Propaganda von der "humanitären Katastrophe"
bis heute aufrechterhalten
Am 24. März 1999 begann der NATO-Krieg gegen Rest-Jugoslawien. Bis heute haben viele Menschen - gerade aus dem Umfeld der "Grünen" - die vor mehr als 10 Jahren verbreitete Propaganda von der "humanitären Katastrophe" und vom angeblich von serbischen Nationalisten verübten "Völkermord" im Kosovo unhinterfragt als historische Wahrheit akzeptiert. Auch daß der damalige "grüne" deutsche Außenminister Joseph Fischer den Holocaust instrumentalisierte, wird in den Mainstream-Medien meist völlig ausgeblendet. Fischer hatte den NATO-Krieg gegen Rest-Jugoslawien, den "Kosovo-Krieg", damit begründet, es müsse ein "zweites Auschwitz" verhindert werden. Mittlerweile soll der Kampf über die Deutungshoheit und den Inhalt zukünftiger Geschichtsbücher gar mit juristischen Mitteln geführt werden. So wird darüber diskutiert, ob die "Leugnung des Völkermords" im Kosovo mit der Leugnung des Holocaust gleichgestellt und unter Strafe gestellt werden solle.
Der deutschen Friedensbewegung ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Hegemonie der offiziellen Geschichtsschreibung zum Kosovo-Krieg zu durchbrechen. Auch der Film 'Es begann mit einer Lüge'1 konnte im Februar 2001 nur kurzfristig eine Bresche schlagen, die alsbald - hauptsächlich durch offizielles Schweigen - wieder geschlossen wurde.
Um die Ursache des "Kosovo-Kriegs" verstehen zu können, ist es nötig, an die über zehnjährige Vorgeschichte zu erinnern. Heute liegen genügend Fakten vor, die beweisen, daß der wiedererstarkende Nationalismus in Kroatien und unter dem albanischen Bevölkerungsteil des Kosovo von außen geschürt wurde. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen wurden lehrbuchhaft gegeneinander ausgespielt und aufeinander gehetzt. Wie bereits in so vielen anderen Ländern dieser Welt zuvor diente dies dem Plan, einen Vorwand für das Eingreifen der verdeckt arbeitenden Aggressoren zu schaffen und so die Kontrolle über wertvolle Bodenschätze und strategisch wichtige Gebiete zu erlangen. Im Falle Jugoslawiens drehte es sich in erster Linie um die Kontrolle über das Territorium für wichtige Öl-Pipelines aus dem kaspischen Raum nach Zentraleuropa. Eine bedeutende Rolle für den Plan zur Zerschlagung Jugoslawiens spielte auch, daß Deutschland so erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Krieg führen konnte und damit in den exklusiven Club "souveräner Mächte" zurückkehrte.
Das Bild, das den Menschen in Europa und den USA vermittelt wurde, hat seinen Ursprung bei den deutschen Mainstream-Medien. In Verkehrung der tatsächlichen Reihenfolge wurden die Konflikte im Balkan als Ursache für das dadurch angeblich unumgängliche Eingreifen dargestellt. Nach und nach wurde diese Darstellung von nahezu allen westlichen Medien und PolitikerInnen übernommen. Dabei spielte die in Washington ansässigen Werbefirma 'Ruder Finn' eine bedeutende Rolle. Auftraggeber waren kroatische Nationalisten und die führende muslimische Partei in Bosnien. Die einfache und erfolgreiche Methode ihrer Propagandakampagne war es, den jugoslawischen Machthaber Slobodan Milosevic und die Serben mit Hitler und den Deutschen zu vergleichen. Die Serben wurden als "neue Nazis" bezeichnet, die vom "neuen Hitler", Slobodan Milosevic, angeführt werden. Dies hatte Erfolg und führte dazu, daß eine große Zahl naiver oder korrumpierter JournalistInnen, KommentatorInnen, PolitikerInnen und MenschenrechtsaktivistInnen den Eindruck hatten, bei dem stetig von außen angeheizten Bürgerkrieg handele es sich um eine von Serben ausgehende Aggression.
Bereits Anfang der 90er Jahre wurde ein manipuliertes Foto dazu benutzt, die Assoziation zu einem KZ zu wecken. Hinter einem Stacheldrahtzaun war die ausgemergelte Gestalt eines muslimischen Bosniers zu sehen. Das Time-Magazin, 'Mirror', 'Daily Mail' bis hin zur deutschen 'taz' brachten das Foto auf den Titelseiten als Beweis dafür, daß serbische Gräueltaten denen der Nazis in nichts nachstünden. Anfang 1997 konnte der deutsche Journalist Thomas Deichmann beweisen, daß es sich bei dem Foto um eine Fälschung handelte, um die Weltöffentlichkeit beim Bosnien-Krieg zur Parteilichkeit zu verführen.2
Die Führer Sloweniens und Kroatiens, der reichsten, nördlichen Bundesländer Jugoslawiens, strebten nach Abspaltung von den ärmeren Landesteilen, weil sie mit der Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft gelockt wurden. Zugleich wurde auf sie Druck ausgeübt, nachdem sie in die IWF-initiierte Schuldenfalle getappt waren. Der serbische Bevölkerungsteil, der im früheren Jugoslawien die insgesamt zahlenmäßig stärkste Bevölkerungsgruppe bildete, geriet in die Defensive. Administrative Grenzen aus der Tito-Zeit teilten Jugoslawien und teilten die serbische Bevölkerungsgruppe in jene, die im Bundesland Serbien lebten, in dem sich die Hauptstadt Belgrad befindet, und jene, die in Kroatien, Bosnien oder auch - als Minderheit - im Kosovo, das zum Bundesland Serbien gehörte, lebten. Es ist nicht zu leugnen, daß die meisten in Kroatien und Bosnien lebenden SerbInnen die Abspaltung vom Bundesstaat Jugoslawien schlichtweg ablehnten.
Bereits die "schwarz-gelbe" Bundesregierung von Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher bereitete den Krieg in Jugoslawien mit aller Macht vor. Im September 1991 sagte der damalige deutsche Verteidigungsminister Rupert Scholz in kaum verhüllter Deutlichkeit, daß die Anerkennung eines unabhängigen Sloweniens und Kroatiens den Jugoslawien-Konflikt so verändern könnte, daß eine "internationale Sicherheitsverantwortung" entstünde. Darunter war bereits zu jener Zeit eine Intervention der NATO zu verstehen. Die "voreilige" staatliche Anerkennung durch Deutschland zielte darauf, den Konflikt zu internationalisieren, und nicht etwa darauf, ihn zu befrieden.
