10.04.2007

In der DR Kongo
wird munter abgeholzt

Deutschland mitschuld an Regenwald-Vernichtung

Deutsche Holz-Konzerne und der nach wie vor nicht verbotene Verkauf von Tropenhölzern in Deutschland sorgen auch in der DR Kongo (DR = "Demokratische Republik") für ein ökologisches Desaster und das weitere Anheizen der Klimakatastrophe. Greenpeace veröffentlicht morgen in Brüssel den Report 'Carving up the Congo'. Hier vorab ein Überblick.

Vernichtung von Tropenwäldern

Um die politische Dimension zu beleuchten, sei hier daran erinnert, daß die Installierung des gegenwärtigen Regimes in der DR Kongo unter Joseph Kabila durch angeblich freie Wahlen 2006 mit Hilfe eines deutschen Militär-Einsatzes realisiert wurde.1

Mehr als die Hälfte der in Afrika übrig gebliebenen tropischen Urwäldern befinden sich auf dem Territorium der DR Kongo - eine Wald-Fläche von über einer Million Quadratkilometer, davon 600.000 Quadratkilometern bis heute völlig unberührt. Nach Brasilien und Indonesien ist es das Land mit den größten Waldbeständen weltweit. Die Urwälder der DR Kongo blieben bisher wegen der über Jahre andauernden militärischen Auseinandersetzungen von großflächigem, kommerziellem Holzeinschlag weitgehend verschont - viele internationale Holz-Konzerne ließen ihre Konzessionen über Jahre hin ruhen.

Doch seit letztem Jahr hat sich die Herrschaft Kabilas gefestigt und mit Bemba ist sein größter Konkurrent Anfang dieses Jahres außer Landes geflohen. Die internationalen Holz-Konzerne wittern Morgenluft. Im Kongobecken, wo das Holz leicht auf dem Wasser abtransportiert werden kann, ist der industriemäßige Holzeinschlag eine gigantische Gefahr. Neben den Folgen für das Weltklima hat der Kahlschlag Auswirkungen auf die Restbestände von Bonobos, Schimpansen, Gorillas, Waldelefanten und andere bedrohte Arten. Auch die Menschen vor Ort werden der Verelendung überantwortet, denn nur wenige profitieren von der Plünderung der Rohstoffe.

Greenpeace dokumentierte die Geschäftsmethoden westlicher Holz-Konzerne im Kongo anhand von Recherchen vor Ort. Über mehrere Jahre haben Greenpeace-Rechercheure Menschen im Kongo befragt, BehördenmitarbeiterInnen wie FirmenvertreterInnen interviewt und Kopien der Originalverträge mit den lokalen LandbesitzerInnen gesammelt. 5.800 Euro - so viel ist ein einziger Baum aus Lamoko im kongolesischen Regenwald wert. Doch Greenpeace legt "Verträge" von Holz-Konzernen vor, in denen der Verkauf von tausenden Hektar Wald für Nahrungsmittel im Gesamtwert von weniger als 100 Euro vereinbart sind.

Der deutsche Holz-Konzern Siforco ist die größte Holzfirma im Kongo. Die Tochterfirma der Reutlinger Danzer-Gruppe steht für 20 Prozent des des kongolesischen Holzeinschlags und ist einer der größten Waldkonzessionäre des Landes. In der derzeit ungenutzten Konzession K7 von Siforco wurden nach Recherchen von Greenpeace 170.000 Hektar Regenwald ausgebeutet und 900.000 Kubikmeter Holz geschlagen. Greenpeace kartierte das Netzes von Zufahrtsschneisen, die in den Urwald gebahnt wurden, um ausgesuchte Bäume zu fällen und abzutransportieren, mit Hilfe von Satellitenaufnahmen. So errechnete Greenpeace, wie viel Wald insgesamt verloren ging und wie viel Kohlendioxid freigesetzt wurde. Die Ergebnisse beweisen die globale Auswirkung selbst relativ wählerischen Holzeinschlages.

Der Greenpeace-Report zeigt auf, daß das nach dem Amazonas größte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Erde akut von Zerstörung bedroht ist. Die Vernichtung der Urwälder geht dabei mit der Ausplünderung der einheimischen Bevölkerung einher. Zur ökologischen Katastrophe, die in einem von jahrelangen Kriegen um die reichen Rohstoffvorkommen zerrütteten Land wenig Beachtung findet, kommt die soziale und politische hinzu. Die Weltbank spielt dabei - wie schon so oft - eine destruktive Rolle.

