In fünfzig spanischen Städten gingen Zehntausende auf die Straße, um gegen den "Ausverkauf des Landes" zu protestieren. Spanien steht nach Irland, Griechenland und Portugal vor der Staatspleite. Die regierende pseudo-sozialistische Partei PSOE versucht im Auftrag des internationalen Kapitals eine Politik der Kürzungen und des Sozialabbaus durchzusetzen. Die konkurrierende als konservativ firmierende zweite große spanische Partei PP wird von immer mehr SpanierInnen als ebenso korrupt wahrgenommen. Die von unten organisierten Proteste fordern nach dem Vorbild der nordafrikanischen Demokratie-Bewegungen: "Democracia real ya!" (Reale Demokratie jetzt!)
Am Sonntag, 15. Mai, gingen nach einem im Internet verbreiteten Aufruf in Madrid, Barcelona, Valencia und insgesamt rund fünfzig Städten die Menschen auf die Straße. Allein in Barcelona waren es nach Angaben der VeranstalterInnen über 15.000 DemonstrantInnen. Die beiden etablierten Parteien PSOE und PP sind von der großen Resonanz dieses Protestes kurz vor den Regionalwahlen völlig überrascht worden. Beide stehen für die "Alternativlosigkeit der Sparmaßnahmen". Die protestierenden SpanierInnen sehen sich als “mercancías en manos de políticos y banqueros” (Handelswaren in den Händen der Politiker und Bankster).
Hier das Manifest der Bewegung in einer deutschen Übersetzung:
Democracia real ya!
Reale Demokratie jetzt!
Wir sind einfache Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden morgen aufstehen, um zu studieren, zu arbeiten oder einen Job zu suchen, Menschen mit Familie und FreundInnen. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denen um uns herum eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Manche von uns betrachten sich selbst als fortschrittlich, andere als konservativ. Manche von uns sind religiös, manche nicht. Manche von uns haben eine klar definierte Weltanschauung, andere sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend wegen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aussichten, die wir um uns herum wahrnehmen: Korruption unter PolitikerInnen, Geschäftsleuten und Bankiers macht uns hilflos und sprachlos.
Diese Situation wurde zur Normalität, zu einer täglichen Plage ohne Hoffnung. Aber wenn wir unsere Kräfte vereinen, können wir das ändern. Es ist Zeit für Veränderung, Zeit gemeinsam eine neue Gesellschaft aufzubauen. Deshalb fordern wir mit aller Kraft:
- Vorrangig in einer modernen Gesellschaft müssen Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung sein, Wohlstand und Glück der Menschen.
- Dies sind die unverzichtbaren Wahrheiten, die wir in unserer Gesellschaft befolgen sollten: Das Recht auf eine Wohnung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, poilitische Teilhabe, freie Entfaltung der Persönlichkeit und die VerbraucherInnen-Rechte auf gesundes und glückliches Leben.
- Regierung und Wirtschaftssystem nehmen im gegenwärtigen Zustand keine Rücksicht auf diese Rechte und behindern in vielerlei Hinsicht den menschlichen Fortschritt.
- Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), was bedeutet, daß die Regierung aus uns allen besteht. Dennoch hört die Mehrheit der politischen Klasse in Spanien uns nicht einmal zu. PolitikerInnen sollten unsere Stimme in die Institutionen tragen, die politische Teilhabe der BürgerInnen mit Hilfe direkter Kanäle erleichtern, die der gesamten Gesellschaft den größtmöglichen Nutzen ermöglichen, nicht, um reich zu werden und sich auf unsere Kosten breit zu machen und lediglich dem Diktat der führenden wirtschaftlichen Mächte zu dienen und diese an der Macht zu halten mit Hilfe eines Zweiparteien-Systems, das unter dem unveränderlichen Akronym PP & PSOE geführt wird.
- Die Gier nach Macht und deren Konzentration auf einige Wenige, schafft Ungleichheit, Spannung und Ungerechtigkeit, die zu Gewalt führt, die wir ablehnen. Das fadenscheinige und widernatürliche Wirtschaftsmodell treibt das gesellschaftliche Räderwerk an, das sich in einer aufsteigenden Spirale infolge der Bereicherung Weniger und der Verarmung der Übrigen selbst auffrißt. Bis zum Kollaps.
- Ziel und Zweck des gegenwärtigen Systems ist die Anhäufung von Geld ohne Rücksicht auf Effizienz oder das Wohl der Gesellschaft. Die Verschwendung von Ressourcen, die Zerstörung des Planeten, Arbeitslosigkeit und unglückliche VerbraucherInnen sind die Folge.
- Die BürgerInnen bilden die Elemente des Räderwerks, das nur dazu konstruiert ist, eine Minderheit reich zu machen und unsere Bedürfnisse nicht zu beachten. Wir sind anonym, aber ohne uns würde all dies nicht existieren, weil wir die Welt bewegen.
- Wenn wir als Gesellschaft lernen, unsere Zukunft nicht einer abstrakten Wirtschaft anzuvertrauen, die den meisten von uns niemals von Nutzen ist, können wir die Last, unter der wir alle leiden, abwerfen.
- Eine ethische Revolution ist notwendig. Statt das Geld über den Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unseren Dienst stellen. Wir sind Menschen, keine Produkte. Ich bin kein Produkt dessen, was ich kaufe, warum ich es kaufe oder von wem ich es kaufe.
Aus all den genannten Gründen bin ich empört.
Ich bin der Ansicht, daß ich es ändern kann.
Ich bin der Ansicht, daß ich dabei helfen kann.
Ich weiß, daß wir es gemeinsam können. Ich bin der Ansicht, daß ich dabei helfen kann.
Ich weiß, daß wir es gemeinsam können.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Die Dreckschleudern der Nation
PolitikerInnen und ihre Dienstlimousinen (18.04.11)
...völlig desillusioniert
von Wahlen (12.09.09)
AKW-Laufzeitverlängerung in Spanien
"Sozialistischer" Regierungs-Chef Zapatero
bricht Wahl-Versprechen (3.07.09)
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Greenpeace ortet Radioaktivität bei Tarragona (8.04.08)
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immer weniger (30.12.06)
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den europäischen Wirtschafts-Crash aus? (3.07.04)