Gericht berücksichtigt erstmals Klimaschutz als Argument
Das im nordrhein-westfälischen Datteln geplante Kohlekraftwerk des Energie-Konzerns E.on wird vorerst nicht weiter gebaut. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat heute (Donnerstag) entschieden, daß wegen einer Nichtberücksichtigung klimatischer Auswirkungen nun zusätzlich zur fünften auch die vierte Teilgenehmigung ausgesetzt wird. Eilanträge des Konzerns wurden damit zugleich abgelehnt.
Beim Bau des Kohlekraftwerks kam es bislang immer wieder zu Verzögerungen. Ein Teil-Bauantrag, zu dessen Durchsetzung E.on ebenfalls Eilanträge gestellt hatte, wurde von UmweltschützerInnen als unzulässig bemängelt. An etlichen Teilen des Kraftwerkbaus kann daher zur Zeit nicht weitergearbeitet werden.
Das OVG Münster reagierte mit seiner Entscheidung auf Eilanträge des E.on-Konzerns, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und eines Landwirts aus Waltrop. Diese waren gegen eine Entscheidung der Bezirksregierung Münster von vergangener Woche, wonach die fünfte Teilgenehmigung zunächst nicht weiter genutzt werden könne, vorgegangen. E.on wollte diese Entscheidung aufheben lassen, der BUND und der Landwirt wollten die Ausweitung auf die Teilgenehmigungen drei und vier erreichen.
Bereits am 3. September hatte das OVG Münster den Bebauungsplan für das Kohlekraftwerk Datteln aufgehoben, weil dieser laut Urteil des Gerichts die Vorgaben zum Naturschutz und zum Bevölkerungsschutz nicht ausreichend beachtet hat. Erstmals wurde damit von einem deutschen Gericht die Gefahren des Kohlendioxid-Ausstoßes für das Klima in einem Urteil berücksichtigt. Ein Landwirt aus Wallrop hatte gegen den Bau der Kohlekraftanlage Klage eingereicht und Recht bekommen. Seit 2007 versuchten Landwirt und UmweltschützerInnen das Vorhaben von E.on mit juristischen Mitteln zu stoppen. Eine Revision gegen den Gerichtsentscheid wurde nicht zugelassen. Sowohl der Landwirt als auch der BUND hatten inzwischen Anträge bei der Bezirksregierung gestellt und den sofortigen Baustop des Kohlekraftwerks gefordert. E.on hatte im Gegenzug Mitte September dagegen geklagt, daß der Konzern nicht in Revision gegen das Urteil gehen kann.
In seinem aktuellen Urteil stellte das OVG Münster fest, daß die gegen die Teilgenehmigungen anhängigen Klagen von BUND und Landwirt in den Fällen der vierten und fünften Teilerlaubnis tatsächlich aufschiebende Wirkung besitzen. Damit wurde die Entscheidung der Bezirksregierung erweitert, der Antrag von E.on zurückgewiesen und dem Antrag von BUND und Landwirt zum Teil stattgegeben. Auch gegen dieses Urteil wurde eine Revision nicht zugelassen.
Nach dem jetzigen Stand der juristischen Auseinandersetzung kann der Weiterbau des Kohlekraftwerks Datteln, das von UmweltschützerInnen bereits als "Schwarzbau" bezeichnet worden war, an wesentlichen Komponenten nicht fortgesetzt werden. E.on wies dennoch in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, daß die Bauarbeiten auf Basis der bestehenden Teilgenehmigung weitergeführt würden. Der Konzern bekräftigte seine Einschätzung, daß das Projekt energiepolitisch sinnvoll und für die Versorgungssicherheit in der Region unverzichtbar sei. E.on werde daher mit hohem Nachdruck für den Weiterbau des Kohlekraftwerks drängen. Der BUND erklärte, Entscheidung des OVG mit "großer Befriedigung" aufgenommen zu haben.
Das Steinkohlekraftwerk sollte nach seiner Fertigstellung und der für das Jahr 2011 geplanten Inbetriebnahme mit einer Leistung von 1050 Megawatt eines der größten in Europa werden. Die Baukosten waren auf insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro veranschlagt. Sollte sich die juristische Niederlage des E.on-Konzerns bestätigen, muß er auf eigene Kosten die Bauruine abtragen und das Gelände in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
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