Berlin (LiZ). Ein rechtsextremes Netzwerk in Kreisen der deutschen Polizei und des deutschen Militärs plant für einen Tag X den Staatsstreich. Menschen, die auf einer Todesliste verzeichnet sind, sollen hierbei ermordet werden. André S. - alias Hannibal - , ein Elitekämpfer des in Calw stationierten berüchtigten Spezialkommandos KSK, steht offenbar im Zentrum dieses bundesweit organisierten geheimen Netzwerks.
Das jetzt aufgeflogene Neo-Nazi-Netzwerk ist in die vier Teilbereiche Nord, Ost, West und Süd eingeteilt - entsprechend der geografischen Aufteilung der Wehrbereichsverwaltung. Bezeichnender Weise wurde der Deutsche Bundestag vom sogenannten Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen nicht über die Existenz dieses Neo-Nazi-Netzwerks informiert. Auch in Österreich und der Schweiz haben sich in den vergangenen Jahren offenbar gleichgesinnte rechtsextreme und geheim agierende Netzwerke organisiert, die den Staatsstreich vorbereiten.
Zu Tage kamen Teile des rechtsextremen Untergrund-Netzwerks durch das Geständnis des 48-jährigen Horst S., einem früheren Luftwaffenoffizier und Major der Reserve. Laut dessen Aussage gegenüber deutschen Ermittlungsbehörden besteht die Aufgabe des bundesweit organisierten geheimen Netzwerks darin, an einem Tag X den rechtsgerichteten Staatstreich durchzuführen. Wer diesen Tag X ausrufen wird, bleibt im Dunkeln - offenbar ist damit das Szenario einer Staatskrise verknüpft: Überfälle von Flüchtlingen auf Kinder und Frauen, Vergewaltigungen, Terroranschläge, verslumte deutsche Städte, Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung, hilflose Polizei...
Mitglieder dieses Netzwerks wurden anscheinend aus Kreisen in Militär und Polizei angeworben, die der Szene der Prepper angehören. Prepper bereiten sich manisch auf eine wie in den Mad-Max-Filmen ausgemalte apokalyptische Welt der Zukunft vor und horten zu diesem Zweck Lebensmittel- und Wasser-Vorräte im Keller. André S. - alias Hannibal - war Administrator eines bundesweiten Netzwerks von abgeschirmten Chat-Gruppen, in denen sich Prepper austauschten. Der 1985 in Halle an der Saale geborene André S. ist zugleich Gründer und Vorsitzender eines Vereins, in dem sich ehemalige und aktive Elitekämpfer organisieren. Die Postadresse dieses Vereins namens Uniter ist das nordrhein-westfälische Dormagen. Oft scheiden KSK-Soldaten im Alter von 35 Jahren aus dem Verband aus. Viele von ihnen gründen Sicherheitsfirmen oder Kampfsportschulen.
Uniter umfaßt mehr als 1000 Mitglieder, darunter Fallschirmjäger, Fernspäher und Beamte aus SEK-Einheiten der Polizei. In der Mitglieds-Liste taucht auch der Name einer Mitarbeiterin des bayerischen "Verfassungsschutzes" auf, der Sicherheits-Chef einer großen Autovermietung, Rechtsanwälte und Ingenieure sind darin verzeichnet.
Die Chat-Gruppen administrierte André S. an einem Computer im KSK-Hauptquartier, der Graf-Zeppelin-Kaserne im württembergischen Calw. Der 33-Jährige, ein strenger KSK-Ausbilder war verantwortlich für die militärische Sicherheit der KSK-Truppe. Mitglied in dem geheimen Neo-Nazi-Netzwerk sind PolizistInnen und SoldatInnen, ReservistInnen, BeamtInnen und MitarbeiterInnen des deutschen Inland-Geheimdienstes, des sogenannten Verfassungsschutzes. Neben Lebensmittelvorräten wurden von diesen auch geheime Treibstoff-, Waffen- und Munitions-Depots angelegt, denn am Tag X soll der bewaffnete Staatsstreich Deutschland vom Bösen erretten. Jedes Mitglied zahlte für diesen Zweck 600 Euro in eine gemeinsame geheime Kasse ein. Aus den Chat-Protokollen geht hervor, daß eines dieser Depots "in der Nähe von Nürnberg" angelegt wurde.
