Am Wochenende wurde der kurz- zeitige Bundesvorsitzende der "S"PD, Kurt Beck, beim Treffen des "S"PD-Führungspersonals in einem Luxushotel am brandenburgischen Schwielowsee rücksichtslos demontiert. Er wurde durch den recycelten Kurzzeit-Vorsitzenden Franz Müntefering ersetzt und der laut Umfragen beliebte Außenminister unter Kanzlerin Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, soll nun die Rolle des Kanzlerkandidaten für die kommende Bundestagswahl übernehmen.
Trotz der mitleiderregenden Umstände ist dies kein Grund, Kurt Beck auch nur eine Träne nachzuweinen. Sichtlich geschockt gab Kurt Beck öffentlich preis, daß er bereits seit längerem mit Frank-Walter Steinmeier insgeheim verabredet habe, diesem die Kanzler-Kandidatur bei der kommenden Bundestagswahl zu überlassen. Er wollte damit beweisen, daß es für den Putsch eigentlich keinen Grund gegeben habe. Unbeabsichtigt zeigte er damit zugleich, was er von innerparteilicher Demokratie hält. Beck war lediglich ein Statthalter, der - erinnert sei an den Hamburger Parteitag im Oktober 2007 - immer wieder mal links blinken durfte. Mit dieser Taktik sollte der massenhaften Exodus der Mitglieder aufgehalten werden.
Inzwischen hat der Mitgliederstand die Grenze von 500.000 unterschritten. Die Bundesvorsitzenden folgen nach Schröder mit Müntefering, Platzeck, Beck und nun nochmals Müntefering in immer schnellerer Folge.
Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage, wonach die Linkspartei bei der kommenden Landtagswahl im Saarland mehr Stimmen bekommen würde als die "S"PD. Dies löste in der "S"PD-Spitze Panik aus. Nicht etwa, weil es in der "S"PD-Spitze Personen gäbe, die eine Zusammenarbeit oder Koalition mit der Linkspartei tatsächlich ausschließen. Gegenteilige öffentliche Äußerungen dienen nur der Täuschung des Publikums. Die Realität spricht eine andere Sprache. Die "rot-rote" Koalition in Mecklenburg-Vorpommern unter dem "S"PD-Ministerpräsidenten Harald Ringstorff wurde vom "rechten Flügel" der "S"PD zu keinem Zeitpunkt angegriffen, ebenso wenig wie der "rot-rote" Senat in Berlin unter Klaus Wowereit. Und ebenso wie die rapide sinkende Mitgliederzahl zeigte das Umfrage-Ergebnis aus dem Saarland, daß auch die Taktik, nach links kompromißbereite Signale zu senden, den Niedergang der "S"PD nicht stoppen konnte.
Mit dem Personalwechsel zu Müntefering und Steinmeier, dem langjährigen Adlatus Gerhard Schröders, soll nun offenbar wieder auf Agenda 2010 geflaggt werden. Dem liegt zumindest die richtige Erkenntnis zu Grunde: Auf der Linken kann die "S"PD eh keine Stimmen zurückgewinnen.
Der tatsächliche Grund für den Stimmen- und Mitgliederschwund der "S"PD liegt ganz offensichtlich darin, daß die katastrophalen Auswirkungen der Hartz-Gesetze immer deutlicher sichtbar wurden. Zugleich wurde aus einer Einheitsfront der Mainstream-Medien gegen jedes noch so zaghafte Anzeichen eines realen Kurswechsels der "S"PD aus allen Rohren geschossen. Nichts anderes ist der Hintergrund für das von Kurt Beck über Monate hin als "Mobbing" wahrgenommene Verhalten der Journaille.
Ebenso wenig Sinn für Demokratie wie Kurt Beck hat nicht erst seit den Zeiten des Basta-Bundeskanzlers Gerhard Schröder die gesamte Führungsspitze der "S"PD. Die Besetzung wichtiger Führungsämter findet längst ohne jegliche Diskussion in den dafür laut Partei-Satzung vorgesehenen Parteigremien statt. Die Mitglieder haben nicht den geringsten Einfluß.
