Gutachter auf Fangschiffen für Thunfisch häufig bestochen
Auf mexikanischen Fangschiffen werden Gutachter bestochen, um
Thunfischfänge als "delphinsicher gefangen" zu deklarieren. Wie die
'Gesellschaft zur Rettung der Delphine' (GRD) berichtet, schreiben
offizielle Gutachter an Bord von Thunfisch-Fangschiffen für 10.000
US-Dollar pro Einsatzfahrt positive Bescheinigungen. Die US-Regierung habe von
den Bestechungsvorgängen schon seit Jahren gewußt, kritisiert die
Organisation. In einer internen Notiz habe ein Biologe der zuständigen
US-Fischereibehörde bereits 1999 von den Bestechungsvorgängen berichtet.
Nach Aussagen eines auf mexikanischen Thunfisch-Fangschiffen
beschäftigten Fischers "hatten diese zwar immer Gutachter an Bord,
aber jeder in der Flotte wußte, daß die Gutachter regelmäßig
geschmiert wurden, um Falschaussagen über den Ablauf der Fangfahrt
zu machen." Er sei persönlich an Bord gewesen, als einem mexikanischen
Gutachter 10.000 US-Dollar übergeben wurden, um den gesamten
Thunfischfang als "delphinsicher" zu bestätigen.
"Es ist sehr bedauerlich, daß die US-Regierung dem Gericht wichtige
Beweise vorenthält, die belegen, daß die Anzahl der Verfolgungen und
Todesraten von Delphinen auf betrügerische Art und Weise unterschätzt
wird. Die US-Regierung ignoriert routinemäßig wissenschaftliche
Erkenntnisse zugunsten von offensichtlich politischen Entscheidungen,
die die Umwelt schädigen", erklärt David Phillips vom Earth Island
Institute (EII).
Der zuständige Richter Henderson halte die Information über die
Schmiergelder für durchaus relevant und verlange deren Einbeziehung
in den laufenden Prozeß. Das Urteil, ob die gelockerten
Bestimmungen für "delphinsicheren" Thunfisch nun in Kraft treten dürfen
oder nicht, wird gegen Ende Mai erwartet.
Im tropischen Ostpazifik werden Delphine mit Ringwadennetzen
eingekreist, um die etwa 150 Meter unter ihnen schwimmenden
Gelbflossen-Thunfische zu fangen. Diese Methode wird überwiegend von
süd- und mittelamerikanischen Fangflotten eingesetzt. Dabei sterben
jährlich rund 3.000 Tiere, die überwiegend in den Netzen jämmerlich ersticken.
Nach dem Willen der US-Regierung solle derart gefangener Thunfisch künftig als
"delphinsicher" gelten.
"Die Zahlen sind erschütternd", meint Projektleiterin Ulrike Kirsch von
der Gesellschaft zur Rettung der Delphine, "über 7.600 Mal im Jahr
werden Netze um Delphine gesetzt. Das heißt 9,3 Millionen Delphine
werden jedes Jahr gnadenlos gejagt. Die Delphinbestände im tropischen
Ostpazifik sind aber weitaus niedriger, folglich werden unzählige Tiere
mehrfach gejagt." Das ständige Einfangen schädigt Gesundheit und
Fortpflanzungsfähigkeit der Meeressäuger. Zahllose Babys, die noch
von der Muttermilch abhängig sind, werden dabei von ihren Müttern
getrennt und sterben.
Obwohl die Zahlen und Schlußfolgerungen der Studien dagegen
sprechen, hat die US-Regierung Ende 2002 diese Fangmethode als
für die Delphine harmlos eingestuft. Eine entsprechende Änderung der
Anforderungen für das Logo "delphinsicher" ist bisher aber am
Widerstand US-amerikanischer Naturschutzorganisationen gescheitert,
allen voran das Earth Island Institute (EII), die 2003 vor Gericht eine
einstweilige Verfügung gegen das Inkrafttreten der neuen
Bestimmungen erwirken konnten.
Zu warnen ist darüber hinaus davor, die Ausrottung der Delphine und
anderer Meeressäuger isoliert zu betrachten. In früheren Jahren haben
sich viele Naturschutzorganisationen auf den Schutz der Delphine
kapriziert, da diese Dank menschlicher Sentimentalität am ehesten als
Identifikationsobjekte genutzt und so hohe Spendenaufkommen erreicht
werden konnten. Wie im Falle der Tropenholz-Siegel1 hat
sich auch im Falle der Delphin-Logos auf Thunfisch-Dosen gezeigt, daß
damit dem Betrug Vorschub geleistet wird und sich eine nachhaltige
Wirtschaftsweise im Kapitalismus in der Regel als Illusion erweist.
Während der Kampf um die Rettung der Meeressäuger in eine Sackgasse
führte, schritt die Entleerung der Ozeane2 in immer größeren
Schritten fort, so daß heute fast alle größeren Fischarten
und Hai- oder Rochenarten vom Aussterben bedroht sind. Auch Greenpeace
hat sich bereits vor zwei Jahren gegen eine Kennzeichnung von
Thunfisch-Produkten als "delphin-freundlich gefangen" ausgesprochen,
denn - so Greenpeace - "diese macht bei den Verbrauchern nur den
Eindruck, daß der Thunfisch aus einer Art >>ökologisch-erträglicher<<
Fischerei stammt. Dies ist aber nicht der Fall".
Petra Willaredt
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
Tropenholz und Öko-Lüge (4.05.04)
2 Siehe auch unsere Artikel
Ozeane bald leergefischt (26.05.03)
und
Raubbau an den Fischbeständen ungebremst (20.10.03)
und
Arielle wird krank und kränker (14.04.04)