Oberst Klein wollte 4 Taliban-Anführer "vernichten"
Der in offiziellen Stellungnahmen als "besonnen" charakterisierte Oberst Georg Klein, der das Kundus-Massaker zu verantworten hat, schrieb in einem ersten Bericht, den er über den Bombenabwurf abfaßt, er habe vier Taliban-Anführer "vernichten" wollen. Dies liefert einen weiteren Mosaikstein für die These, daß es Oberst Klein nicht - wie gegenüber der Öffentlichkeit dargestellt - um einen Akt der Verteidigung gegen einen drohenden Selbstmordanschlag mit Hilfe zweier entführter Tanklaster auf das Bundeswehr-Camp ging, sondern um Rache für die von Aufständischen getöteten und verletzten Soldaten seiner Einheit.
Nach und nach kommt immer mehr Material über die tatsächlichen Hintergründe des Kundus-Massakers zu Tage, bei dem am 4. September bis zu 178 Menschen - darunter eine große Anzahl ZivilistInnen und Kinder - zu Tode gekommen waren. Am 6. Dezember war bekannt geworden, daß die US-amerikanischen Bomberpiloten insgesamt fünf Mal nachfragten, ob es nicht besser sei, die um die Tanklaster versammelten Menschen vor dem Abwurf der Bomben zu warnen. Am 10. Dezember sickerte durch, daß die Killertruppe "Kommando Spezialkräfte" (KSK) maßgeblich an der Entscheidungsfindung vor der Bombardierung beteiligt war. Und nun wurde bekannt, daß es im bislang geheim gehaltenen ISAF-Bericht zum Kundus-Massaker heißt: "Der verantwortliche deutsche Oberst Georg Klein wollte die Menschen angreifen, nicht die Fahrzeuge". Dem ISAF-Bericht zufolge eilten 60 bis 80 "Taliban" - später wurde bekannt, daß es sich um einfache Menschen der umliegenden Dörfer handelte - und ihre Anführer vor dem Bombardement zu den Tanklastern. Die Anführer hätten ihre Leute sogar noch vor einem möglichen Bomben-Abwurf gewarnt, dem habe aber niemand Beachtung geschenkt. Vermutlich waren die Anführer längst auf der Flucht, als die Bomben fielen.
Besondere Brisanz erhält die nun publik gewordene Information vom eigentlichen Ziel der Bombardierung, durch weiteres Material, das mittlerweile vorliegt: So war gerade rechtzeitig zum 4. September von Kanzleramt - also sicherlich nicht ohne Wissen von Bundeskanzlerin Angela Merkel - und vom damaligen Kriegsminister Franz Josef Jung unter Mitwirkung der deutschen Geheimdienste BND und MAD eine neue "Eskalationsstrategie" verabredet worden. Dabei ging es insbesondere um die gezielte Zerstörung der Taliban-Führungsstruktur. Demnach wären die Bombardierung der beiden Tanklaster und die gezielte Tötung vieler Menschen keine Fehl- oder Einzelentscheidung gewesen, sondern die Folge einer zuvor politisch verabredeten Strategie. Diese Strategie ist keineswegs singulär, sondern bereits seit langem durch das Vorgehen des israelischen Militärs bei der gezielten Tötung mutmaßlicher Hamas-Anführer aber auch der weniger bekannten Killer-Aktionen US-amerikanischer Spezial-Einheiten mit der "Lizenz zu Töten" vorgezeichnet. Durch die Gewöhnung der Weltöffentlichkeit an solche Killer-Kommandos gerät mehr und mehr aus dem Blick, daß solche Vorgänge weit außerhalb der vom Kriegsrecht gezogenen Grenzen stattfinden. Denn dabei werden Todesurteile vollstreckt - ohne rechtsstaatlichen Prozeß, ohne Richter, ohne Verteidiger und ohne Möglichkeit zur Revision.
Einen Zusammenhang zwischen der Anfang September beschlossenen neuen Strategie und dem Kundus-Massaker sieht auch die 'Leipziger Volkszeitung'. Diese will aus dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam erfahren haben, daß sich der für den Angriff verantwortliche deutsche Oberst "nach diesen Regierungsvorgaben regelrecht ermutigt gefühlt haben" dürfte, "einmal kräftig durchzugreifen".
Im Jargon des KSK heißt es "Tracken", wenn sie Aufständische verfolgen, aufspüren und töten. Behilflich dabei ist immer wieder der deutsche Bundesnachrichtendienst, der in Afghanistan die Telefonate abhört. Nach den mittlerweile durchgesickerten Informationen hat das KSK seit vergangenem Sommer die Spur von vier "Taliban-Anführern" verfolgt. Ein Informant des KSK, der sich zumindest mit seinen Auskünften am 4. September als nicht sehr zuverlässig erwiesen hat, soll das KSK auf die Anwesenheit der vier "Taliban-Anführer" bei den zwei gekaperten, rund 15 Kilometer vom deutschen Camp entfernt im Flußbett festgefahrenen Tanklaster hingewiesen haben.
Als die beiden F-15-Jagdbomber am 4. September um 2:28 Uhr über die ausgebrannten Tanklaster und das Metallskelett eines Traktors hinwegfliegen, melden sie unter anderem, daß 14 Personen in Richtung Norden fliehen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe unsere Artikel zum Thema:
Kundus-Massaker: Killertruppe KSK beteiligt
Guttenberg trägt nichts zur Aufklärung bei (10.12.09)
Kundus-Massaker: US-Bomberpiloten fragten 5 mal
wegen Tiefflügen / Oberst Klein behauptete "Feindberührung"
(6.12.09)
Kundus-Massaker: Jung zurückgetreten
- Aufklärung gestoppt? (28.11.09)
Wird das Bundeswehr-Massaker von Kundus jetzt aufgeklärt?
Der Generalinspekteur der Bundeswehr
und ein Staatssekretär traten heute zurück (26.11.09)
Massaker in Afghanistan?
Regelverletzung bei Bombardierung? (10.09.09)
Afghanistan-Krieg: ZivilistInnen getötet
bei Bombardierung zweier Tanklaster? (7.09.09)