26.06.2009

Kommentar

DDR-Nostalgie?

57 Prozent der Ostdeutschen werten DDR positiv

Laut einer Emnid-Umfrage bewerten 57 Prozent der Ostdeutschen die DDR positiv; sie habe mehr gute als schlechte Seiten gehabt und man habe dort gut leben können. 20 Jahre nach dem Zwangsanschluß der zusammengebrochenen DDR sind sogar acht Prozent im Osten der Meinung, die DDR habe fast nur gute Seiten gehabt.

Nun müsen wir uns nicht als "Besser-Wessis" abstempeln lassen, wenn wir (und zu NETZWERK REGENBOGEN gehören auch Menschen aus den "neuen Bundeländern") diese Bewertung nicht teilen. In etlichen Beiträgen haben wir in den vergangenen Jahren aufgezeigt, daß es sich bei der DDR um die Diktatur einer kleinen bürokratischen Kaste handelte und welche Argumente dafür sprechen, diesen Staat als mindestens ebenso negativ wie die BRD einzuschätzen. Ein Haupt-Argument bleibt dabei nach wie vor, daß in den Staaten des ehemaligen Ostblocks von Beginn an, also bereits mit der Oktoberrevolution in Rußland im Jahr 1917, keineswegs irgend eine Form von Sozialismus verwirklicht worden ist. In keinem dieser Staaten hatte die Mehrheit der Bevölkerung - oder auch das Proletariat - jemals auch nur den geringsten Einfluß auf wirtschaftliche Entscheidungen.

Nun ist allerdings ebenso der Meinung der "Wessis" zu mißtrauen, wenn laut Emnid-Umfrage 78 Prozent der befragten Westdeutschen sagen, die DDR habe "ganz überwiegend" schlechte Seiten gehabt. Denn selbst wenn auf Grund von Vorurteilen die resultierende Meinung mit den Tatsachen übereinstimmt, handelt es sich dabei keineswegs um ein fundiertes Urteil. In beiden Fällen, bei "Ossis" wie bei "Wessis", liegt der Bewertung ganz offensichtlich keine kritische Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftsystem des "realexistierenden Sozialismus" zu Grunde. Eine solche kritische Auseinandersetzung hat selbst in der vielfach umbenannten Nachfolge-Partei der SED, der heutigen Linkspartei, nicht stattgefunden. Vielmehr wurde diese Partei - ohne nennenswerten Widerstand - über Jahre hin dazu gezwungen, in oberflächlichen Lippenbekenntnissen den vielerlei offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen in der DDR, von der Stasi-Bespitzelung über die mangelnde (Aus-)Reisefreiheit bis zur fehlenden Meinungsfreiheit, abzuschwören. Doch wohlweislich wurde von den westlichen Mainstrem-Medien nie die Charakterisierung des DDR-Systems als Sozialismus in Frage gestellt. Und bis heute wird in diesen Medien - und mehrheitlich auch in der Linkspartei - allen Ernstes von den "ehemaligen sozialistischen Staaten" geredet...

Hintergrund dieser auf den ersten Blick seltsam erscheinenden Tatsache ist, daß ansonsten sowohl die ideologische Umdeutung des kapitalistischen Systems im Westen zur Demokratie als auch die - früher in gegenseitigem Einvernehmen praktizierte - ideologische Umdeutung der Diktaturen zu sozialistischen Systemen im Osten in Frage gestellt würde. Und dies wäre nicht im Interesse der herrschenden Eliten. So bestimmt nach wie vor Ideologie statt kritischem Denken die Meinung einer überwiegenden Mehrheit von "Wessis" wie "Ossis".

Bei den "Ossis" kommt noch der sogenannte Nostalgie-Effekt hinzu. Das Wort Nostalgie erklärt allerdings nichts, sondern bietet lediglich mit der Benennung eines Phänomens eine Scheinerklärung. Dieser Nostalgie-Effekt basisiert auf der Enttäuschung weiter Kreise in den "neuen Bundesländern", die sich vom Kapitalismus nicht nur Bananen, sondern auch einen höheren Lebensstandard insgesamt erhofft hatten und mittlerweile realisieren müssen, daß die von Helmut Kohl damals versprochenen "blühenden Landschaften" nur Lüge waren.

Und als Schaumkrone bei dieser Umfrage-Farce kam dann noch Folgendes zu Tage: 85 Prozent der Ostdeutschen und 81 Prozent der Westdeutschen meinen übereinstimmend, die Ostdeutschen könnten stolz sein auf den "Fall der Mauer" und die "friedliche Revolution", die zum Sturz des DDR-Regimes geführt habe. Wer sich nun allerdings an Hand der Fakten über die Hintergründe des Zusammenbruchs des Ostblocks informiert hat, weiß, daß ohne das Einverständnis Gorbatschows, der immerhin über die zweitmächtigste Militärmacht des Globus verfügte, kein Anschluß der DDR an die BRD möglich gewesen wäre. Und dieses Einverständnis war die Folge des wirtschaftlichen Ruins der Ostblock-Staaten. Es bleibt also bei der - von Vielen anscheinend gern verdrängten - Tatsache, daß die Deutschen in ihrer gesamten Geschichte bisher weder zu einer gewaltsamen noch zu einer friedlichen Revolution fähig waren. Zu einer friedlichen Revolution hätte es auch wesentlich mehr bedurft als lediglich zu demonstrieren - so ehrenhaft und mutig dies in einer Diktatur wie der DDR unbestritten war.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      60 Jahre Unrechts-Staat BRD (23.05.09)

      "Blühende Landschaften" im Osten
      Armuts-Atlas des Paritätischen Gesamtverbandes (19.05.09)

      10. Jahrestag des Kosovo-Kriegs
      Propaganda von der "humanitären Katastrophe"
      bis heute aufrechterhalten (24.03.09)

      Die Entwicklung der Grünen zur Kriegspartei
      und die Vorbereitung des Kosovo-Kriegs (24.03.09)

 

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