Die Karlsruher "Atomsuppe" ist nach mittlerweile 14 Monaten Betrieb der eigens errichteten Verglasungsanlage angeblich transportfähig. Unabhängige Gutachten stellen jedoch die langfristige Stabilität der Glaskokillen in Frage. Dennoch heißt es nun von der baden-württembergischen "Umwelt"-Ministerin Tanja Gönner, der radioaktive Müll müsse ins sogenannte Zwischenlager Nord nahe Lubmin am Standort des stillgelegten DDR- Atomkraftwerks Greifswald in Mecklenburg- Vorpommern transportiert werden.
"Der Schmelzofen ist entleert und abgeschaltet," teilt der Betreiber der stillgelegten Versuchs-"Wiederaufarbeitungsanlage" Karlsruhe (WAK) mit. Die Verglasung des hochradioaktiven flüssigen Abfalls im Volumen von 80.000 Litern sei abgeschlossen. Damit hat jedoch die Geschichte der 1991 stillgelegten Versuchs-"Wiederaufarbeitungsanlage" Karlsruhe noch längst kein Ende. Ein großer Teil der in der "Atomsuppe" enthaltenen Einlagen werden noch in mehr als einer Million Jahren strahlen und gefährlich sein. Ob das Einschmelzen des flüssigen Abfalls allein zum Transport dieser gefährlichen Hinterlassenschaft des "Atomzeitalters" dient oder auch zu einer langfristigen Abschottung von der Biosphäre ist zumindest fraglich.
Im Februar dieses Jahres veröffentlichte eine deutsch-amerikanische Forschungsgruppe eine Studie, wonach die Langzeitsicherheit von mit hochradioaktivem Müll gefüllten Glaskokillen keineswegs als gesichert gelten kann. (Siehe unseren Bericht v. 5.02.10) Wie die ForscherInnen herausgefunden haben, kann das für die Herstellung von Transportsystemen von Atommüll-Behältern eingesetzte Borat-Glas bei der Berührung mit Wasser instabil werden. Es besteht ein nicht unbeträchtliches Risiko, daß eine ganze Reihe gefährlicher Substanzen entstehen, die das Glas bröckeln lassen.
Der nunmehr leere Tank mit meterdicken Betonwänden als auch große Teile der Anlage sind radioaktiv kontaminiert und sollen in den kommenden lauf WAK zehn Jahren "planmäßig" demontiert und für die Zwischen- beziehungsweise Endlagerung vorbereitet werden. Nach wie vor existiert jedoch weltweit kein Endlager für hochradioaktiven Müll. Der Rückbau der ehemaligen Versuchs-"Wiederaufarbeitungsanlage" hat sich seit 1991 mehrmals verschoben. 2005 war noch versprochen worden, bis 2014 könne in Karlsruhe der Status "grüne Wiese" erreicht werden. Im Januar 2008 hieß es, der Abriß der Gebäude könne frühesten 2023 erreicht werden. Parallel dazu haben sich die Schätzungen der hierbei anfallenden Kosten vervielfacht. Ursprünglich waren umgerechnet rund 500 Millionen Euro veranschlagt. 2007 wurde der Betrag von 1,9 auf 2,2 Milliarden Euro korrigiert. 2008 mußte das Stuttgarter Wirtschaftsministerium den Finanzbedarf auf nunmehr prognostizierte 2,6 Milliarden Euro anpassen.
In der Karlsruher "Atomsuppe" sind 504 Kilogramm Uran und 16,5 Kilogramm hochgiftiges Plutonium, sowie beträchtliche Mengen Cäsium- und Strontium-Isotope enthalten. Die strahlende und wärmeentwickelnde Flüssigkeit mußte in den vergangenen 20 Jahren in einem Spezialtank ständig gekühlt und umgerührt werden. Es handelt sich um Rückstände aus dem Betrieb einer Versuchs-Anlage, die zur technischen Entwicklung der Plutonium-Fabrik ("Wiederaufarbeitungsanlage") Wackersdorf diente. Ähnliche Anlagen werden im französischen La Hague und im englischen Sellafield (früher: Windscale) betrieben. Einer der wichtigsten Propagandisten der Atom-Mafia war der frühere Atom-Minister (die Orwellsche Bezeichnung "Umwelt-Minister" kam erst später auf) und langjährige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Bekanntlich dienen "Wiederaufarbeitungsanlagen" in erster Linie der Plutoniumseparierung und damit der Herstellung von Atomwaffen. Der stacheldrahtumzäunte Bau in Wackersdorf mußte 1989 Dank des großen Widerstands der Bevölkerung aufgegeben werden.
Angekündigt ist bereits seit September 2009, daß die Karlsruher "Atomsuppe" ins sogenannte Zwischenlager Nord nahe Lubmin am Standort des stillgelegten DDR-Atomkraftwerks Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern transportiert werden soll. Laut WAK steht ein Termin noch nicht fest. Das "Umwelt"-Ministerium verbreitet, daß der CASTOR-Transport nicht mehr in diesem Jahr erfolge.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel zum Thema:
Atommüll-Transporte
Glaskokillen nicht stabil (5.02.10)
Karlsruhe: "Atomsuppe" wird verglast
Verbleib nach wie vor ungeklärt (17.09.09)
Karlsruher "Atomsuppe"
- Verglasung weiter verzogert (17.07.09)
Ankündigung:
Karlsruher "Atomsuppe" soll ab Juli verglast werden (25.02.09)
Kosten für Karlsruher "Atomsuppe" wachsen auf 2,6 Milliarden Euro
Vorgeschmack auf das bittere Erbe der Atomenergie (16.01.08)
Karlsruher "Atomsuppe" kostet Milliarden
Geplante "Entsorgung" verzögert sich weiter (5.10.07)
Kosten Atomausstieg Karlsruhe verdoppelt:
1,9 Milliarden Euro (17.05.05)
Das ungelöste Problem der Endlagerung
Info-Serie 'Atomenergie' - Folge 12