20.10.2009

Großes Gefahrenpotential
 
Umweltbundesamt warnt vor Nanotechnologie

Das Umweltbundesamt (UBA) warnt vor Gesundheitsgefahren durch Nano-Teilchen. Nanotechnologie wird in immer größerem Umfang in Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken, Kosmetika und anderen Produkten eingesetzt, ohne daß dies bislang durch ein Gesetz geregelt würde.

Mittlerweile gibt es bereits eine Anwendung von Nano-Teilchen, um beispielsweise auf Schokolade die Bildung eines Grauschleiers zu verhindern. Auf der Verpackung muß dies vom Hersteller nicht gekennzeichnet werden. Nur wer seine Schokolade im Bioladen kauft, kann sicher sein, daß eine solche Behandlung ausgeschlossen ist - und, wer als KonsumentIn direkt beim Hersteller nachgefragt hat.

Die Verwendung der Millionstel Millimeter kleinen Partikel ist für viele Industrie-Branchen interessant, weil sie nützliche chemische und physikalische Eigenschaften besitzen. Ihre Winzigkeit birgt allerdings Gefahren. So können sie leicht in den menschlichen Körper eindringen und viel eher natürlichen Barrieren überwinden wie etwa die Blut-Hirn-Schranke.

ExpertInnen des UBA warnen vor der sorglosen Verwendung von Nano-Partikeln, die neuerdings in immer mehr Produkten enthalten sind. In einer Studie, die am morgigen Mittwoch veröffentlicht wird, berichtet das Amt von möglichen Risiken und rät, "die Verwendung von Produkten, die Nano-Materialien enthalten oder freisetzen können, so lange zu vermeiden, wie ihre Wirkungen in der Umwelt und auf die menschliche Gesundheit noch weitgehend unbekannt sind". Das Amt fordert eine Kennzeichnungspflicht und ein Melderegister für Produkte, die Nano-Partikel enthalten, damit der Käufer Nano-Produkte erkennen kann. Betroffen wären hiervon in Deutschland rund 800 Unternehmen.

Nano-Partikel aus Metallen, Kohlenstoff oder organischen Verbindungen sind so klein, daß sie beim Einatmen bis in kleinste Lungenbläschen vordringen und dort zu Entzündungen führen können. Manche der Nano-Teilchen gelangen von dort aus in die Blutgefäße und damit in jedes Organ des Körpers. In Tierversuchen, in denen sehr hohe Dosen an Nano-Partikeln verabreicht wurden, wanderten die Teilchen bis in den Kern von Körperzellen und schädigten dort die DNS. Es gibt darüber hinaus Hinweise, daß Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff Erkrankungen auslösen können, ähnlich wie Asbestfasern.

Auch für die Umwelt könnten laut UBA Risiken bestehen. So löst sich etwa bei Socken, die Silber-Partikel in Nano-Größe enthalten, bei jedem Waschgang die Hälfte der Partikel ab. Sie gelangen ins Abwasser und so in die Kläranlage. Wenn das Silber am Fuß gegen Bakterien wirkt, mag dies sinnvoll oder zumindest ungefährlich sein; in der Kläranlage sind Bakterien jedoch erwünscht. Die Experten sind darüber besorgt, daß das ausgeschwemmte Nano-Silber die Funktion der Reinigungsanlagen stören könnte. Laut UBA ist unklar, was passiert, wenn der Klärschlamm schließlich zur Düngung auf die Felder gekippt wird und die Silber-Partikel so in Nutzpflanzen und ins Grundwasser gelangen. Auch gibt es Studien, die belegen, daß Nano-Partikel hochgiftig für Wasserorganismen sind.

Längst ist es wieder von den allermeisten KonsumentInnen der Mainstream-Medien vergessen, weil seit April 2006 nicht mehr daran gerührt wurde. Doch damals wurde in Deutschland das erste Desaster mit einem Nano-Produkt bekannt. Der Discounter Penny verkaufte Sprays mit den wunderversprechenden Namen 'Magic Nano Bad- und WC-Versiegeler' und 'Magic Nano Glas- und Keramikversiegeler'. Nach offiziellen Angaben wurden Dutzende Menschen verletzt. Bei einzelnen der Opfer wurden "toxische Lungenödeme" diagnostiziert. Symptome wie heftige Kopfschmerzen, Atemnot, Hustenanfälle und Schüttelfrost hatten die KonsumentInnen der Nano-Produkte veranlaßt, Hausarzt oder Klinik aufzusuchen.