Vieles deutet darauf hin, daß André S. von oben gedeckt wurde. Am Mittwoch, 13. September 2017, traf sich André S. in Sindelfingen mit einem Mitarbeiter des deutschen Militär-Geheimdienstes MAD (bei der Übereinstimmung mit dem englischen Wort für verrückt soll es sich um einen Zufall handeln). Der Mann vom MAD trägt den Rang eines Oberstleutnants. Angeblich war der Zweck dieses Treffens, daß André S. dem MAD weitere Informationen über rechtsextreme Tendenzen in seiner Kompanie liefert. Der Kontakt zwischen V-Leuten in der Neo-Nazi-Szene und dem "Verfassungsschutz" dient pro forma der Informationsbeschaffung, real aber der Finanzierung des braunen Sumpfs. Denn für die angeblich gelieferten Informationen fließen reichlich Steuergelder. Ebenso dürfte dies vom MAD gehandhabt werden.
Tatsächlich erfuhr André S. bei diesem Geheim-Treffen am 13. September 2017, daß Generalbundesanwalt Peter Frank gegen ein geheimes Netzwerk ermittelt. Offenbar ist dem Generalbundesanwalt zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt, daß dieses Netzwerk plant, "Politiker und Aktivisten aus dem linken Spektrum" zu töten. Einzuordnen ist dies als "Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat".
Kurz zuvor hatte Generalbundesanwalt Frank in Norddeutschland bereits Razzien gegen das Neo-Nazi-Netzwerk durchführen lassen. Unter anderem wurden im August 2017 in Mecklenburg-Vorpommern Wohnhäuser und Büros durchsucht, die einem Anwalt und einem Kriminal-Beamten zuzuordnen sind. Die beiden stehen im Verdacht, dem geheimen Neo-Nazi-Netzwerk anzugehören und für den Tag X einen Staatsstreich zu planen. Offenbar hatte die Bundesanwaltschaft vor diesen Razzien nicht einmal die Landespolizei im Norden eingeweiht. Auch Mecklenburg-Vorpommerns "schwarzer" Innenminister Lorenz Caffier - unter der "roten" Ministerpräsidentin Manuela Schwesig - erfuhr erst einen Tag vor den Razzien von den Ermittlungen.
Eine der Ziel-Personen der Razzien vom August 2017, der Anwalt, hatte an seinem Geburtstag ein Wettschießen im Garten seines Hauses in Rostock veranstaltet. Als Preis gab es einen Pokal, der nach Mehmet Turgut benannt war. Mehmet Turgut ist eines der zehn Opfer der Mordserie zwischen September 2000 und April 2007, die offiziell dem NSU zugeordnet wird. Mehmet Turgut wurde in Rostock am 25. Februar 2004 im Alter von 25 Jahren mit drei Kopfschüssen getötet.
André S. ist am 13. September 2017 über die Razzien vom August im Bilde und wird vom MAD zusätzlich davor gewarnt, daß weitere Durchsuchungen und Befragungen kurz bevorstehen. Dies geht aus einer Anklageschrift des Amtsgerichts Köln hervor, das derzeit einen Prozeß gegen den MAD-Mitarbeiter wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses führt.
Offenbar gehörte auch Franco A., der im Mittelpunkt eines der größten Bundeswehr-Skandale der vergangenen Jahre stand, dem geheimen Neo-Nazi-Netzwerk an. Mit André S. war er über die Süd-Gruppe per Chat verbunden. Einmal war er bei "Hannibal" zu Hause eingeladen, einmal nahm er mit "Hannibal" an einem Treffen in Albstadt teil.
Dem Bundeswehroffizier Franco A. war es gelungen, als angeblicher syrischer Flüchtling in einem Asylverfahren anerkannt zu werden. Die Mimikry sollte dazu dienen, einen geplanten Terror-Anschlag als Anschlag eines Flüchtlings erscheinen zu lassen. Franco A. wurde am 26. April 2017 festgenommen. Er war gerade auf einem Einzelkämpfer-Lehrgang im Ausbildungszentrum Infanterie in Hammelburg. Zudem wurden zwei weitere Personen im Zusammenhang mit dem Anschlagsplan festgenommen, darunter der Soldat Maximilian T., ein Mitglied der AfD. Inzwischen sind jedoch alle Beteiligten "mangels dringenden Tatverdachts" wieder auf freiem Fuß.
Anmerkungen
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