Zuerst wollte kein anderes Land der Europäischen Gemeinschaft diese nicht ausgehandelte Anerkennung der Abspaltung unterstützen, doch Deutschland machte die Umsetzung des Maastricht-Vertrages von der Kooperation der anderen EU-Staaten in Sachen Jugoslawien abhängig. Eine maßgebliche Rolle bei der zunächst nur von der deutschen Regierung betriebenen Politik der Zerschlagung Jugoslawiens spielte Daniel Cohn-Bendit der 1994 als "Grüner" ins Europäische Parlament einzog, kurz nachdem er sich für eine militärische Intervention zugunsten der bosnischen MuslimInnen eingesetzt hatte.
Joseph Fischer sagte später, daß ihn Cohn-Bendit, sein Freund aus Frankfurter Sponti-Tagen, in seiner Haltung zu Jugoslawien beeinflußt habe. Bei der von Fischer aber bereits zuvor bewiesenen Anpassungsfähigkeit ist nicht auszuschließen, daß er seine politische Haltung an seiner Ambition ausrichtete, Außenminister eines NATO-Staates zu werden. Cohn-Bendit jedenfalls gelang es, die "Grünen" auf Kriegskurs zu bringen. Und die Mainstream-Medien haben ihn dabei optimal unterstützt. Cohn-Bendits Haltung wurde immer hofiert, während ursprünglich grüne, pazifistische Positionen ignoriert wurden.
Eine entscheidende Rolle spielte 1995 die mediale Aufbereitung von Srebrenica. Völlig ausgeblendet wurde dabei, daß bosnische Serben Frauen und Kinder mit Bussen in Sicherheit bringen ließen. Statt dessen wurde von einer "Selektion" vor Massenermordungen und von der "Rampe von Srebrenica" berichtet, um so Assoziationen zu Auschwitz wachzurufen. Erschwert wurde eine objektive Sichtweise auf die Vorgänge in Jugoslawien auch durch Fürsprecher Serbiens, die in Deutschland auftraten und in schlichter Umkehrung der Darstellung in den Mainstream-Medien Serben als Opfer, Kroaten und Sklowenen aber als Aggressoren bezeichneten. Unbestreitbar ist zumindest auf der Grundlage der heute vorliegenden Informationen, daß auf beiden Seiten gemordet und Kriegsverbrechen begangen wurden. Ebenfalls ist nicht zu leugnen, daß es - wie in nahezu jedem Bürgerkrieg - zu Vergewaltigungen, zu Plünderungen und persönlichen Racheakten kam. Ob es zu systematischen Massenvergewaltigungen kam und ob sich dabei - wie immer wieder behauptet - die serbischen Milizen oder Militärs besonders hervortaten, ist bis heute nicht bewiesen.
Im Falle des Krieges in Bosnien haben Menschenrechtsorganisationen und von der muslimischen Kriegspartei beauftragte Werbefirmen nur von serbischen Vergewaltigern gesprochen. JournalistInnen haben diese Geschichten oft ungeprüft übernommen und nicht selten alle Fälle ignoriert, in denen serbische Frauen Opfer von Vergewaltigung durch Kroaten oder Muslime wurden. Organisationen wie Human Rights Watch und jene unter George Soros Führung haben bei der Zerschlagung Jugoslawiens eine weithin unterschätzte Rolle gespielt. In Frankreich hat die von Bernard Kouchner gegründete Organisation 'Médecins du Monde', die Medizin an Arme verteilen soll, Millionen für eine Plakatkampagne ausgegeben, in der die Serben als Nazis gebrandmarkt wurden. Nur wenigen ist bekannt, daß in den Führungsetagen dieser Nichtregierungsorganisationen nicht selten frühere Spitzenpolitiker der NATO-Staaten sitzen. Und bis heute sind diese NGOs in die Balkanpolitik involviert.
Obwohl heute eindeutige Fakten vorliegen, wird immer wieder geleugnet, daß eine massenhafte Vertreibung im Kosovo erst mit dem Beginn des NATO-Kriegs am 24. März 1999 begann. Unter Otto Schily als Innenminister, Ex-Grüner und SPD-Mitglied, wurden noch drei Wochen vor Kriegsbeginn Kosovo-Albaner mit der Begründung abgeschoben, "ein staatliches Programm zur Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo (sei) bis heute nirgends belegt" und die bis dahin "über tausend" Todesopfer und 300.000 Flüchtlinge rechtfertigten "nicht die Annahme einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung."
Am 24. März 1999 erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder im deutschen TV:
"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosevic führt dort einen erbarmungslosen Krieg. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen."
Hierzu ist festzustellen:
1. Bundeskanzler Schröder versucht hier - aus gutem Grund - den Angriff der NATO nicht als Krieg erscheinen zu lassen.
2. Er begründet den Angriff der NATO mit "schweren und systematischen Verletzungen der Menschenrechte" und dem später so häufig eingesetzten Begriff "humanitäre Katastrophe".
Ersteres wurde bereits durch ein Interview mit Kriegsminister Scharping exakt einen Monat darauf, am 24.04.1999, in der Sendung Monitor widerlegt:
"In einem solchen, nennen wir es mal Krieg, in einer solchen Auseinandersetzung, gibt es leider in gewissem Umfang auch Opfer, die man gar nicht beabsichtigt und die man unbedingt vermeiden will." (Originalton Scharping)
Ein weiteres Teileingeständnis stammt von NATO-Sprecher Jamie Shea, dem sympathischen täglichen TV-Gesicht des Kosovo-Kriegs:
"Das wichtigste ist, daß der Feind nicht das Monopol auf die Bilder haben darf, denn das rückt die Taktik der NATO in das Licht der Öffentlichkeit und nicht die bewusste Brutalität von Milosevic: Etwa ob wir eine perfekte Organisation sind, oder ob wir einen perfekten Luftkrieg führen und so weiter. Viele Journalisten sagten: Milosevic hat die Bilder - und Jamie Shea hat nur Worte. Wem sollen wir glauben? Den Bildern oder den Worten?
Beim nächsten Mal, wenn die ARD, CNN oder die BBC ein Bild von einem zerschossenen Flüchtlingstreck zeigen, dann will ich sagen können: Ja, das stimmt. Ich entschuldige mich, ich kann das erklären. Aber sehen Sie hier: Ein Massengrab, Leute, die absichtlich umgebracht und in dieses Grab geworfen wurden! Auf welcher Seite stehen Sie also?"
(Originalton Jamie Shea - in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Die "humanitäre Katastrophe"
Rudolf Scharping (27.03.1999):
"Wir wären ja auch niemals zu militärischen Maßnahmen geschritten, wenn es nicht diese humanitäre Katastrophe im Kosovo gäbe mit 250.000 Flüchtlingen innerhalb des Kosovo, weit über 400.000 Flüchtlingen insgesamt, und einer zur Zeit nicht zählbaren Zahl von Toten."
