Gericht entscheidet für Versammlungsfreiheit
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen hat im Rechtsstreit um den für 13. Februar angekündigten Aufmarsch von Neonazis aus Anlaß des 65. Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten gegen die Stadt Dresden entschieden. Die Auflage der Stadt, den Neonazis aus "Sicherheitsgründen" lediglich eine stationäre Kundgebung zu erlauben, sei rechtswidrig.
So ist nun damit zu rechnen, daß mehrere tausend Neonazis aus ganz Europa am kommenden Samstag durch Dresden marschieren. Ein Verbot der von der rechtsextremen 'Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland' (JLO) angemeldeten Demonstrationszugs durch Dresden verstößt nach Ansicht der RichterInnen gegen die vom Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit. Das OVG bestätigte damit weitgehend einen zuvor ergangenen Beschluß des Verwaltungsgerichts Dresden, gegen den die Stadt Beschwerde eingelegt hatte. Allerdings bleibt es bei der von der Stadt verfügten Beschränkung des rechtsextremen Aufmarsches auf die Zeit zwischen 12 und 17 Uhr. Zugleich räumten die RichterInnen ein, daß die Dresdener Stadtverwaltung die Kundgebungsroute kürzen oder ändern darf, falls dies notwendig sei, um Zusammenstöße zwischen Neonazis und GegendemontrantInnen zu vermeiden.
Die Dresdener Stadtverwaltung hatte ihre Auflagen vor allem mit der "Wahrung der öffentlichen Sicherheit" begründet. Das OVG räumte zwar ein, daß die Polizei angesichts der rund 28 angemeldeten Veranstaltungen vor einer besonderen Herausforderung stehe. Einen "polizeilichen Notstand" habe die Stadtverwaltung aber nicht glaubhaft machen können. Sie könne durch eine Änderung der Aufmarschroute dafür sorgen, daß gewalttätige Auseinandersetzungen mit GegendemonstrantInnen verhindert werden, argumentierten die RichterInnen.
Sowohl das Bündnis 'Dresden Nazifrei' und antifaschistische Initiativen als auch Konservative und Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) haben zu Protesten und Blockaden gegen den Aufmarsch der Neonazis aufgerufen. Zudem wollen tausende BürgerInnen mit einer Menschenkette an die Zerstörung der Stadt erinnern und zugleich ein Zeichen gegen die Neonazis setzen. Die Polizei hat angekündigt, mit einem Großaufgebot vor Ort zu sein, um Zusammenstöße von Neonazis und GegendemonstrantInnen zu verhindern. Die Polizei wurde eigens mit neuen Pfefferkugel-Pistolen aufgerüstet. Im Zentrum der Schutzbemühungen der Polizei steht offenbar die Menschenkette, zu der die Oberbürgermeisterin aufrief: Die Kette soll mitten durch die Innenstadt führen. Stadtsprecher Kai Schulz meint, garantieren zu können, daß "hier alles friedlich sein wird". Zudem sollen StaatsanwältInnen am Samstag vor Ort eingesetzt werden, um möglichen Straftaten sofort nachzugehen.
Seit Wochen mobilisieren Neonazis für ihren Aufmarsch am 13. Februar in der sächsischen Landeshauptstadt. Sie wollen damit die verbrecherischen Bombenangriff der Alliierten für ihre Ideologie instrumentalisieren. Bei vier aufeinander folgenden nächtlichen Angriffswellen vom 13. bis 15. Februar 1945 wurden rund 60 Prozent des Stadtgebietes durch britische und US-amerikanische Bomber schwer beschädigt und über 20.000 Menschen - weit überwiegend ZivilistInnen - ermordet. Dieses Verbrechen kann auch nicht durch den Verweis auf die Tatsache relativiert werden, daß Nazideutschland mit dem Bombenterror auf britische Städte begonnen hatte.
Bereits in den vergangenen Wochen hat sich die staatliche Repression offenbar ausschließlich auf die GegendemontrantInnen konzentriert. Unter dem Vorwand, es handele sich um einen Aufruf zu Straftaten, wurden in Berlin und Dresden Hausdurchsuchungen vorgenommen und Plakate und Flugblätter mit einem Aufruf zur Blockade beschlagnahmt. (Siehe unseren Artikel v. 27.01.10) Mittlerweile wurde offenbar auch Druck auf Busunternehmen ausgeübt. Vom Bündnis 'Dresden Nazifrei' bereits gebuchte Busse wurden abgesagt und Ersatz-Busse mußten von den OrganisatorInnen auf die Schnelle gebucht werden. Auch bei der Anreise nach Dresden ist mit staatlichen Behinderungen zu rechnen: Allein 2.500 BeamtInnen sollen dafür eingesetzt werden, um die Anreisenden zu durchsuchen.
Nach dem aktuellen Urteil des Sächsische OVG gilt die "Versammlungsfreiheit" offenbar nur für die Neonazis und nicht für die GegendemonstrantInnen. Diese dürfen lediglich stationäre Kundgebungen in Dresden abhalten - und dies auch nur an bestimmten, von der Stadtverwaltung vorgeschriebenen Orten.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Neonazi-Aufmarsch am 13. Februar in Dresden
Bündnis hält an Blockadeaufruf fest (27.01.10)
Ohne V-Leute würde NPD zusammenbrechen
Baden-Württembergs Innenminister Rech plaudert (8.03.09)
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