Mitte Oktober 2007 warnte die Umwelt-Organisation BUND die VerbraucherInnen vor dem Kauf der Waschmaschine 'Silver Nano Health System', die von 'Media Markt' angeboten wurde. Laut BUND sind die in der Maschine enthaltenen Nano-Silberpartikel, die als Waschverstärker wirken sollen, noch nicht ausreichend auf ihre Umwelt- und Gesundheitsrisiken hin getestet worden. Bis heute liegen keine nachprüfbaren Studien über Gesundheitsgefahren vor.

Chinesische ForscherInnen hatten im August eine Studie veröffentlicht, nach der Nano-Partikel in Farben schwere Lungenkrankheiten verursachen können. Veröffentlicht wurde diese Studie im ' European Respiratory Journal' (Bd. 34, S. 559) der Europäischen Respiratorischen Gesellschaft in Genf. Die Studie kam zustande, nachdem in einer einschlägigen Fabrik zwei Arbeiterinnen zu Tode gekommen waren. Bei Analysen von Lunge und Brustfell wurden bei den Frauen Nanopartikel von rund 30 Nanometer Durchmesser gefunden, die sich in den Zellen und im Blut des Gewebes eingelagert hatten. Sie stammten aus der Farbe, die von den Frauen täglich verwendet wurden.

Japanische ForscherInnen veröffentlichten eine Studie, der zufolge Nano-Partikel die Hirnentwicklung bei Föten beeinflussen können. In Tierversuchen wurde mehrfach gezeigt, daß Nanopartikel zu Entzündungen der Lunge führen.

Nach eigener Aussage steht das UBA der Nanotechnologie nicht ablehnend gegenüber. Viele industrielle Anwendungen, bei denen die Nano-Teilchen nicht in die Umwelt gelangten, seien unbedenklich. Zudem könnte die Nanotechnologie auch helfen, die Umwelt zu schützen, schreiben die ForscherInnen. Viele Autoreifen enthalten etwa Nano-Rußpartikel, die den Rollwiderstand verringern, wodurch sich Treibstoff sparen lasse. Das Amt warnt jedoch wegen zahlreicher Wissenslücken - die möglichen Gefahren der Nanotechnologie seien derzeit nicht abschätzbar. Offenbar wird kein Geld zur Verfügung gestellt, um die unabdingbare Risiko-Forschung zu finanzieren. Es ist ein fortwährender Skandal, daß in Deutschland nur etwa drei Prozent der öffentlichen Forschungsgelder in Höhe von 440 Millionen Euro pro Jahr - also der lächerliche Betrag von rund 13 Millionen Euro - in die gesamte Risiko-Forschung fließt.

Dennoch kommen immer mehr Produkte mit Nano-Teilchen auf den Markt. Im Märzt dieses Jahres mußte vermeldet werden, daß die EU eine entsprechende Verordnung, nach der zumindest Nano-Kosmetika gekennzeichnet sein sollen, auf 2012 verschoben hat. (Siehe unseren Artikel v. 24.03.09) Das UBA fordert nun neben einer generellen Kennzeichnungspflicht die Einführung eines Melderegisters für Nanoprodukte. Bis eine solche Regelung in Kraft tritt, sollten KonsumentInnen lieber keine Socken kaufen, deren Verpackung Geruchsfreiheit verspricht - und stattdessen ihre herkömmlichen Socken einfach häufig waschen, rät das UBA.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Zum Thema Nano-Technologie siehe auch unsere Artikel:

      Nano-Technik und Kosmetik
      Europa-Parlament: Deklaration erst ab 2012 (24.03.09)

      Nano-Partikel in Lebensmitteln
      Bundesregierung verweigert Schutz der Bevölkerung (12.03.08)

      Nano-Technologie
      Eine neue Durchsetzungs-Strategie (18.12.07)

      Nano-Technologie - Ebenso vielfältig wie gefährlich (10.06.07)

      Warnung vor Nano-Technologie
      Waschmaschine von Media Markt birgt Umweltgefährdung (13.10.06)

      Nano-Technologie gefährlich
      Verletzungen durch 'Magic'-Spray (4.04.06)

 

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