Nicht zählbare Tote schon vor Beginn der NATO-Bombardierung?
Die Fakten
Die OSZE, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, müsste davon doch gewusst haben. Denn ihre Beobachter hatten penibel die Vorkommnisse im Kosovo gemeldet. Ihr Fazit für den März 1999: 39 Tote im gesamten Kosovo - bevor die NATO-Bomber kamen. Drohte also eine "humanitäre Katastrophe"? Der damals leitende deutsche General bei der OSZE, und eine amerikanische Diplomatin, die damals im Kosovo war, erinnern sich.
Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:
"Die Legitimationsgrundlage für die deutsche Beteiligung war die sogenannte humanitäre Katastrophe, eine solche humanitäre Katastrophe als völkerrechtliche Kategorie, die einen Kriegseintritt rechtfertigte, lag vor Kriegsbeginn im Kosovo nicht vor."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Norma Brown, US-Diplomatin im Kosovo:
"Bis zum Beginn der NATO-Luftangriffe gab es keine humanitäre Krise. Sicher, es gab humanitäre Probleme, und es gab viele Vertriebene durch den Bürgerkrieg. Aber das spielte sich so ab: Die Leute verließen ihre Dörfer, wenn die Serben eine Aktion gegen die UCK durchführten - und kamen danach wieder zurück. Tatsache ist: Jeder wusste, daß es erst zu einer humanitären Krise kommen würde, wenn die NATO bombardiert. Das wurde diskutiert: In der NATO, der OSZE, bei uns vor Ort und in der Bevölkerung."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Ein eindeutiges Urteil. Gewalt im Kosovo - in keinem einzigen Bericht der OSZE findet sich auch nur ein Indiz für eine drohende humanitäre Katastrophe. Was die internationalen Fachleute beobachteten, waren Situationen wie diese:
Rebellen der sogenannten Kosovo-Befreiungsarmee UCK kämpften gegen reguläre jugoslawische Truppen. Ein Bürgerkrieg - so die OSZE. Vor diesen Kämpfen flohen die Dorfbewohner. Später kehrten sie dann meist in ihre völlig zerstörten Häuser zurück. Die NATO in Brüssel kannte die Berichte der OSZE. Sie deckten sich mit ihren eigenen Beobachtungen, bleiben aber intern. Diese Erkenntnisse wurden nicht auf einer der vielen NATO-Pressekonferenzen damals veröffentlicht. Mehr noch: Auf der letzten Tagung des NATO-Rates vor Kriegsbeginn, am 14. März 1999, wurde berichtet: Die Gewalt gehe eher von terroristischen Aktionen der UCK aus, die Serben übten dann allerdings mit unverhältnismäßiger Härte Vergeltung. Dennoch drohte die Lage im Kosovo zu der Zeit nicht außer Kontrolle zu geraten.
Zur gleichen Zeit im deutschen Verteidigungsministerium: Auch dort war keine Rede von einer drohenden humanitären Katastrophe: In den Unterlagen des Bundesministers für Verteidigung zur Lage im Kosovo stand nämlich etwas ganz anderes als Rudolf Scharping in der Öffentlichkeit verkündet hatte. Zitat aus den geheimen Lageberichten des Verteidigungsministeriums:
"In den vergangenen Tagen kam es zu keinen größeren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen serbisch-jugoslawischen Kräften und der UCK... Die serbischen Sicherheitskräfte beschränken ihre Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze wie Kontrollen, Streifentätigkeit, Suche nach Waffenlagern und Überwachung wichtiger Verbindungsstraßen."
Dennoch liefen die Vorbereitungen für den Angriff weiter. Als dann jedoch die ersten Bomben fielen, sank in den NATO-Ländern die Unterstützung für den Krieg. Die Stimmung in der Bevölkerung drohte sogar zu kippen.
Jamie Shea, NATO-Sprecher:
"Die politischen Führer spielten nun die entscheidende Rolle für die öffentliche Meinung. Sie sind die demokratisch gewählten Vertreter. Sie wußten, welche Nachricht jeweils für die öffentliche Meinung in ihrem Land wichtig war. Rudolf Scharping machte wirklich einen guten Job. Es ist ja auch nicht leicht, speziell in Deutschland, das 50 Jahre lang Verteidigung nur als Schutz des eigenen Landes gekannt hatte, statt seine Soldaten weit weg zu schicken. Psychologisch ist diese neue Definition von Sicherheitspolitik nicht einfach. Nicht nur Minister Scharping, auch Kanzler Schröder und Minister Fischer waren ein großartiges Beispiel für politische Führer, die nicht der öffentlichen Meinung hinterher rennen, sondern diese zu formen verstehen.
Es stimmt mich optimistisch, daß die Deutschen das verstanden haben. Und jenseits der sehr unerfreulichen Begleiterscheinungen, der Kollateralschäden, der langen Dauer der Luftangriffe, hielten sie Kurs. Wenn wir die öffentliche Meinung in Deutschland verloren hätten, dann hätten wir sie im ganzen Bündnis verloren."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Im Dezember 2000 mußte selbst die Parlamentarische Versammlung der NATO in einem 'Generalbericht' über "Die Folgen des Kosovo-Konfliktes und seine Auswirkungen auf Konfliktprävention und Krisenmanagement" folgendes eingestehen:
"So nutzte die UCK das Holbrooke-Milosevic-Abkommen als Atempause, um ihre Kräfte nach den Rückschlägen des Sommers zu verstärken und neu zu gruppieren. Die serbischen Repressionen ließen unter dem Einfluß der KVM in der Zeit von Oktober bis Dezember 1998 nach. Dagegen fehlte es an effektiven Maßnahmen zur Eindämmung der UCK, die weiterhin in den USA und Westeuropa - insbesondere Deutschland und der Schweiz - Spenden sammeln, Rekruten werben und Waffen über die albanische Grenze schmuggeln konnte. So nahmen die Angriffe der UCK auf serbische Sicherheitskräfte und Zivilisten ab Dezember 1998 stark zu. Der Konflikt eskalierte neuerlich, um eine humanitäre Krise zu erzeugen, welche die NATO zur Intervention bewegen würde."
Beachtung bei den deutschen Mainstream-Medien fand dieser Bericht allerdings nicht.