Eine kleine Clique hinter Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier lancierte in der vergangenen Woche Meldungen in den Mainstream-Medien, wonach die Entscheidung über den "S"PD-Kanzlerkandidaten nicht wie geplant am Jahresende verkündet werden solle. Dies war bereits ein offenkundiger Affront gegen Beck, denn damit wurde ein Zeitplan über den Haufen geworfen, der per "S"PD-Vorstandsbeschluß unter Leitung von Parteichef Beck zustande gekommen war.
"Steinmeiers Lager erhöht Druck auf Beck", titelte Spiegel-Online und schrieb: "Die Bild-Zeitung berichtet, schon am Sonntag, wenn die SPD-Führung sich zur Klausurtagung am Schwielowsee bei Berlin trifft, könnte es »eine faustdicke Überraschung« geben. Quelle: »ein Spitzengenosse«." Gleichzeitig wurde die Meldung verbreitet, Müntefering, der den Parteivorsitz im November 2005 wutentbrannt hingeschmissen hatte, kehre nun zurück in ein "bedeutendes Führungsamt".
"Wie viel innerparteiliche Undemokratie lässt sich die Partei gefallen?", fragte am Montag scheinheilig die 'Süddeutsche Zeitung'. In den Medien wurden reihenweise FunktionärInnen aus der mittleren Ebene zu den Vorgängen am Wochenende befragt. Eine typische Äußerung war: "Das ist wie ein Neubeginn." Nicht einmal die von oben vorgegebene Sprachregelung kann noch in glaubwürdiger Weise reproduziert werden.
Auffallend war dagegen wie oft in den vergangenen Wochen von einem angeblichen "linken Flügel" in der "S"PD in den Mainstream-Medien die Rede war.
60 "S"PD-ParteifunktionärInnen - darunter mehrere Bundestags- abgeordnete und Gewerkschaftsmitglieder - forderten kürzlich mit ungewöhnlichem Medienecho in einem Thesenpapier einen "Kurswechsel" in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Keiner von ihnen hatte gegen die "Agenda-2010"-Politik Schröders aufbegehrt. Keiner hatte im Bundestag gegen den EU-Reformvertrag gestimmt oder Kritik am Afghanistan-Krieg geübt. Allesamt hatten sie Schröders Basta-Politik in den sieben Jahren von 1998 bis 2005 klaglos geschluckt.
Die "heftigen Konflikte" in der "S"PD werden in Kommentaren der Mainstream-Medien oft als "grundlegender Richtungsstreit" dargestellt. Tatsächlich jedoch handelt es sich dabei um reine Inszenierungen. Linke sind in der "S"PD schon seit mehr als zehn Jahren aus den oberen Entscheidungsebenen verbannt.
Auch Klaus Wowereit, Chef des Berliner "rot-roten" Senats, versucht sich als Linker in der "S"PD zu verkaufen. Selbstverständlich wird die reale Politik in Berlin in den Mainstream-Medien totgeschwiegen. Der in Berlin von Wowereit betriebene Sozialabbau nimmt im Bundesvergleich eine Spitzenstellung ein. Seit sieben Jahren arbeiten "S"PD und Linkspartei im Berliner Senat eng zusammen. Sie haben gemeinsam tiefgreifendere Sozialkürzungen durchgesetzt als alle anderen Landesregierungen. Nichts anderes wäre von Kurt Beck zu erwarten gewesen, hätte er sich als "S"PD-Kanzlerkandidat durchsetzen und Merkel bei der kommenden Bundestagswahl besiegen können.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
SPD mit Tempo 130 in die Linkskurve? (30.10.07)
Andrea Nahles
Gibt es also doch noch Linke in der SPD-Bundestagsfraktion?
(1.11.05)
Lafontaines Sprung aus dem Tanker
Vereinigung von WASG und PDS unter seiner Führung? (24.05.05)
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