11.09.2008

9/11, die Wahrheit
und der rote Hering

Es ist sehr unbefriedigend, in einer Situation, in der ein begründeter Verdacht im Raum steht, eingestehen zu müssen, daß die Wahrheit - vorläufig - nicht herauszufinden ist. Intellektuelle Redlichkeit erfordert jedoch nicht selten die Erkenntnis: Diese Frage ist zur Zeit nicht zu beantworten. In der Frage nach der Urheberschaft der Anschläge vom 11. September 2001 ist genau dies bis heute der Fall. Kein einziger hieb- und stichfester Beweis gegen die von der US-amerikanischen Regierung vorgebrachte Erklärung konnte bisher auf den Tisch gelegt werden. Viele Menschen neigen jedoch in einer solchen Situation dazu, entweder auf Grund von Indizien oder aus Vertrauen zur Autorität sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden. Da die Beweislage real unzureichend ist, resultiert aus einer solchen voreiligen Entscheidung nicht selten Fanatismus.

Die Spekulationen im Hinblick auf 9/11 wurden von den Medien - insbesondere von Internet-Blogs - in den vergangenen Jahren kräftig geschürt. In den USA scheint es zudem zu einer Art Volkssport geworden zu sein, sich mit den seltsamsten unbewiesenen Thesen zu beschäftigen. Zum einen resultiert dies sicherlich aus einer unbewußten Abwehrreaktion heraus, sich der politischen Folgen von 9/11 bewußt zu werden. Zum anderen ist es selbstverständlich im Interesse der US-amerikanischen Wirtschaft - und daher Aufgabe der US-Regierung -, das Trauma der vermutlich perfidesten Terror-Attacke der Weltgeschichte virulent zu halten. Es ist deshalb anzunehmen, daß von Seiten der US-Geheimdienste immer neue falsche Spuren gelegt werden. Auch dies - vorausgesetzt, es könnte bewiesen werden - , heißt noch keineswegs, daß die US-Regierung oder ein staatlicher Geheimdienst Urheber der Terror-Attacke war. Solche bewußt gelegten falschen Spuren heißen im Geheimdienst-Jargon roter Hering.

Aller Wirbel um immer wieder neue "Beweise" zu 9/11, die immer weiter sich verästelnde Diskussion über "Verschwörungstheorien", lenkt nur von der zentralen Fragestellung ab. Immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird bei all der ausufernden Spekulation um 9/11, daß die offizielle Begründung für den Krieg in Afghanistan und im Irak sich als Lüge erwiesen hat. Vielfach wird hier nach wie vor fälschlich ein legitimatorischer Zusammenhang zwischen dem Terror-Anschlag vom 11. September 2001 und dem Beginn des Afghanistan-Krieges gesehen. Obwohl laut Meinungsumfragen in den USA nur noch 16 Prozent der Befragten der Ansicht sind, daß die Regierung Bush die volle Wahrheit im Hinblick auf 9/11 verbreitet hat, während 53 Prozent meinen, sie verberge etwas und immerhin 28 Prozent davon überzeugt sind, sie lüge, sehen nach wie vor über 50 Prozent die Urheber für den Terror-Akt in Afghanistan.

Ebenso wenig wie es bisher gelang, Beweise für eine Verwicklung der US-Regierung in 9/11 beizubringen, gelang es dieser, Beweise für eine Urheberschaft Osama bin Ladens, die Existenz einer Terror- Organisation "Al Qaida" oder auch nur für die Anwesenheit bin Ladens in Afghanistan im September 2001 vorzulegen.

Dabei sollte zudem niemals vergessen werden: Krieg kann nicht als Rache-Aktion ("Krieg gegen den Terror") legitimiert werden. Krieg ist in keinem Fall legitim. Selbst aus einer konventionellen Sichtweise, die Krieg als Mittel der Politik ("ultima ratio") zu legitimieren versucht, können diese beiden Kriege nicht gerechtfertigt werden.

Die offensichtlichen Lügen, die zur Legitimation der beiden Kriege dienten, werden nicht annähernd intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert wie die Frage der Urheberschaft von 9/11. Dabei haben sich die angeblichen Beweise, die der damalige US-amerikanische Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 bei einem Power-Point-Vortrag der UN-Vollversammlung vorführte, samt und sonders in Luft aufgelöst.