Das "KZ von Pristina"
Rudolf Scharping (28.03.1999):
"Viel wichtiger ist die Frage was geschieht jetzt im Kosovo: Wenn ich höre, daß im Norden von Pristina ein Konzentrationslager eingerichtet wird, wenn ich höre, daß man die Eltern und die Lehrer von Kindern zusammentreibt und die Lehrer vor den Augen der Kinder erschießt, wenn ich höre, daß man in Pristina die serbische Bevölkerung auffordert, ein großes 'S‘ auf die Türen zu malen, damit sie bei den Säuberungen nicht betroffen sind, dann ist da etwas im Gange, wo kein zivilisierter Europäer mehr die Augen zumachen darf, außer er wollte in die Fratze der eigenen Geschichte schauen."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Die Fakten
Das 'S' zum Schutz der Serben hat in Pristina auf keiner einzigen Tür geprangt. Auch nicht in den Katakomben unter den Stadiontribünen, wo Serben das KZ betrieben haben sollen. Hierher hat sich höchstens mal ein Weitschuß der Fußballjugend verirrt. Vielleicht rauchten die Jungs nach dem Spiel hier unten ihre erste Zigarette, tranken heimlich Cola und Schnaps. Aber Rudolf Scharping berichtet sogar noch in seinem späteren Kriegstagebuch über den NATO-Einsatz im Kosovo von mehreren Tausend Leuten, die hier interniert gewesen seien. Und der deutsche Außenminister Joseph Fischer bemühte sogar mehrfach den Vergleich zwischen Serben und Nazis und rief zum Krieg mit den Worten: "Nie wieder Auschwitz!" Bis heute bleiben Joseph Fischer und Rudolf Scharping bei ihrer Darstellung.
Rudolf Scharping:
"Ich habe mich so geäußert, daß der Verdacht besteht, daß im Stadion von Pristina Menschen festgehalten werden. Das beruhte auf Zeugenaussagen, die sich bezogen auf entsprechende Internierung in den Gängen des Stadions, in den Geschäften, die unterhalb der Tribünen waren. Wir haben versucht, das aufzuklären. Bilder davon konnten wir nicht gewinnen. Aber die Zeugenaussagen standen."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Zeugen aus Pristina? Wenn einer etwas mitbekommen hat, dann müßte es Shaban Kelmendi gewesen sein, ein kosovarischer Politiker. Sein Haus liegt direkt am Stadion und während des Krieges hat er Pristina keinen Tag verlassen.
Shaban Kelmendi, Augenzeuge:
"Wie Sie sich selbst überzeugen können, blickt man von hier aus genau auf das Stadion. Man kann alles sehen. Es hat damals dort keinen einzigen Gefangenen oder eine Geisel gegeben. Das Stadion hat immer nur als Landeplatz für Helikopter gedient."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Und während er noch spricht, nähert sich von weitem ein Helikopter der KFOR, der internationalen Schutztruppe für das Kosovo, dem Stadion.
Shaban Kelmendi, Augenzeuge:
"Sie sehen ja, da landen immer nur Helikopter. Wie damals. Das haben wir alle hier sehen können. Die Helikopter landeten dort, und die Leute stiegen ein, Soldaten halt."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Das Fußballstadion von Pristina - ein Konzentrationslager, wie Rudolf Scharping es vollmundig verkündet hatte? Im besten Fall gutgläubig weitergetragene Propaganda, wahrscheinlich aber schlicht eine frei erfundene Gräuelgeschichte.
Heinz Loquai, General a. D. -OSZE:
"Hier muß ich mich wirklich beherrschen, weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist. Man muß sich als Deutscher schämen, daß deutsche Minister so etwas getan haben, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird vor Gericht zitiert, wenn er in derartigem Ausmaße Auschwitz verharmlost. Und daß ein deutscher Minister von KZs im Kosovo sprach, ist auf der gleichen Linie, denn KZs sind Einrichtungen einer bestimmten historischen Situation, nämlich der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland. Und ich finde es im Grunde genommen ungeheuerlich, daß gerade Deutsche diese Vergleiche gewählt haben."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Das "Massaker von Rugovo"
Rudolf Scharping (27.04.1999):
"Was wir Ihnen hier zeigen, ich hatte ja schon gesagt, man braucht starke Nerven, um solch grauenhafte Bilder überhaupt ertragen zu können, sie machen aber deutlich, mit welcher Brutalität das damals begonnen wurde und seither weitergegangen ist. Wenn Sie sich mal solche Fotos anschauen, dann werden sie auch sehr, sehr unschwer erkennen können, daß das in einem gewissen Umfang auch beweissichernd sein kann. Die Uniformen, die Sie da sehen, das sind Uniformen der serbischen Spezialpolizei. Das macht auch deutlich, daß Armeekräfte und Spezialpolizei, später dann auch im Fortgang nicht nur diese, sondern auch regelrechte Banden freigelassener Strafgefangener und anderer, an solchen Mordtaten beteiligt sind. Es sind erschütternde Bilder. Und ich muß mir große Mühe geben, das in einer Tonlage zu schildern, die nicht gewissermaßen zur Explosion führt."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
"Deshalb führen wir Krieg", titelten auch die Mainstream-Medien und veröffentlichten die Bilder Scharpings.
Die Fakten
Rugovo, ein kleines Bauerndorf im südlichen Kosovo. Im Krieg blieb der Ort weitgehend unzerstört. Jetzt zwei Jahre danach, wird die Ernte wieder eingebracht, normaler Bauern-Alltag. Und doch hat Rugovo für den Kosovo-Krieg eine besondere Bedeutung.
Begonnen hatte die Geschichte auf dem Bauernhof von Shefget Berisha. Eine Geschichte, die später im fernen Deutschland Schlagzeilen machte. Es war der 29. Januar 1999, zwei Monate vor Beginn der NATO-Luftangriffe. Plötzlich hörten die Nachbarn von Shefget Berisha Schüsse. Was war passiert?
Remzi Shala, Augenzeuge:
"Damals am 29. Januar ist folgendes passiert: Es war ein Freitag. Morgens kurz nach fünf ging es drüben im Haus meines Nachbarn Shefget Berisha los. Es waren Schüsse aus Maschinengewehren, drei oder vier Stunden lang. Wir waren wach geworden und hörten das alles, ja, erst nach drei oder vier Stunden hörte die Schießerei auf. So gegen zehn Uhr kam eine Gruppe Polizisten aus dieser Richtung dort auf uns zu. Mein Vater und ich haben sie gesehen. Als sie dann so ungefähr bis auf fünfzig, sechzig Meter an mich heran gekommen waren, blieb mir nur noch weg zu laufen. Ich lief weg in die andere Richtung."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Der zerschossene rote Kleinbus erinnerte noch 2001 an jenen Tag. Doch was war genau in Rugovo geschehen?