Auf den ersten Blick ist das neue - von der Weltbank vorformulierte - Forstgesetz der DR Kongo ein Fortschritt: 40 Prozent der Steuern, die die Holzfirmen an den Staat zahlen, sollen an die lokalen Gemeinschaften zurückfließen. Doch tatsächlich erhalten die Gemeinden nur symbolische "Geschenke". Versprochene Schulen erweisen sich als hastig errichtete Wellblechhütten, die noch nicht einmal über Bänke verfügen. Straßen, die die Holzfäller zu ihrem eigenen Nutzen gebaut haben, sind ohne Wartung schnell unbefahrbar, wenn die Firma die Gegend verläßt. So bleibt den Kommunen vor Ort nur wenig oder gar keine dauerhafte Entschädigung für die Plünderung ihres traditionellen Territoriums.

Als größter Finanzier des "Wiederaufbaus" der durch die jahrelange Kriege heimgesuchten Region Zentralafrikas spielt die Weltbank eine entscheidende Rolle. Bis August 2006 hat die Weltbankgruppe Darlehen, Kredite und Spenden im Gesamtwert von mehr als vier Milliarden US-Dollar an die DR Kongo vergeben. Bis Mai 2006 - bis die Veranstaltung der Präsidentschafts-"Wahlen" vorbereitet war - brüstete sich die Weltbank damit, bei Kabila die "Stornierung nicht-konformer Konzessionen" durchgesetzt zu haben. Auf der Internetseite der Weltbank wird dies als "beispiellosen Vorfall in der Welt" gelobt, der entscheidend sei für "die Verlangsamung der Abholzung" und "Platz schaffe für potentielle neue Schutzgebiete im Regenwaldgebiet des Landes".

Laut offiziellen Aussagen gab es bereits seit 2002 ein Moratorium auf die Vergabe neuer Einschlaglizenzen. Doch tatsächlich haben sich seit 2002 die "Konzessionsgebiete" auf über 210.000 Quadratkilometer mehr als verdoppelt. Der Greenpeace-Report zeigt, daß internationale Konzerne wie die deutsche Danzer Gruppe (Siforco), ITB, die NST-Gruppe (CFT, Forabola, Sodefor, Soforma), Olam, Sicobois und Trans-M neue Verträge auch nach dem Moratorium vom Mai 2002 geschlossen haben. Ein Drittel dieser zur Zerstörung freigegebenen Flächen liegen in besonders wertvollen Naturschutzgebieten.

Um den Schein der Legalität zu wahren, hat das Kabila-Regime die Überprüfung des bestehenden Einschlags-Konzessionen angekündigt. Doch die Holz-Konzerne haben bislang noch immer mit Tricks und Bestechung solche Aktionen unbeschadet überstanden. Ein Beamter in der Provinz erklärte gegenüber Greenpeace ganz offen: "Wir hatten Order von der Obrigkeit, keine Inspektionen durchzuführen... Die Holzfirmen genießen Schutz von der obersten Stelle." Hinzu kommt, daß die wenigen staatlichen Inspektoren vielfach noch nicht mal über ein Auto oder ein Fahrrad verfügen, um die abgelegenen Einschlagsgebiete überhaupt erreichen zu können. So erscheint es auch aus Sicht von Greenpeace fraglich, ob die Legalitätsüberprüfung überhaupt einen Effekt haben wird.

Kabila ist praktisch nur Herrscher über die Hauptstadt Kinshasa und die lokale Verwaltung hält nur solange zum aktuellen Regime, wie dieses das Wohlwollen der Industriemächte und der Weltbank genießt und solange Bestechungsgelder fließen. In dieser Situation besteht für die örtliche Bevölkerung keine Chance, solche "Verträge" - wie von Greenpeace dokumentiert - anzufechten. Greenpeace vergleicht diese Geschäftspraktiken mit dem Glasperlenhandel zu Hochzeiten des Imperialismus, der gerade im Kongo tiefe Spuren hinterließ.

Rund 40 Millionen Menschen sind existentiell auf die Regenwälder im Kongobecken angewiesen. Die mit dem Raubbau verschärften sozialen Probleme erinnern an den Kolonialismus des 19. Jahrhunderts: Selbst im Tausch gegen ein neues Fahrrad sind mehrere 10.000 Hektar Wald zu bekommen. Die Konzerne zerstören die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung und tragen - entgegen den Aussagen der Weltbank - definitiv nicht zur Armutsbekämpfung bei.

Ein ebenfalls von Greenpeace dokumentierter Vertrag des Holz-Konzerns Sodefor belegt, daß ein bedeutendes Areal mit wertvollen Urwaldriesen mit einem halben Kasten Bier, fünf Kilo Zucker, sechs Packungen Seife und eine Packung Salz "bezahlt" wurde. Laut Greenpeace fühlt sich der frühere Besitzer, ein alter Mann, von Sodefor, das zu einem Firmenkonsortium mit Sitz in Liechtenstein gehört, überrumpelt. Zwar wurde ihm auch versprochen, daß er zusätzlich zu den Naturalien für jeden Kubikmeter Holz, der auf dem betreffenden Areal geschlagen wird, eine kleine Summe von 12 US-Cent erhalten soll. Doch niemand kontrolliert, wie viel Holz tatsächlich abtransportiert wird, um in Europa zu teurem Spezialparkett verarbeitet zu werden.

