21.11.2005

CASTOR-Blockade
in Harlingen

Als eines der beliebtesten Ziele des diesjährigen CASTOR-Widerstands stellte sich das Schienenstück bei Harlingen auf den letzten Kilometern vor der Umladestation Dannenberg heraus. Ich möchte damit die vielen anderen Blockade-Aktionen mit zum Teil bis zu 200 TeilnehmerInnen (siehe unsere Berichte 'Die Tage bis Sonntag' und 'Montag und Dienstag') nicht herunterspielen. Auch wenn am Montag Vormittag im Wald im Bereich der Gleiskilometer 186 und 187 in Höhe der Ortschaft Harlingen sicherlich 600 bis 700 Atomkraft-GegnerInnen unterwegs waren - die anderen Aktionen entlang der Strecke waren ebenso wichtig.

Überblick Streckenabschnitt Lüneburg - Dannenberg - Gorleben

Die Schienenstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg verläuft in einer unübersichtlichen Landschaft, die durch kleine Wäldchen geprägt ist, mal auf einem Damm, mal in einem Einschnitt in Tieflage. Einen solchen Einschnitt bei Harlingen - kurz vor Hitzacker - wählten AtomkraftgegnerInnen für eine Schienen-Blockade. Die Polizei war darauf offenbar nicht vorbereitet, da sie gewohnheitsgemäß die DemontrantInnen von Süden her erwartete. Bereits am frühen Morgen (Montag, 21.11.05) schlichen sich rund 150 AktivistInnen von Norden her durch das Unterholz und erreichten die west-östlich verlaufenden Schienen. Nicht weit davon entfernt setzten sich gegen 8:15 Uhr rund 300 Leute auf die Gleise.

Ebenfalls um 8:15 Uhr werden in Harlingen die Abzweigungen nach Tollendorf und Eichengrund mit Treckern dicht gemacht. Ein Räumfahrzeug der Polizei wird mit Wollfäden umsponnen und so symbolisch blockiert.

Die ersten Blockaden räumt die Polizei relativ schnell gegen 9:30 Uhr. Die Atomkraft-GegnerInnen werden ohne extreme Gewaltanwendung weggetragen. Es erfolgen keine langfristigen Festnahmen (auch keine Personalienfeststellung) und so können im Lauf des Vormittags einzelne gleich mehrmals auf die Schienen gelangen. Gegen 10 Uhr befinden sich bei Gleiskilometer 187,3 rund 20 Leute für längere Zeit auf den Schienen. Schon wenige Minuten später sind es rund 50.

Am oberen Rand der Böschung - direkt vor der Polizei-Kette - sammeln sich immer mehr Menschen. Viele darunter verfolgen die Taktik, durch Entlanglaufen an der Polizei-Kette diese ebenfalls in Bewegung zu halten und auf diese Weise an einigen Abschnitten auszudünnen. Und so gelingt es - bei teilweise rund zwei Meter Abstand zwischen den BeamtInnen - immer wieder einigen Atomkraft-GegnerInnen, die Böschung hinunter zu rennen und sich der Blockade anzuschließen.

Viele BlockiererInnen, die mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind, registrieren amüsiert, daß die Auflösung der "Versammlung" durch die Polizei formaljuristisch wirkungslos ist: Der Einsatzleiter bezieht sich in seiner Megaphon-Ansage auf eine "Allgemeinverfügung der Lüneburger Bezirksregierung", die es seit der Verwaltungsreform zu Beginn dieses Jahres gar nicht mehr gibt.

Ein Stapel Strohballen rund 20 Meter von den Gleisen entfernt wurde im Lauf des Vormittags vermutlich durch Provokateure angezündet. Zwei Wasserwerfer der Polizei bekommen so Gelegenheit aufzufahren, können jedoch die brennenden Ballen trotz vollen Beschusses aus drei Rohren nicht löschen. Es qualmt statt dessen um so mehr und weiter entfernt stehende Menschen bekommen - wie ich später erfahre - den Eindruck, es handele sich um einen Großbrand oder ähnliches. Ein 14-jähriger aus Harlingen erbarmt sich und alarmiert mit seinem Mobil-Telefon die Feuerwehr. "Die Polizei kriegt das nicht richtig in den Griff", gibt er durch und auf die Frage eines anderen Journalisten, wer wohl das Stroh angezündet habe, meint er trocken: "Wir waren es auf jeden Fall nicht."

Die rund 170 TeilnehmerInnen der letzten Blockade werden nach der dritten Aufforderung die Gleise zu verlassen um 10:45 Uhr weggetragen. Die Polizei läßt sie unmittelbar nach der Durchfahrt des CASTOR-Zuges wieder frei. (Die Lokalzeitung EJZ berichtete am Tag darauf: "Die Räumung der Schienenblockade bei Harlingen verlief friedlich, sowohl die eingesetzten Sicherheitskräfte als auch die Demonstranten verhielten sich besonnen und umsichtig.") Als der CASTOR-Zug gegen 11 Uhr den Wald bei Harlingen passiert, wird dies weithin hörbar durch lautes Pfeifen und Rufen begleitet. Rote Flecken von Farbbeuteln sind auf den weißen Abdeckhauben der CASTOR-Behälter zu sehen.

Circa 11:30 Uhr fährt der CASTOR-Zug am Ortsausgang Harlingen (ungefähr Gleiskilometer 186) im Schritttempo weiter. Gegen 12 Uhr erreicht er Dannenberg, wo die CASTORen in einer mehrstündigen Prozedur auf Speziallastwagen umgeladen werden.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

    'CASTOR La Hague - Gorleben
    Teil 2 - Montag und Dienstag' (22.11.05)

    'CASTOR La Hague - Gorleben
    Teil 1 - Die Tage bis Sonntag' (20.11.05)

    'Demo in Lüneburg
    Für realen Atomausstieg und Erneuerbare' (6.11.05)

    'IPPNW: Uranvorräte bestimmen Zeitpunkt
    für "Atomausstieg" - Angeblicher Streit in
    schwarz-roten Verhandlungen ist reine Farce'(31.10.05)

 

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