Die Experten Scharpings wußten es schon damals besser: Es war kein Massaker an Zivilisten. Aus dem geheimen Lagebericht:
"Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch. Am 29. Januar '99 wurden in Rugovo bei einem Gefecht 24 Kosovo-Albaner und ein serbischer Polizist getötet."
Also ein Gefecht unter Soldaten - kein Massaker an Zivilisten, wie der Verteidigungsminister behauptet? Die ARD präsentierte am 8. Februar 2001 Fernsehbilder, aufgenommen von einem westlichen Kamerateam unmittelbar nach den Ereignissen in Rugovo. Sie liefern Hinweise, wie es tatsächlich war: Gewehre neben toten Albanern, die angeblich Zivilisten waren. Die Toten tragen Militärstiefel. Sie haben Mitgliedsausweise der UCK und tragen deren Rangabzeichen. Doch wurden diese Bilder vielleicht arrangiert - von den Serben, und vor dem Eintreffen der westlichen Kamerateams?
Die ARD fragte Minister Scharping:
"Bei dem Beispiel Rugovo, auf welche Quellen haben Sie sich dabei berufen?"
Rudolf Scharping:
"Auf OSZE-Beobachter, die als erstes am Ort waren."
Frage:
"Waren diese Schilderungen, die damals gemacht worden sind zu den Vorgängen in Rugovo, aus ihrer Sicht heute korrekt und sind nach wie vor so gültig?"
Rudolf Scharping:
"Ja, die sind völlig korrekt."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Der erste OSZE-Beobachter vor Ort, das war - wie auf Bildmaterial unschwer zu erkennen ist - der deutsche Polizeibeamte Henning Hensch.
Henning Hensch, OSZE-Beobachter:
"In jedem Fall ist es richtig, daß der Verteidigungsminister noch am Tage der ersten Veröffentlichung, die ich selber auch gesehen habe in der Deutschen Welle, von mir darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, daß die Darstellung, die da abgelaufen ist, so nicht gewesen ist."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Sein offizieller Ermittlungsbericht zu Rugovo liefert ein klares Ergebnis: Kein Massaker an Zivilisten.
Henning Hensch:
"Am Tatort fanden wir einen roten Van, zerschossen, mit offenen Scheiben und insgesamt vierzehn Leichen in diesem Fahrzeug, und drei Leichen lagen außerhalb des Fahrzeuges. In der 'Garage‘ genannten Stallung auf der Rückseite der Farm befanden sich fünf UCK-Fighter in den typischen Uniformen, den dunkelblauen mit dunkelgrün oder grün eingefärbten Uniformen, die dort im zehn Zentimeter hohen Wasser lagen. Und dann ging es noch etwa 300 Meter weiter zu einem zweiten Tatort, an dem wir wiederum vier Leichen fanden, und darüber hinaus sind die Leichen, die der Verteidigungsminister zeigen ließ, dort von den serbischen Sicherheitsbehörden und von mir und meinen beiden russischen Kollegen abgelegt worden, weil wir sie von den verschiedenen Fundorten oder Tatorten zusammengesammelt hatten."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
So also entstanden diese Bilder einer angeblichen Exekution, die Minister Scharping präsentierte. Bilder, die mit den tatsächlichen Ereignissen nichts zu tun hatten.
Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:
"Es war auch ganz klar, daß das kein Massaker an der Zivilbevölkerung war, denn nach den OSZE-Berichten haben Kommandeure der UCK ja selbst gesagt, es seien Kämpfer für die große Sache der Albaner dort gestorben. Also zu einem Massaker hat es eigentlich der deutsche Verteidigungsminister dann interpretiert."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Der "Hufeisen-Plan"
Das Zitat
Rudolf Scharping (7.04.1999):
"Ich will Ihnen ausdrücklich auch für morgen ankündigen eine genaue Analyse dessen, was sich auf der Grundlage des Operationsplans Hufeisen in den Monaten seit Oktober 1998 im Kosovo vollzogen hat. Er zeigt sehr deutlich, daß in klar erkennbaren Abschnitten die jugoslawische Armee, die jugoslawische Staatspolizei begonnen hat, in der Zeit von Oktober bis zum Beginn der Verhandlungen in Rambouillet, die Vorbereitungen für die Vertreibung der Bevölkerung nicht nur zu treffen, sondern diese Vertreibung auch schon begonnen hat. Er zeigt im übrigen sehr deutlich das systematische und ebenso brutale wie mörderische Vorgehen, das seit Oktober 1998 geplant und seit Januar 1999 ins Werk gesetzt worden ist."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Der Hintergrund
New York, April 1999. Während Scharping von einem Massaker berichtet, das keines war, und von einem KZ, das es nie gab, war der Kosovo-Krieg weiter in vollem Gange. In Deutschland wie in den USA wurde für diesen Krieg Stimmung gemacht. Das war auch notwendig, denn der Krieg der NATO war völkerrechtswidrig: Nur die Vereinten Nationen mit Hauptquartier in New York hätten ein Mandat für den Angriff geben dürfen. Doch dieses Mandat hat es nie gegeben. Damals herrschte Hochbetrieb für das Wachpersonal der UNO. Immer neue Regierungsvertreter trafen im Hauptquartier der Vereinten Nationen ein, immer heftiger wurden die Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen.
April 1999. Bei den Vereinten Nationen wird um den Krieg gestritten. Zur gleichen Zeit fliegen NATO-Bomber bereits Angriff um Angriff, 6.000 mal - und immer ohne UN-Mandat. Ganz überraschend ist das nicht, denn bei den Vereinten Nationen kennt man nicht erst seit heute die amerikanische Regierungspolitik, und deren kaum verhüllte Geringschätzung der Vereinten Nationen. Bereits 1993 hatte US-Präsident Bill Clinton die Grundzüge dieser US-amerikanischen Außenpolitik in einem geheimen Regierungsdokument festgelegt. Der Titel: "Mit den Vereinten Nationen wenn möglich, ohne sie wenn nötig". "Die NATO", heißt es darin, "soll die Entscheidungskriterien für die UN festlegen und nicht umgekehrt". Der Kosovo-Einsatz ohne UN-Mandat - ein klarer Bruch des Völkerrechts. Der deutsche Verteidigungsminister hat ihn mitgetragen.
In dieser Zeit wurde der Kosovo-Krieg immer heftiger kritisiert - vor allem nachdem NATO-Flugzeuge die militärischen Ziele der Serben verfehlten und stattdessen versehentlich Flüchtlingstrecks angriffen. "Kollateralschäden" nennen dies die Militärs. Besonders in Deutschland wurde die Öffentlichkeit gegenüber der NATO-Politik nun spürbar kritischer.
