auch Privatarmeen übereinander
herfallen.
Eine vernünftige Energiepolitik ist daher das Gebot auch im Sinne einer aktiven Friedenspolitik. Ein humanes
Miteinander der Völker erscheint aus heutiger Sicht nur dann möglich, wenn erneuerbare Energien und ein sparsamer
Umgang mit Ressourcen die Basis der Energieversorgung bilden.[5]
5. Das Herbeibomben von Menschenrechten ist eine Illusion
Auch wenn man im Einzelfall glaubt, dass eine Menschenrechtssituation nur mit militärischen Mitteln beseitigt werden
kann, so erscheint doch eine allgemeine politische Strategie der Verteidigung der Menschenrechte mit militärischen
oder sonstigen massiv interventionistischen Mitteln als Illusion. Realpolitisch betrachtet, kann eine
Interventionsstrategie für Menschenrechte nicht funktionieren. Abgesehen davon, dass der Krieg selbst zutiefst
inhuman ist, sprechen hierfür u.a. die folgenden Gründe:
- Den Führungseliten fehlt die Motivation zur Beseitigung von Menschenrechtsverletzungen: Eine solche
Interventionsstrategie scheitert bereits daran, dass man realistischerweise nicht unterstellen kann, der
politischen und der wirtschaftlichen Elite ginge es um die Menschenrechte. Die Erfahrung spricht schlichtweg
dagegen. Es wird in Deutschland inzwischen auch wieder ganz offen gesagt, dass es um die Vertretung von
"nationalen Interessen" wie etwa die Sicherung der Rohstoffversorgung geht. Ausnahmen bestätigen diese Regel.
Da dies so ist, gibt es den Grundsatz der demokratischen Kontrolle.
- Eine demokratische Kontrolle der Führungseliten ist nicht möglich: Wie dargelegt scheitert eine demokratische
Kontrolle bereits daran, dass die breite Öffentlichkeit - wie auch die interessierte Öffentlichkeit - die Lage in
einem anderen Land überhaupt nicht realistisch beurteilen kann. Die Praxis zeigt: Die Manipulationen der
öffentlichen Meinung werden entweder gar nicht oder erst zu spät bekannt.
- Eigendynamik von Militär und Rüstungsindustrie: Eine Interventionsstrategie zur Verteidigung der Menschenrechte
erscheint auch insofern als Illusion, als damit ein Wiedererstarken des Militärs und der Rüstungsindustrie
verbunden ist. Es wäre illusorisch anzunehmen, man könne das entfesselte Militär und eine starke
Rüstungsindustrie auf einfache Weise zügeln. Die Entwicklung der Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr hat
gezeigt, dass eine schrittweise Enthemmung stattfand. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.
- Schwerste Menschenrechtsverletzungen in starken Ländern können militärisch nicht bekämpft werden:
Interventionen zur Durchsetzung von Menschenrechten sind höchst selektiv. Die Erfahrung zeigt: Bei den
jeweiligen Verbündeten oder auch bei militärisch als unangreifbar geltenden Staaten wie China oder Nordkorea
marschiert man selbstverständlich nicht ein. Trotz ständiger Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in den USA
und durch die USA im Ausland, gibt es natürlich keine durchgreifenden (militärischen) Interventionen durch
Deutschland oder andere europäische Länder. Die Bundeswehr unternimmt keinerlei Anstalten, die Insassen von
Guantánamo oder von anderen durch die USA kontrollierten Gefängnissen zu befreien. Auch in China marschiert
keine fremde Armee ein, um die eklatanten Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. In der deutschen Politik
werden die von den Rebellen des Südsudan begangenen Menschenrechtsverletzungen nicht angeprangert, weil es
derzeit Verbündete sind. Bereits diese wenigen Beispiele zeigen: Dieser vermeintliche Kampf um die
Menschenrechte ist nichts anderes als die Durchsetzung des Rechtes der Stärkeren.
- Die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten reichen für eine Bekämpfung der weltweit begangenen
Menschenrechtsverletzungen auch nicht ansatzweise aus: Eine auf militärische Mittel gestützte
Interventionsstrategie ist auch deswegen völlig unrealistisch, weil es weder organisatorisch noch finanziell
durchführbar wäre, mit Kriegen und der Besetzung fremder Territorien alle relevanten Schauplätze schwerer
Menschenrechtsverletzungen abzudecken. Die Praxis der vergangenen Jahre zeigt bereits, dass derzeit neben der
Besatzung des Irak und Afghanistans und einiger anderer Territorien schon kaum noch ein weiterer Krieg geführt
werden kann, obwohl dies von der so genannten "internationalen Gemeinschaft" beispielsweise im Iran, in
Nordkorea und sicherlich auch noch an zahllosen weiteren Orten als notwendig erachtet wird. Doch weltweit
geschehen schwere Menschenrechtsverletzungen, wie man den einschlägigen Berichten entnehmen kann.
