24.03.2005

Artikel

Das Landgericht Koblenz
und die Atomwaffen in Deutschland

Dürfen deutsche SoldatInnenen zur Befehlsverweigerung aufgefordert werden?

Im November 2004 hatte das Amtsgericht Cochem vier Atomwaffen-GegnerInnen wegen Flugblättern verurteilt1, in denen auf Atomwaffen hingewiesen wurde, die im rheinland-pfälzischen Fliegerhort Büchel lagern und mit denen BundeswehrsoldatInnen "zur Begehung von Straftaten aufgefordert" worden seien.

In der Berufungsverhandlung am 29. März wird sich das Landgericht Koblenz2 mit einer brisanten Frage auseinandersetzen müssen: Dürfen BundeswehrsoldatInnen dazu aufgefordert werden, bestimmte Befehle nicht zu befolgen? Die Atomwaffen-GegnerInnen argumentieren in ihrem Aufruf, die "Teilhabe" - so der rechtliche Terminus - der Bundeswehr an US-amerikanischen Atomwaffen sei völkerrechts- und grundgesetzwidrig. Sie stützen sich dabei auf den Internationalen Gerichtshof und die deutsche Verfassung, deren Gültigkeit zumindest offiziell bisher nicht in Frage gestellt wird.

Gemäß einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 und nach Artikel 2 Nichtverbreitungsvertrag ist die Stationierung von Atomwaffen und die Bereitstellung von Trägermitteln in der Bundesrepublik Deutschland völkerrechtswidrig. Die "nukleare Teilhabe" verstößt zudem gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs.2, Satz 1 GG), ist also verfassungswidrig.

Die "nukleare Teilhabe" ist Teil der sogenannten Abschreckungs- Doktrin der NATO. Zur "Teilhabe" gehört, daß Deutschland im "Ernstfall" atomwaffenfähige Flugzeuge bereitstellt und daß auf deutschem Boden Atomwaffen gelagert werden. Bundeswehr- soldatInnen können so Atomwaffen unter US-amerikanischer Oberhoheit einsetzen. Auf den Militärstützpunkten in Ramstein und Büchel lagern zu diesem Zweck mehrere Dutzend Atomwaffen mit einem um mehr als zwei Zehnerpotenzen höheren Zerstörungspotential als die Hiroshima-Bombe.

Im Aufruf, der nun vom Landgericht Koblenz zu prüfen ist, werden die in Büchel stationierten BundeswehrsoldatInnen aufgefordert, sich nicht an der Wartung, Instandhaltung, an Einsatzübung und Bereithaltung der Tornado-Kampfflugzeuge zu beteiligen, insoweit sie als Trägermittel dem Einsatz von Atombomben dienen. Sie werden darauf hingewiesen, daß sie als SoldatInnen "an Völkerrecht und Grundgesetz gebunden sind und dem entgegenstehende Befehle nicht befolgen dürfen".

Das Amtsgericht Cochem ging weder der Frage nach, ob in Büchel Atomwaffen gelagert sind, noch der, ob die nukleare Abschreckung rechtswidrig ist und folglich SoldatInnen Befehle, die sie zur rechtswidrigen Teilhabe auffordern, verweigern dürfen. Auch folgte es dem Antrag der Verteidigung nicht, zu prüfen, ob eine solche Aufforderung zur Befehlsverweigerung mit den daraus folgenden Konsequenzen etwa durch das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt sei. Die Verteidigung hatte das Amtsgericht Cochem dabei auf ein Urteil des Kammergerichts Berlin hingewiesen, das einen Aufruf an SoldatInnen, "sich nicht am rechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien zu beteiligen," als durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt beurteilt hatte.

Der Cochemer Amtrichters Johann hatte hingegen geurteilt, der Aufruf stelle eine "Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" dar. In einer Stellung werten die Atomwaffen-GegnerInnen die Ignoranz dieses Richters ironisch als "fest verankert in preußisch-militaristischer Tradition". Amtrichter Johann hatte darüber hinaus in seiner Urteilsbegründung die Befürchtung kundgetan, eine eventuelle Befehlsverweigerung von SoldatInnen "gefährde die Schlagkraft der Truppe". Und die Aufforderung im Flugblatt, mit Kameraden über die Unrechtmäßigkeit der nuklearen Teilhabe zu sprechen, wertete Johann als "Aufforderung zur Zusammenrottung", die zu einer effektiven und gefährlichen Gruppendynamik zur Begehung von Wehrstraftaten führen könne.

Der Behandlung des heiklen Themas durch das Landgericht Koblenz wird sicherlich auch im deutschen Kriegsministerium mit Spannung entgegen gesehen.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel

      'Atomwaffen-GegnerInnen wegen Flugblatt bestraft' (24.11.04)

Siehe auch unsere bisherigen Artikel zum Thema Atomwaffen

      'Atomwaffen raus aus Deutschland!' (25.02.05)

      'Atomwaffen-GegenerInnen rufen zu Befehlsverweigerung auf'
      (11.02.05)

      'Nicht nur Nordkorea' (10.02.05)

      'Neue Atommacht EU?' (24.04.04)

      'Mildere Strafe für Atomwaffengegner' (8.03.04)

      'Unfälle mit Atomwaffen aufgedeckt' (17.10.03)

      'Atombomben in Deutschland' (12.03.01)

2 Die Verhandlung ist öffentlich

      Dienstag, 29. März 2005, um 9.00 Uhr
      Landgericht Koblenz
      Karmeliterstraße 14, Raum 48, Stock E

 

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