Fischers Praktiken waren illegal
Gleich die erste Sitzung des Visa-Untersuchungsausschusses des Bundestages brachte Sensationelles zu Tage. Nicht der mit dem Namen des "grünen" Ex-Staatssekretärs Ludger Volmer verknüpfte Erlaß des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2000, sondern bereits zwei Erlasse vom 2. September 1999 und vom 15. Oktober 1999 begründeten die illegale Vergabe-Praxis der besonders in den GUS-Staaten beliebten Visa.
Bei langatmigen Referaten hatte sich zunächst die bei Untersuchungsausschüssen übliche bleierne Müdigkeit breitgemacht. Drei Sachverständige, Oberverwaltungsrichter Joachim Teipel, Oberamtsrat Reinhard Böckmann vom Auswärtigen Amt und der frühere Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium Olaf Reermann interpretierten den "Volmer-Erlaß" der Länge und Breite nach. Teipel mochte zwar eine gewisse "Lockerung des Verfahrens" erkennen, hob aber hervor, daß dieser Erlaß an den Regeln, was vor der Ausstellung eines Visums geprüft werden müsse, nichts geändert habe. Reermann wollte weitschweifig letztlich nicht mehr bekunden, als daß das Innenministerium "stets mißtrauisch" gewesen sei und sich mit "Magengrimmen" ins Unvermeidliche gefügt habe. Es wurde dargelegt, welche Arten von Visa es gibt, nationale und Schengen-Visa für Kerneuorpa. Weiter wurde durchgehechelt, was "eigentlich" alles vorgelegt werden muß, um ein Visa zu erhalten: Der Zweck der Reise muß schriftlich benannt werden, die finanzielle Sicherheiten muß dargelegt, das heißt die eigene Bonität oder die der Gastgeber nachgewiesen werden, Belege dafür beigebracht werden, daß er oder sie bereit ist zurückzukehren und eine Krankenversicherung muß bestätigt sein. An die Stelle einer Krankenversicherung und eines Belegs für die Rückkehrbereitschaft trat in den 90er Jahren unter der Kohl-Regierung das so genannte Carnet de Touriste in Form einer beim ADAC abzuschließenden Versicherung.
Doch dann brachte ein "gelber" Hinterbänkler, Hellmuth Königshaus, mit einer entscheidenden Frage das wohldosierte Unbehagen zum Entgleisen. Als letzter Redner wollte er von den Fachleuten wissen, welche Änderungen in der Visa-Vergabe durch die beiden Erlasse von 1999 zustande gekommen seien. Bis dahin hatte sich aus den Referaten der Sachverständigen herauskristallisiert, daß Reiseschutz- versicherungen die übrigen Prüfungen nicht hätten ersetzen dürfen.
Eine solche bis zu diesem Zeitpunkt der Untersuchungen nur vermutete Ersetzung der Prüfungen war im Erlaß vom 3. März 2000 nicht angewiesen worden. Nun stellte sich heraus, daß mit dem Erlaß vom 2. September 1999 vom Außenamt verfügt worden war, daß "eine nicht vorhandene Bonitätsprüfung des Antragstellers oder seines Einladers in Deutschland" nicht zur Ablehnung des Antrages führen dürfe. Und im zweiten Erlaß vom 15. Oktober heißt es wörtlich, wenn ein 'Carnet de Touriste' vorliege, sollte "im Regelfall" auf alle weiteren Prüfungen verzichtet werden.
Als dies verlesen war, wollten sich die Sachverständigen zunächst als "sprachlos" zu erkennen geben. Teipel erklärte sodann, wenn dies zuträfe, habe die damit verfügte Visa-Praxis gegen deutsches und europäisches Recht vestoßen. Klar ist ebenfalls, daß diese Praxis nicht vor 2002 beendet wurde. Und so fragte Königshaus bei Außenamtsmitarbeiter Böckmann nach, ob also drei Jahre lang in rechtswidriger Erlaß gegolten habe. Der wand sich und sprach: "Ich kann dem nicht widersprechen."
Adriana Ascoli
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel
Fischers Visa-Affäre spitzt sich zu
Brief vom Außenminister höchstselbst vom April 2000
(16.02.05)
Joseph Fischers final flight?
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(14.02.05)
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