1.09.2009

Fördermittel für Kinder?

184 Milliarden Euro verpuffen weitgehend wirkungslos

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte heute (Dienstag) in Berlin eine vergleichende Studie zur Lage der Kinder in den Industrienationen vor. Zwar enthält diese Studie auch einige positive Aspekte zur Lage der Kinder in Deutschland. Doch gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind dem deutschen Staat Kinder wenig wert.

Rund 184 Milliarden Euro jährlich werden in der BRD vermeintlich als "Familien-Hilfen" verausgabt. Dennoch sind deutsche Kinder im internationalen Vergleich überdurchschnittlich arm. Die Gelder werden über mehr als 150 Einzeltöpfe verteilt: vom Ehegattensplitting über das Kindergeld bis zur Kita-Finanzierung. Der erste Kinderbericht der OECD zeigt auf, daß diese Gelder bei der Bekämpfung der Kinderarmut wirkungslos bleiben.

Laut Statistik gibt Deutschland im Vergleich mit den übrigen Industriestaaten rund 20 Prozent mehr "für die Familie" aus. Rund 40 Prozent der Finanzmittel sind Leistungen wie das Kindergeld, die direkt an die Eltern ausgezahlt werden. In Dänemark und Schweden - so die OECD-Studie - liegen diese direkten Zahlungen nur bei 20 Prozent. In beiden Ländern ist die Kinderarmut ebenso wie in Österreich, Großbritannien und Frankreich deutlich geringer. Das liegt jedoch vor allem daran, daß andere staatliche Angebote, allen voran Kinderkrippen und Ganztagsschulen, in vielen Ländern wesentlich besser sind.

Gezielt für Kinder jedoch investieren Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark mehr in den Nachwuchs. Norwegen und Dänemark liegen mit 204.200 Dollar und 187.400 Dollar an der Spitze der Kinderförderung. Deutschland gibt bis zum 18. Lebensjahr 144.500 Dollar für den Nachwuchs aus.

Nach dem Maßstab der OECD müssen 40 Prozent der Haushalte mit Alleinerziehenden in Deutschland als arm bezeichnet werden, sie verfügen über weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens. Im OECD-Mittel sind es 30 Prozent der Alleinerziehenden-Familien, die unter dieser Grenze liegen. Doch gerade für Alleinerziehende hat sich in den vergangenen 20 Jahren die Einkommenssituation in der BRD deutlich verschlechtert. In Deutschland leben 16,3 Prozent der Kinder in armen Haushalten. Das ist überdurchschnittlich hoch im OECD-Vergleich. Die Organisation hat ermittelt, dass nur Kinder in Irland, Portugal, Spanien, den USA, Polen, der Türkei und Mexiko noch ärmer aufwachsen, als in Deutschland. Wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse und Chancengleichheit geht, schneidet Deutschland besonders schlecht ab. Das ist ein seit Jahren in zahlreichen OECD-Studien anzutreffender Befund. Das Armutsrisiko in Deutschland ist immer noch sehr hoch, insbesondere in alleinerziehenden Haushalten. Auch für Bildung gibt Deutschland viel Geld aus, erreicht aber oft nur Unterdurchschnittliches.

Beim Leistungsunterschied zwischen SchülerInnen dessselben Jahrgangs ist die Spanne laut OECD besonders krass. Beim Lesen, bei Mathematik und Naturwissenschaften ist der Abstand zwischen den besten 10 und den schlechtesten 10 Prozent der SchülerInnen nur in Mexiko, Italien, Tschechien, Belgien, Frankreich, USA und Griechenland größer als in Deutschland. Dabei wird der Weg, den Deutschland in den vergangenen Jahren mit Elterngeld und Kita-Ausbau eingeschlagen hat, von der OECD ausdrücklich begrüßt.

Dieser Ansatz müßte konsequent ausgebaut werden. Gezielte Hilfen für bedürftige Kinder und deren Familien und einen weiteren Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztagsschulen fordert Monika Queisser, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der OECD: "Mehr Investitionen in frühkindliche Bildung könnten zu einer Reduzierung von Ungleichheit beitragen." Queisser verweist nebenbei auf gute Erfahrungen in Ländern, wo staatliche Hilfen an konkretes Verhalten zur Förderung der Kinder geknüpft wird. So etwa in Ungarn, wo Mütter einen Bonus bekommen, wenn sie viermal einen Arztbesuch nachweisen.

Aber nicht alles liegt nach dem OECD-Bericht bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland im Argen. Die Gesundheit der Kinder ist überdurchschnittlich gut. Die Kindersterblichkeit liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Babys in Deutschland werden häufiger als anderswo in den ersten Lebensmonaten gestillt. Und nur einer von 200 jungen Menschen beklagt, daß ihm die notwendige Ausstattung in der Schule fehlt.

Auch bei dem sogenannten Risikoverhalten von Jugendlichen schneidet Deutschland im OECD-Vergleich relativ gut ab. Deutsche Jugendliche sind weniger häufig betrunken, Teenager-Schwangerschaften seltener als in anderen Ländern. Beim Rauchen dagegen liegt die deutsche Jugend leicht vorne. 19 Prozent der 15-Jährigen geben an, daß sie mindestens einmal pro Woche rauchen. Im OECD-Schnitt sind es 17 Prozent. Besonders die Mädchen scheinen in Deutschland unter einem erhöhten Anpassungsdruck zu stehen.

Wie wenig Kinder tatsächlich dem deutschen Staat wert sind, zeigt sich an der Reaktion auf die Kinderkrebs-Studie, die im Dezember 2007 veröffentlicht wurde. Danach erkranken Kleinkinder in der direkten Umgebung von Atomkraftwerken signifikant häufiger an Blutkrebs. Statt Konsequenzen hieraus zu ziehen, versucht die deutsche Regierung, den Atomausstieg möglichst lange zu verzögern. Und Deutschlands "Familien"-Ministerin Usula von der Leyen sieht ihre vornehmste Aufgabe darin, eine politische Zensur des Internet durchzusetzen. Skrupellos argumentiert sie dabei auf dem Rücken der für Kinderpornographie mißbrauchten Kinder, indem sie vorgibt, mit Stop-Schildern im Internet an diesem grauenhaften Unrecht etwas ändern zu können.

 

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Anmerkungen

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      Verwirrspiel mit statistischen Zahlen (22.06.08)

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      Soziale Auslese an der Uni-Pforte
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