Der heute als stellvertretender Chef-Redakteur der 'Badischen Zeitung' geführte Journalist Thomas Fricker erklärte es beispielsweise am 6. Februar 2003 auf der Titelseite dieses Blattes für absurd, das von Powell dargebotene Material anzuzweifeln. SkeptikerInnen wurden von ihm pauschal in die Ecke der "Verschwörungstheoretiker" gestellt. Seitdem hat es in den deutschen Mainstream-Medien keine ehrliche Aufarbeitung dieser journalistischen Fehltritte gegeben. In den USA reichte es immerhin bei einigen großen Blättern zu einer kritischen Selbstreflektion über die eigene Rolle im Vorfeld des Irak-Krieges. Die 'Washington Post' hat sich sogar explizit bei ihrer Leseschaft dafür entschuldigt, daß sie sich für die US-amerikanischen Propaganda zur Kriegsvorbereitung hatte mißbrauchen lassen.

Fast völlig vergessen ist inzwischen, daß gerade die US-amerikanische offizielle Untersuchungskommission zu den Anschlägen vom 11. Sptember 2001 in ihrem im Juni 2004 vorgelegten Bericht unter anderem zum Ergebnis kam, daß die - von US-amerikanische Außenminister Colin Powell vorgetragenen - Kriegsgründe nicht haltbar seien.

  1. Es wurden keine Massenvernichtungswaffen gefunden. ("Ich habe nie behauptet, daß Saddam Hussein ungefährlich ist. Aber insgesamt haben die UN-Waffeninspektoren, allen Hindernissen zum Trotz, den Irak entwaffnet," sagte Scott Ritter, ehemaliger UN-Waffeninspektor, bereits im September 2002)

  2. "Wir haben keine glaubwürdigen Hinweise darauf, daß al-Qaida und der Irak bei Anschlägen auf die USA kooperiert haben," ist im Kommissionsbericht von 2004 zu lesen. ("Saddam Hussein ist ein weltlicher Diktator, der den islamischen Fundamentalismus seit dreißig Jahren bekämpft. Osama Bin Laden hält Saddam für einen Apostaten. Es ist absurd zu glauben, daß diese beiden Männer sich gegen die Vereinigten Staaten verbünden könnten." - Scott Ritter im September 2002)

  3. Die Iraker würden den Krieg begrüßen und die USA als Befreier feiern, hatte die US-Regierung vor dem 20. März 2003 getönt. Nach repräsentativen Umfragen im Irak, die auch in den US-Medien veröffentlicht wurden, sahen Mitte 2004 lediglich zwei Prozent der Iraker die USA als Befreier.

Merkwürdig an den Diskussionen über 9/11 ist zudem, daß zwei wichtige Indizien, die für eine Urheberschaft der US-Regierung oder zumindest eines US-Geheimdienstes sprechen, auffällig selten behandelt werden. Zum einen diente 9/11 dazu, einen zuvor in den USA unvorstellbaren Ausbau der Geheimdienste, eine gigantische Ausweitung der Überwachung der Bevölkerung und einen Abbau der Bürgerrechte durchzusetzen. Zum anderen wird selten thematisiert, daß es in der Geschichte der USA bereits Fälle gab, in denen ein Anschlag inszeniert wurde, um einen unpopulären Kriegsbeginn zu legitimieren.

Die 'Maine'

1898 diente die Zerstörung des (unwichtigen und veralteten) US-amerikanischen Schlachtschiffs 'Maine' in der Bucht von Havanna als Vorwand für die Kriegserklärung an Spanien. 260 amerikanische Seeleute kamen ums Leben und die darauf folgende Pressekampagne - die US-amerikanische Öffentlichkeit war keineswegs sofort kriegsbegeistert - war damals tatsächlich beispiellos. Erst dreizehn Jahre später kam eine Untersuchungskommission zum Ergebnis, daß zumindest die Spanier eindeutig nichts mit der Explosion im Schiff zu tun haben konnten.

Pearl Harbor

1940 wurde Franklin Delano Roosevelt, der als "Friedens"-Kandidat im Wahlkampf aufgetreten war, US-Präsident. Die USA war durch lange Jahre der Wirtschaftskrise gegangen und das Interesse der US-amerikanischen Bevölkerung und das der führenden Unternehmen an einer Beteiligung am Zweiten Weltkrieg standen sich diametral entgegen. 1941 wurde der veraltete Teil der US-amerikanischen Marine im pazifischen Pearl Harbor zusammengezogen und in Reichweite der japanischen Luftwaffe geradezu als idealer Köder ausgelegt, während Japan zugleich durch ein Ölembargo schwer getroffen und provoziert wurde. Heute ist zumindest nachgewiesen, daß der britische Premier Churchill vom Geheimdienst über den bevorstehenden japanischen Angriff auf Pearl Harbor informiert war. Ungeklärt ist allerdings immer noch, ob er dieses Wissen an Roosevelt weitergab. Über 2000 US-amerikanische Soldaten wurden beim für sie völlig überraschenden Angriff abgemetzelt. Der "Überfall auf Pearl Harbor" diente als willkommener Anlaß für den Kriegseintritt der USA und die "konjunkturelle" Erholung der US-amerikanischen Wirtschaft.