- Kriege führen zu Menschenrechtsverletzungen: Hinzu kommt: Die Kriege selbst sind Auslöser schwerster
humanitärer Katastrophen. Man denke nur an die heute in Kriegen übliche gezielte Zerstörung der zivilen
Infrastruktur von Ländern (vgl. Ex-Jugoslawien, Irak etc.). Die unmittelbare Folge von Kriegen sind meist Hunger
und Elend. Aber schon die niederschwelligeren Interventionen mit diplomatischen Mitteln und wirtschaftlicher
Erpressung oder Nötigung lösen weltweit humanitäre Katastrophen größten Ausmaßes aus. Wenn die
"internationale Staatengemeinschaft" zum Beispiel die Privatisierung der Wasserversorgung oder Patente auf
Saatgut durchsetzt, dann kann dies zu weiteren Hungerkatastrophen größten Ausmaßes führen. Wenn die
Darstellung von Chossudovsky richtig ist, dann haben IWF und Weltbank in Somalia den Hunger aufgrund ihrer
Interventionen erst herbeigeführt. Selbst in Deutschland breitet sich das Frieren und Hungern wieder aus.
6. Interventionismus heißt Einmischung in fremde Angelegenheiten
Interventionismus ist das Gegenteil von Souveränität. Interventionismus bedeutet, dass man sich in fremde
Angelegenheiten einmischt. Bei Interventionen mit Zwangsmaßnahmen wie zum Beispiel Kriegen maßt man sich sogar
an, unmittelbar über das Schicksal anderer Menschen zu entscheiden.
Wenn man sich aber in fremde Angelegenheiten einmischen möchte, möglicherweise sogar mit Zwangsmaßnahmen,
dann benötigt man dafür nach allgemeiner Auffassung starke Rechtfertigungsgründe. Sind diese gegeben? Wie
dargelegt sind Kriege für Öl und für Menschenrechte nicht nur inhuman, sondern bezüglich der Zielsetzungen auch
perspektivlos und unrealistisch. Wie steht es dann mit den Rechtfertigungsgründen für Interventionen unterhalb der
Kriegsschwelle?
Wir halten die Demokratie für die beste aller mit Mängeln behafteten Staatsformen. Demokratie aber bedeutet
Selbstbestimmung, Souveränität. Es bedeutet, dass Menschen selbst darüber entscheiden, wie sie leben wollen und
auch, wie sehr sie sich möglicherweise beherrschen lassen wollen.
Der Grad der Abgabe von persönlichen Souveränitätsrechten ist in verschiedenen Demokratieformen sehr
unterschiedlich. Es gibt eine breite Spannweite von der "Palaverdemokratie" mit fast vollständiger persönlicher
Mitbestimmung, über verschiedene Formen der Teil-Abgabe von Machtbefugnissen unter Beibehaltung von direkten
Mitbestimmungsrechten (z.B. über Volksentscheide) bis hin zur repräsentativen Demokratie westlicher Prägung mit nur
noch minimaler persönlicher Mitbestimmung, wobei hier nochmals zwischen den Frühformen des relativ starken Staates
und der heutigen Ausprägung mit der Dominanz durch Großkonzerne zu unterscheiden ist.
Wie wäre es nun mit einer Einmischung (Intervention) von außen? Stellen wir uns vor, wir lebten in einer
repräsentativen Demokratie mit faktischer Dominanz internationaler Konzerne und dann nötigte uns die "internationale
Staatengemeinschaft", sehr weit reichende Mitbestimmungsrechte der Bevölkerung schlagartig einzuführen, so dass
das Land im jahrzehntelangen Chaos versänke. Wäre eine solche Einmischung von außen sinnvoll und wünschenswert?
- Stellen wir uns andererseits vor, wir lebten in einer funktionierenden, sehr lebendigen und aufgeklärten Demokratie
mit weit reichenden direkten Mitbestimmungsrechten in Politik und Wirtschaft und dann nötigte uns die "internationale
Staatengemeinschaft", eine repräsentative Demokratie mit faktischer Dominanz internationaler Konzerne einzuführen?
Wäre eine solche Einmischung von außen sinnvoll und wünschenswert?
- Stellen wir uns als dritten Fall vor, wir lebten
halbwegs leidlich in einem undemokratischen Staatswesen und dann nötigte uns die "internationale
Staatengemeinschaft", eine faktisch von ausländischen Großkonzernen gesteuerte "Demokratie mit freien Wahlen"
einzuführen, mit der Folge, dass Armut und Hunger auf der einen Seite und Reichtum auf der anderen Seite zunähmen?
Wäre eine solche Einmischung von außen sinnvoll und wünschenswert?