Anfang April 1999 im NATO-Hauptquartier:
Jetzt ist Schadensbegrenzung gefragt.
Jamie Shea, NATO-Sprecher:
"Nach dem Angriff auf den Flüchtlingskonvoi bei Djakovica, dem ersten 'Unfall‘ des Krieges, fiel die öffentliche Zustimmung in vielen Ländern, auch in Deutschland, um 20 bis 25 Punkte. Wir mußten sechs Wochen hart arbeiten, um die öffentliche Meinung zurückzugewinnen.
Milosevic machte den Fehler, die Flüchtling aus dem Kosovo nach Albanien und Mazedonien zu treiben. An der Grenze waren Fernsehteams, die das Leiden filmten. Und so stellte sich die öffentliche Meinung wieder hinter die NATO."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Die TV-Aufnahmen, die der NATO-Sprecher Jamie Shea meint, und die den entscheidenden Fehler Milosevics' im Propagandakrieg dokumentieren, waren Bilder albanischer Flüchtlinge an der jugoslawisch-mazedonischen Grenze. Jeden Abend und in jeder Nachrichtensendung es im April 1999 zu sehen: Leid, Flucht und Vertreibung. Doch in Deutschland haben diese Bilder offenbar nicht ausgereicht. Jetzt hieß es: Von langer Hand hätten die Serben die Vertreibung dieser Menschen und die ethnische Säuberung des Kosovo geplant. Mord und Vertreibung im Kosovo erhielten einen Namen: "Operationsplan Hufeisen".
Die Fakten
Der angebliche Hufeisen-Plan sollte ein Operationsplan Milosovics' sein: wie ein Hufeisen umschließen serbische Truppen albanische Zivilisten und treiben sie aus dem Kosovo. Schon seit Januar 1999, also vor Beginn der NATO-Angriffe, seien die Serben "planmäßig" vorgegangen, hieß es in der Broschüre des Verteidigungsministeriums. Und zum Beleg ein Foto. Doch die Datenzeile weckt Zweifel, denn sie zeigt das Aufnahmedatum: April '99. Also erst nach Beginn der NATO-Luftangriffe - und schon deshalb ist das, was in Randubrava, dem Dorf auf dem Foto, geschah, kein Beweis für den Hufeisen-Plan.
Randubrava 2001. An den Krieg erinnert nur noch wenig. Wiederaufbau: Die Dachziegel, mit denen die Bewohner ihre zerstörten Häuser neu decken, hatte ihnen die deutsche Hilfsorganisation 'Cap Anamur' gespendet. Aber wurde das Dorf tatsächlich, wie Minister Scharping behauptete, bereits vor den NATO-Luftangriffen von den Serben überfallen und in Brand gesetzt? Und wurde die Zivilbevölkerung wirklich "planmäßig" von hier vertrieben? Dies hätte dann ein Indiz für die Echtheit des Hufeisen-Plans sein können.
Shaip Rexhepi, Augenzeuge:
"Die Bewohner haben das Dorf am 25. März nach den Luftangriffen der NATO verlassen. Abends gegen zwanzig Uhr haben wir den Befehl von der UCK erhalten, die Bevölkerung zu evakuieren. Am 26. März hat es keine Dorfbewohner mehr hier gegeben, wir hatten sie alle in das Dorf Mamush gebracht. Dann erst beschossen uns die Serben mit Granaten.
Wir waren UCK-Soldaten, wir haben uns verteidigt, aber es war unmöglich. Wir waren den Panzern und Kanonen gegenüber machtlos. Aber wir haben standgehalten so lange wir konnten. Hier aus meinem Dorf waren wir 85 UCK-Soldaten, aber es gab auch noch andere von außerhalb. Insgesamt waren wir hier 120 Soldaten von der vierten Kompanie der 129. Brigade der UCK."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Mit einer "planmäßigen" Vertreibung der Zivilbevölkerung hat das wenig zu tun. Hatte Verteidigungsminister Scharping in seiner Broschüre die Unwahrheit verbreitet?
Die ARD fragte Minister Scharping:
"Wie haben Sie sich darüber informiert, was in diesem Ort geschehen ist?"
Rudolf Scharping:
"Das sind Ergebnisse der Luftaufklärung, das ist ja nicht so schwer, entsprechende Bilder zu bekommen, jedenfalls solange sie keine geschlossene Wolkendecke haben. Im übrigen gibt es Zeugenaussagen, die man heranziehen kann, es gibt Menschen, die geflohen sind, es gibt andere, die zum Teil unter Lebensgefahr berichtet haben. Dazu gehörte in der Zeit vor dem Ausbruch der kriegerischen Maßnahmen auch das sehr vielfältige Informationsangebot, will ich‘s mal nennen, das über die unbewaffneten Beobachter der OSZE an uns herankam."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Doch nicht nur das Dorf Randubrava führt Rudolf Scharping in seiner Broschüre als Beweis für den Hufeisen-Plan an. Auch ein Dorf namens Sanhovici soll vor den NATO-Luftangriffen zerstört worden sein. Doch auch dieses Foto entstand später: im April '99, ebenfalls nach Kriegsbeginn.
Es gibt das Dorf aus der "Aufklärungs"-Broschüre des Verteidigungsministeriums tatsächlich. Allerdings heißt der Ort - wie die ARD recherchierte - nicht Sanhovici, sondern Petershtica. Noch 2001 waren die Spuren des Krieges zu sehen. Viele Häuser bis auf die Grundmauern niedergebrannt - es wird noch lange dauern, bis die rund hundert Bewohner ihr Dorf wieder aufgebaut haben. "Dankeschön", rufen Kinder auf deutsch. Auch hier stammt das Baumaterial von deutschen Hilfsorganisationen. In Petershtica wollten die Serben die Heimat dieser Dorfkinder auf eine besonders tückische Art und Weise für immer zerstören, so steht es in der Broschüre des Verteidigungsministeriums.
Zitat:
"Zunächst stellt man [also die Serben] eine brennende Kerze auf den Dachboden, und dann öffnet man im Keller den Gashahn..."
Auf diese Weise also sollen die Serben hier gewütet haben. Ihre Aktionen - so Scharping - seien keine Reaktion auf die Luftangriffe der NATO gewesen, sondern, so wörtlich, "von vornherein Teil der sogenannten Operation Hufeisen", also der planmäßigen Vernichtung vor Beginn der NATO-Bombardierung. Doch in Petershtica erinnert man sich völlig anders.