Sodefor beispielsweise ist der alles beherrschende Konzern in der Provinz Bandundu. Seinen Hauptsitz hat Sodefor in Nioki. Diese Region ist ein Beispiel für das Wirken der Holzindustrie. Für kongolesische Verhältnisse waren die Straßen in und um Noki in einem guten Zustand, bis Sodefor mit seinen schweren Fahrzeugen anrückte. Die Versorgung mit elektrischem Strom wurde für die meisten Teile der Stadt Nioki abgeschaltet. In den dörflichen Krankenhäusern fehlt es an einfachsten medizinischen Geräten.

Die Orte, in denen Sodefor seine Arbeiten beendet hat, sind größtenteils verlassen, weil mit dem Verlust des Waldes die Lebensgrundlagen fehlen und es keine Arbeit mehr gibt. Die Einwohner ziehen in die Slums entlang des Flusses. Denn dieser bietet die einzigen Möglichkeit, nicht völlig von Verkehrswegen abgeschnitten zu sein. Wild und Fisch werden allmählich knapp, so daß die Menschen sich größtenteils nur noch von Maniok ernähren können.

Sodefor kontrolliert gut 47.000 Quadratkilometer Einschlagsgebiete im Kongo - eine Fläche so groß wie Niedersachsen. Die "Geschenke" an die Kommunen sehen immer gleich aus: etwas Salz, Seife, Zucker und Kaffee. Dazu ein paar Flaschen Bier. Manche Verträge regeln außerdem, daß der Holz-Konzern den Kommunen Sargholz für ihre Toten zur Verfügung stellt. Doch Gemeindeälteste berichten davon, daß das Unternehmen mitunter selbst diese makabre Vereinbarung nicht erfüllt. Die Einheimischen müssen unterschreiben, daß sie auf keinen Fall gegen die Firma protestieren werden. In den Verträgen heißt das dann: "Der Unterzeichner übernimmt es, jegliche Art von Störung (Barrikaden, Aufstände der Bevölkerung) während des Holzeinschlags durch Sodefor zu verhindern. Zusätzlich ist er für das reibungslose Funktionieren der Aktivitäten an der Einschlagsstelle verantwortlich, jedoch ohne sich in die Arbeitsmethoden einzumischen."

Sollte sich trotzdem Protest rühren, wird er mit Einschüchterung und Gewalt unterdrückt. Auf staatlichen Schutz können die Betroffenen in der Regel nicht bauen, denn durch die grassierende Korruption können die Unternehmen dafür sorgen, daß vermeintliche Rädelsführer willkürlich verhaftet werden. Greenpeace-Recherchen belegen, daß es in der Region Bandundu und in zahlreichen anderen Einschlagsgebieten immer wieder zu Konflikten zwischen den Dorfbewohnern und den Holzfirmen kommt. Die Jäger und Sammler der Pygmäen-Stämme, die zum Überleben auf intakte Urwaldgebiete angewiesen sind, werden meist gänzlich von den Verträgen ausgeschlossen. Nahe dem See Tumba im Konzessionsgebiet der Firma ITB wurde ein Twa-Pygmäen-Stamm zunächst bei den Verhandlungen über den Zugang zum Wald übergangen. Dann unterbreitete die Firma der Gemeinde ein "einmaliges Angebot", bei dem der örtliche Häuptling das Gefühl hatte, keine andere Wahl zu besitzen als einem ungünstigen Vertrag überstürzt zuzustimmen.

In etlichen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) herrscht immer noch ein naiver Kinderglaube an die hehren Worte der Weltbank - und so fragen manche in fast schon verzweifeltem Ton, "warum die Weltbank nach all den schlechten Erfahrungen mit industriellem Holzeinschlag in Afrika immer noch einzig und allein auf dieses Modell setzt. Die Weltbank muß endlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die Zerstörung stoppen!" Dabei ist Deutschland der größte europäische Anteilseigner der Weltbank.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkung
Siehe auch unsere Artikel:

1 Deutsche Intervention in Coltanistan
    Im Kongo geht es nicht um Demokratie, sondern um... (10.07.06)

Interventionismus oder Souveränität? (1.06.06)

Papierverbrauch größer - Urwälder kleiner (9.06.05)

WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg (3.09.04)

Edeka steigt aus Handel mit Tropenhölzern aus (8.07.04)

WWF bescheinigt EU-Regierungen Komplizenschaft (10.04.04)

Urwald-Zerstörung im Kongo
    Weltbank fördert gigantischen Kahlschlag (8.03.04)

Was macht den Kongo plötzlich so interessant? (22.06.03)

Der vollständige Kongo-Report von Greenpeace ist nachzulesen unter:
www.greenpeace.de/kongo-report (Dokumentation auf Englisch und Zusammenfassung auf Deutsch)

 

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