Müssen sich Menschen im Regelfall nicht selbst wehren und selbst für die Modifikation ihrer Staats- und
Wirtschaftsform kämpfen? Ist es nicht schon genug an "Intervention", wenn andere Länder als Vorbilder dienen und für
ihr Staats- und Wirtschaftsmodell werben? Haben nicht die DDR-Bürger demonstriert, wie leicht ein Regime
wegzudemonstrieren ist, wenn die Bevölkerung einfach nicht mehr mitmachen will? Und wenn ein Regime (scheinbar)
so fest im Sattel sitzt wie die chinesische Führung, dann wäre nicht nur ein Volksaufstand, sondern ebenso ein
militärisches Eingreifen zum Scheitern verurteilt! Vermutlich sind in solchen Fällen sogar Formen der "sozialen
Verteidigung" bzw. des "sozialen Aufstandes" die einzig realistische Chance, um Unterdrückung und
Menschenrechtsverletzungen zu beenden!
Entspricht es den Grundsätzen von Demokratie und Selbstbestimmung, wenn man in anderen Ländern bestimmte
"Reformkräfte", "Rebellen", "Revolutionäre", "Aufständische" bzw. "Terroristen" (die Wortwahl variiert je nach
politischem Standpunkt) mit viel Geld bzw. mit Fahnen und Flugblättern ausstattet, damit sie das Land im Sinne der
ausländischen Geldgeber umkrempeln, mit reichlich ausländischem Geld im Rücken "freie Wahlen" durchführen und
anschließend die Ölkonzessionen an die ehemaligen ausländischen Geldgeber vergeben?
Darf man tatsächlich andere Länder über bilaterale Verhandlungen, über konditionierte Entwicklungshilfe, über
Gläubigerversammlungen von Banken, über Institutionen wie IWF und Weltbank etc. regelrecht dazu zwingen, ihr
Staats- und Wirtschaftsmodell zu ändern? Muss der Westen tatsächlich sein Staats- und Wirtschaftsmodell mit Mitteln
der Nötigung auch noch im letzten Winkel dieser Erde durchsetzen? Darf man anderen Menschen mit IWF und
Weltbank Hunger und Elend bringen? Nach hoch offiziellen Aussagen bekommen wir in Deutschland keines der als
wesentlich bezeichneten "Probleme" gelöst. Täglich bekommen wir beispielsweise zu hören, dass das Problem der
Arbeitslosigkeit, der sozialen Sicherungssysteme, der Staatsfinanzen völlig ungelöst sei und niemand ein Patentrezept
habe; man arbeite aber fleißig an Lösungen (so wird es jedenfalls öffentlich suggeriert).
Mit anderen Worten heißt das nichts anderes, als dass unser Wirtschaftssystem nach regierungsamtlichen Aussagen
ganz massive Defizite aufweist.
Wie aber kommen wir vor diesem Hintergrund auf die Idee, der Welt mit IWF, Weltbank, Entwicklungshilfe,
Besatzungen und Kriegen unser defizitäres Wirtschaftssystem als das allein Heilbringende aufzwingen zu wollen? Ist
es vor diesem Hintergrund nicht absurd, anderen Ländern detaillierte Vorschriften zu machen, wie sie ihre Gesetze
ändern sollen?
Fußnoten:
[1] Die Verteidigungspolitischen Richtlinien wurden zwischenzeitlich modifiziert. Der Tenor blieb jedoch unverändert.
[2] Es geht bei den Rohstoffkriegen keineswegs nur um Öl. In der Demokratischen Republik Kongo finden sich laut
Auswärtigem Amt vor allem die folgenden Rohstoffe: Gold, Diamanten, Kupfer, Kobalt, Coltan (Columbium[Niob]-Tantalit)2, Zink,
Zinn, Kadmium, Germanium und Wolfram.
[3] Weitere Hinweise zum Iran weiter unten bei Afghanistan.
[4] Auch Kasachstan ist für die Industriestaaten von höchstem Interesse, und zwar nicht nur wegen der
Energierohstoffe. Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 24. November 1997 zählt Kasachstan "zu den
wichtigsten Bergbauländern der Welt. (...) Von den 112 Elementen des chemischen Periodensystems kommen mehr
als zwei Drittel in Kasachstan vor".
[5] Eine weitere wesentliche Voraussetzung für den Frieden ist die drastische Reduktion der Abhängigkeit von den
nicht-energetischen Rohstoffen.
Henrik Paulitz
Anmerkungen (Red. Netzwerk Regenbogen):
1 Zu den wenig bekannten Plänen Deutschlands im Sudan
siehe auch unsere Artikel:
'Das "humanitäre" Interesse am Sudan
gilt den Bodenschätzen (4.06.04)
'Sudan: Bundestag beschließt
Platz an der Sonne' (26.11.04)
'Deutsche Bundesregierung will weiter
im Sudan zündeln' (9.01.05)
2 Zu den wenig bekannten Plänen Deutschlands im Kongo und der
"strategischen" Bedeutung von Coltan
siehe auch unsere Artikel:
'Was macht den Kongo
plötzlich so interessant ?' (26.02.03)
'Urwald-Zerstörung im Kongo
Weltbank fördert gigantischen Kahlschlag' (8.03.04)
3 Zur "demokratischen Revolution" in der Ukraine siehe unseren Artikel:
'Ukraine - alles dieselbe Bagage' (1.01.05)