Fatmir Zymeri, Augenzeuge:
"Das war alles schon im Juni 1998 passiert. Damals waren da eine Menge Leute von der jugoslawischen Armee, die dort vom Dorf Zboc aus auf uns zu kamen. Aber wir hatten die Armee zurückgeschlagen. Dann hatten sie angefangen, uns mit schweren Waffen zu beschießen - vier Wochen lang. Es gab so gut wie keine Stelle mehr, wo keine Granate eingeschlagen war. So war es in diesem Ortsteil hier und im gesamten Dorf."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Die Zerstörungen also stammten bereits vom Juni 1998. Doch laut Scharping hatte Milosevic den sogenannten Hufeinsen-Plan erst ein halbes Jahr später, im Dezember 1998, entworfen. Und was war mit den Kerzen auf den Dachböden und dem Gashahn im Keller, von denen Scharping berichtete?
Fatmir Zymeri, Augenzeuge:
"Nein, so gerieten die Häuser in unserem Dorf nicht in Brand. Das passierte auf unterschiedliche Art und Weise, aber nicht so. Die wurden anders in Brand gesetzt. Die Häuser hatten durch Granatenbeschuß Feuer gefangen, diese Fälle gab es. Das geschah, als die Granaten ins Heu einschlugen, auf die Zäune und so. Auf gar keinen Fall aber durch solch eine Methode mit den Kerzen."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Wieder kein Beleg für den sogenannten Hufeisen-Plan. Wohl aber ein weiterer Beweis für Manipulation und Fälschung im Verteidigungsministerium.
Die ARD fragte Minister Scharping:
"Dieser letzte Ort (...): da war eine Bildunterschrift drunter, dort stand, die Serben kommen in Dörfer öffnen die Gashähne in den Kellern und stellen eine brennende Kerze auf den Dachboden. Es gibt Zweifel, daß diese Methode überhaupt funktioniert."
Rudolf Scharping:
"Welche Zweifel sind das denn?"
ARD:
"Wenn man in den Kellern den Gashahn aufdreht und oben eine Kerze hinstellt, das funktioniert nicht!"
Rudolf Scharping:
"Ja?"
ARD:
"Nein, funktioniert technisch überhaupt nicht, weder chemisch noch physisch noch überhaupt. Das weiß eigentlich jeder Oberbrandmeister. Es muß also eine Information sein, die entweder von den Zeugen, die ihnen zugetragen worden ist, nicht korrekt ist oder nicht geprüft worden ist."
Rudolf Scharping:
"Dann würde ich Ihnen raten, diesen Test noch einmal zu machen. Aber nicht mit einem Gashahn im Keller, sondern mit einer Flasche."
ARD:
"Ja, das ist das gleiche, das funktioniert beides nicht."
Rudolf Scharping:
"Ja...?"
(Wortwechsel in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Die ARD half dem Minister mit physikalischen Fakten nach. Gas ist schwerer als Luft. Auch der Minister hatte offenbar gemerkt, wie leicht solche Manipulationen und Lügen auffallen könnten, denn später fanden sich zwar noch die Abbildungen der beiden Dörfer, aber ohne die verräterischen Text- und Datenzeilen. In einer Neuauflage der Broschüre vom Mai 1999 waren sie entfernt worden.
Mai 1999, schon der zweite Kriegsmonat. Immer häufiger machten sich Tornado-Piloten der Bundeswehr bereit für den Angriff. Längst war bekannt, daß nicht nur militärische Ziele getroffen wurden, sondern auch zivile. Und die NATO setzte sowohl grausame Splitterbomben wie auch umstrittene Uranmunition im Kosovo ein. Trotz des unbeliebten und autoritären Regimes in Belgrad wurden in der deutschen Bevölkerung deshalb Zweifel immer stärker, ob der Einsatz der Kampfflugzeuge gerechtfertigt war. Der öffentliche Druck auf Rudolf Scharping wurde immer stärker. Denn entgegen seinen eigenen Ankündigungen blieb er stichhaltige Beweise für die Existenz des sogenannten Hufeisen-Plans schuldig.
Die ARD stellte noch einmal die Frage an Minister Scharping:
Was war denn nun mit dem Hufeisenplan?
Rudolf Scharping:
"Wir hatten geheimdienstliche Informationen, ich erhielt sie Anfang April 1999 über den Außenminister. Ich habe dann unsere Fachleute gebeten, nicht nur diese Informationen auszuwerten, sondern sie zu vergleichen mit den Erkenntnissen aus der elektronischen Aufklärung, also auch dem Abhören von Funkverkehr serbischer Einheiten und Paramilitärs. Das ist geschehen, und erst als dieser Abgleich gezeigt hat, daß die Informationen richtig sind, haben wir sie auch öffentlich verwendet."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Heinz Loquai, General a. D. - OSZE:
"Ich habe dann um ein Gespräch im Verteidigungsministerium nachgesucht, das habe ich bekommen, das war im November, und dort hat man mir gesagt, es habe kein 'Operationsplan Hufeisen‘ vorgelegen, sondern was man hatte, war eine Darstellung der Ereignisse, die im Kosovo abgelaufen sind, und diese Darstellung der Ereignisse konnte man aufgrund der OSZE-Berichte und anderer Berichte nachvollziehen. Aber es gab keinen 'Operationsplan Hufeisen‘, so jedenfalls die Fachleute im Verteidigungsministerium."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
Geflüchtete Kosovo-Albaner - Opfer der Serben? Aber nicht als Folge eines Vertreibungsplans mit Namen "Hufeisen". Der war schlicht eine Erfindung des deutschen Verteidigungsministeriums, Kriegspropaganda wie das angebliche KZ von Pristina oder das angebliche Massaker an Zivilisten in Rugovo. Das Elend der Flüchtlinge aber war auch eine Folge der NATO-Bombardierung. Vor dem politischen Scheitern eines Krieges im Kosovo war früh gewarnt worden - auch aus den Reihen der OSZE und des Militärs. Dennoch wollte die Bundesregierung deutsche Soldaten in diesen Krieg führen. Dafür mußte sie die Gunst der Öffentlichkeit gewinnen. Die vorgeblichen Kriegsziele der NATO wurden nicht erreicht. Was aus den Menschen wurde, war den MachtpolitikerInnen gleichgültig. Die verborgenen Ziele der NATO jedoch wurden erreicht
Heinz Loquai, General a. D.:
"Man hat in der Vergangenheit oft der deutschen Generalität den Vorwurf gemacht, daß sie dort auch geschwiegen habe, wo sie etwas hätte sagen sollen. Und ich wollte in dieser Situation etwas sagen und die Manipulation und Propaganda nicht als solche stehen lassen."