Tonking

1964 meldeten zwei US-Zerstörer, sie seien im Golf von Tonking von nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen worden. Presse und TV rückten den Vorfall mit Schlagworten wie "Demütigung" und "Vergeltung" in den Mittelpunkt des US-amerikanischen Interesses. US-Präsident Johnson nutzte die Gelegenheit zum Beginn des Vietnamkrieges, der bis 1975 dauerte. (Allerdings hatte bereits Kennedy mit der Stationierung von US-Militär in Südvietnam begonnen.) Später wurde durch Aussagen von US-amerikanischen Besatzungmitgliedern des angeblich angegriffenen Zerstörers bekannt, daß der "Überfall von Tonking" reine Erfindung gewesen war.

Brutkästen-Babys in der Frauenklinik in Kuweit

1990, vor Beginn des zweiten Golfkriegs (als erster Golfkrieg wird der Krieg zwischen Irak und Iran bezeichnet) wurden gleich eine ganze Reihen von Lügen verbreitet. Die wohl historisch dreisteste Inszenierung dürfte sicherlich die Geschichte vom Mord an den Brutkasten-Babys in der Frauenklinik in Kuweit darstellen. Nachdem Saddam Hussein zunächst von Seiten der US-Regierung signalisiert worden war, daß sie eine Annexion Kuweits dulden würde, ließ sie am 10. Oktober 1990 eine Frau und einen Mann anonym vor dem Menschenrechtsausschuß des US-Kongresses mit der Behauptung auftreten, sie seien Augenzeugen gewesen als irakische Truppen in Kuweit 312 Säuglinge aus den Brutkästen gerissen und grausam getötet hätten. Am 27. Oktober 1990 wurde die gleiche Show noch einmal vor dem UN-Sicherheitsrat gegeben.

Diese Inszenierung, die mit Hilfe der Medien zentral dazu benutzt wurde, Saddam Hussein der Weltöffentlichkeit als "Hitler von heute" zu präsentieren, war von der Public Relation Agency Hill & Knowlton fabriziert worden, nachdem diese ermittelt hatte, daß die US-AmerikanerInnen Babymord als das bei weitem schlimmste Verbrechen ansehen. Deshalb erfand Hill & Knowlton - im Auftrage der US-Regierung - die Lüge vom Babymord in Kuweit und schreckte nicht einmal davor zurück, die angeblichen AugenzeugInnen für diesen Babymord vor dem USA-Kongreß und dem UN-Sicherheitsrat auftreten zu lassen. Später stellte sich heraus, daß die Rolle der Krankenschwester von der Tochter des kuweitischen Botschafters in der USA und in der Rolle eines Chirurgen von einem New Yorker Zahnarzt gespielt worden waren.

Zwei Tage nach der Inszenierung beschloß der UN-Sicherheitsrat seine als Kriegsmandat interpretierbare Resolution 678. Als der Schwindel aufgedeckt wurde, war der zweite Golfkrieg längst im Gange.

Diese Beispiele sind lediglich Indizien, sie haben keinen Beweiswert für 9/11.
Deshalb bleibt es dabei: Die exzessive Beschäftigung mit der "Aufklärung" von 9/11 hat hauptsächlich eine Ablenkungsfunktion. Immer wieder muß deshalb ins Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt werden: Die Kriege in Afghanistan und im Irak haben keinerlei Legitimation. Sie dienen ausschließlich der Versorgung der US-Wirtschaft mit Öl, und Gas und der geostrategischen Absicherung dieser für den Fortbestand des Kapitalismus entscheidenden Energiequellen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Drei Kriegsgründe - drei Lügen
      US-Kommissionsbericht bestätigt indirekt einen Kriegsgrund
      (18.06.04)

      Hatte der CIA beim Aschura-Anschlag
      seine Finger im Spiel? (6.03.04)

      Afghanistan - Eine Bilanz der "Befreiung" (23.05.03)

      Skeptiker oder Verschwörungstheoretiker? (6.02.03)

      Krieg ist Frieden (28.11.01)

 

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