(in der Sendung der ARD vom 8.02.2001 dokumentiert)
In der Zeitschrift 'Spektrum der Wissenschaft' vom Januar 2000 finden sich folgende Angaben über die zivilen Kriegstoten ("Kollateralschäden") im Zeitraum April bis 14. Mai:
5. April
Eine Bombe trifft ein Wohnquartier in Aleksinac und tötet 12 Einwohner (nach serbischen Angaben 17)
12. April
Eine lasergesteuerte Bombe trifft auf einer Eisenbahnbrücke nahe Gredelica einen Personenzug (mindestens 10 Tote)
14. April
Nahe Djakovica wird ein Flüchtlingskonvoi mit Kosovaren angegriffen (75 Tote)
1. Mai
Nahe Luzane im Kosovo werden 40 Insassen eines Busses getötet, gleiches wiederholt sich am 3. Mai (20 Tote)
7. Mai
Vier Bomben des B-2-Bombers treffen die chinesische Botschaft in Belgrad (3 Tote)
14. Mai
Acht Streubomben sollen mindestens 50 Kosovaren getötet und 50 verwundet haben.
30. Mai
Ein Personenzug wird auf der Brücke bei der Kleinstadt Varvarin in Serbien von NATO-Bombern unter Beschuß genommen. Zehn Menschen kommen als "Kollateralschaden" ums Leben, ein große Anzahl wird verletzt. Video-Aufnahmen des Beschusses wurden von der NATO manipuliert.3
Eine Stellungnahme der serbischen Regierung vom 1. Juli 1999 listete detailliert die zivilen Schäden auf, die von NATO-Bomben verursacht worden sein sollen - darunter Dutzende von Schulen, Krankenhäusern und kulturellen Denkmälern. "Einige Tausend" Zivilisten seien getötet worden, mehr als 6000 verwundet. Die NATO machte keine Angaben zu den zivilen Opfern, ließ am Ende des Krieges aber verlauten, durch die Luftangriffe seien etwa 5000 jugoslawische Soldaten, Sonderpolizisten und Paramilitärs ums Leben gekommen und 10.000 verwundet worden. Die serbische Seite gab jedoch nur rund ein Zehntel davon an. Ein Journalist der Washington Post berichtete am 11. Juli 1999 von etwa 1600 zivilen und 1000 militärischen Opfern.
In Medienberichten war während des Kosovo-Krieges die Rede von einigen zehntausend bis zu hunderttausend Kosovo-Albaner, die von serbischen Einheiten getötet worden sein sollen. Nach Ende des Krieges nannte das britische Außenministerium die Zahl 11.000. Spanische Pathologen, die zahlreiche mutmaßliche Massengräber exhumierten, gehen von deutlich weniger getöteten Kosovo-Albanern aus; es sei nicht immer eindeutig, ob die Menschen von Serben getötet wurden, durch NATO-Bomben umkamen oder eines natürlichen Todes starben.
Nach einer Studie der Universität der Bundeswehr in München mußte die NATO während des Krieges für Munition und den Ersatz von militärischem Gerät etwa 11 Milliarden Mark aufwenden. Hinzu kämen die langfristigen Ausgaben für die Stationierung der KFOR-Truppen, die noch höher seien. Für "humanitäre Hilfsoperationen" wurden langfristig 15 Milliarden Mark veranschlagt. Diese Ausgaben sind verglichen mit den unmittelbaren Zerstörungen (26 Milliarden Mark) und den langfristigen volkswirtschaftlichen Schäden (36 Milliarden Mark) sowie den Wiederaufbaukosten vergleichsweise gering. Die serbische Regierung bezifferte die Schäden an der Infrastruktur auf 181 Milliarden Mark, westliche Wirtschaftsexperten nannten 75 Milliarden Mark. Das Wirtschaftsforschungsinstitut 'Economist Intelligence Unit' schätzt die Kosten Jugoslawiens alleine für das Jahr 1999 auf 111 Milliarden Mark. Für die Nachbarländer Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien und Rumänien geben Weltbank und Internationaler Währungsfonds 2,5 Milliarden Mark an.
Laut einem am 6. Mai 2004 veröffentlichten Bericht von 'amnesty international' hat die Präsenz internationaler Truppen und Organisationen im Kosovo in der Folge des Kosovo-Krieges bis dato zu einer Blüte von Frauenhandel und illegaler Sexindustrie in der Region geführt. In dem Bericht heißt es, viele Frauen und Mädchen würden in die Sklaverei verkauft. Sie würden bedroht, geschlagen, vergewaltigt, eingesperrt und in die Prostitution gezwungen. 'amnesty international' forderte die Interimsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK), die unter NATO-Mandat stehenden Militärkräfte (KFOR) und die Provisorische Selbstregierung im Kosovo auf, effektive Maßnahmen gegen den Frauenhandel zu ergreifen, die Rechte der Frauen zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. So deckt der Bericht insbesondere auf, daß deutsche KFOR-Soldaten regelmäßig Dienste von teilweise minderjährigen Zwangsprostituierten in Anspruch genommen haben. "Wir kritisieren, daß das Verteidigungsministerium bisher keine Untersuchungen angestrengt hat und die deutschen Soldaten bisher nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurden," sagte Jan Digel von 'amnesty international'.
Am 8. Juli 2004 veröffentlichte 'amnesty international' einen Bericht, wonach die UCK unter den Augen der UN Terror ausübt. "Auch fünf Jahre, nachdem KFOR und ZIVPOL die Kontrolle im Kosovo übernommen haben, sind Angehörige von Minderheiten ständig großer Gefahr ausgesetzt", sagte 'ai'-Europa-Referentin Imke Dierßen. Allein bei gewalttätigen Übergriffen im März 2004, die sich vor allem gegen Serben, die schon seit Generationen im Kosovo leben, richteten seien 19 Menschen getötet, fast 1000 verletzt und zahlreiche Häuser, Kirchen, christliche Klöster und öffentliche Einrichtungen zerstört worden. Über 4000 Menschen mußten fliehen. 'amnesty international' legte zudem einen wenig beachteten Bericht von UN-Generalsekretär Kofi Annan an den Sicherheitsrat vom 30. April 2004 der Öffentlichkeit vor, wonach der Angriff kosovoalbanischer Extremisten gegen serbische, Roma- und Ashkali-Gemeinden "organisiert, weitgefächert und gezielt" gewesen sei.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch:
Eine Regierung
von Lügnern und Gesetzesbrechern (11.02.2001)
Und der Minister starrt und stiert
stern (Heft 8/ 2001)
2 Siehe hierzu auch:
"Es war dieses Bild,
das die Welt in Alarmbereitschaft versetzte" (28.02.2000)
3 Siehe hierzu auch:
Muß "Rot-Grün" für die Getöteten zahlen?
Das Bonner Landgericht und die NATO-Bomben von Varvarin
(15.10.03)