Der Gentech-Konzern BASF darf vorerst die in Mecklenburg-Vorpommern geernteten Gen-Kartoffeln der Sorte Amflora nicht verwenden. Landes-"Umwelt"-Minister Till Backhaus war gezwungen, dieses Verwertungs-Verbot auszusprechen, weil die Vermischung zweier Gen-Kartoffel-Sorten auf BASF-Feldern in Schweden und Tschechien entdeckt worden war. Dies nur durch Zufall, weil die Gen-Konstrukte sich in der Blütenfarbe unterscheiden.
Beim Anbau in Schweden unterlief BASF offenbar eine "Panne". Auf dem Feld, auf dem ausschließlich die genmanipulierte Kartoffel-Sorte Amflora angebaut werden sollte, fanden sich zugleich Kartoffeln der nicht zugelassene Gen-Sorte Amadea. Wie bereits anderen Orts nachgewiesen, handhabt BASF die Trennung des Saatguts allzu lax. Nun kam auch Backhaus nicht länger darum herum zu konstatieren: "Mein Vertrauen in das Qualitätssicherungssystem der BASF ist stark erschüttert." Backhaus mußte gestern das Verbot aussprechen, die bei Zepkow (Müritzkreis) angebauten Gen-Kartoffeln in den Verkehr zu bringen. Die nach dem Gentechnik-Gesetz verordnete Sperre gelte solange, bis BASF zweifelsfrei belegen könne, daß die in Zepkow angebaute Gen-Kartoffel Amflora nicht mit der Sorte Amadea vermischt sei. Falls das mit einer Untersuchung von Proben betraute das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei eine Vermischung feststellt, muß die gesamte Ernte vernichtet werden.
Erst am Dienstag vergangener Woche hatte sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle höchstpersönlich mit Gumminstiefeln und dunkelblauem Anzug auf den Acker in Mecklenburg-Vorpommern begeben, um zusammen mit BASF-Führungskräften die Ernte der genmanipulierten Amflora-Kartoffeln zu feiern. Dabei gibt es längst konventionelle Kartoffel-Züchtungen, die spezielle Anforderungen der Industrie bei der Papier-, Beton- und Klebstoffproduktion ebenso gut wie Amflora erfüllen - und zudem ohne Risiko sind. Die verarbeitende Industrie hat schon vor Monaten signalisiert, daß sie - nicht zuletzt wegen der Ablehnung durch die Kundschaft - kein Interesse an der genmanipulierten Kartoffel Amflora hat. Dennoch versucht BASF seine Gen-Kartoffel, für die der Konzern bereits 1997 die Zulassung beantragte, diese nun mit prominenter Unterstützung populär zu machen.
UmweltschützerInnen befürchten, daß es ebenso wie in Schweden auch in Deutschland bereits zu einem Anbau der nicht zugelassenen genmanipulierten Amadea-Kartoffel gekommen ist. Auf einem Feld in Zepkow wurde auch Saatgut aus Schweden verwendet. Greenpeace zeigt sich in seinem Mißtrauen in die Zuverlässigkeit des Gentech-Konzerns BASF bestätigt.
BASF versucht dagegen die Vermischung herunterzuspielen. Die Gen-Kartoffeln der Sorte Amadea seien auf dem Feld in Schweden entfernt worden. Laut BASF hat die Verunreinigung weniger als 0,01 Prozent betragen. Zwischen 680.000 Amflora-Pflanzen seien gerade einmal 47 der Sorte Amadea gefunden worden. Nach Angaben des schwedischen Zentralamtes für Landwirtschaft war eine Fläche von mehreren 100 Hektar von der Vermischung betroffen.
Auch die EU-Kommission zeigt sich besorgt und verlangt zusammen mit den schwedischen Behörden von BASF bis 20. September Informationen, wie es zu der "Panne" kommen konnte. "Offensichtlich ist irgendwo ein Fehler gemacht worden", sagte ein Kommissionssprecher. Die Kommission wolle sicherstellen, "daß so etwas nicht noch einmal anderswo passieren kann." Am heutigen Mittwoch treffen sich VertreterInnen der Anbauländer und der EU-Kommission mit VertreterInnen der BASF-Tochter Plant Science. "Wir müssen unser Qualitätsmanagement in diesem Punkt verbessern", sagt Plant-Science-Sprecherin Mette Johansson. Der Chemiekonzern arbeite "mit Hochdruck" daran herauszufinden, warum sich das Amadea- und das Amflora-Saatgut vermischen konnten. Außerdem will BASF nach eigenen Angaben prüfen, ob die genmanipulierte Kartoffel-Sorte Amadea für den menschlichen Verzehr geeignet sei. Mit einer Markteinführung der Amadea rechnet das Unternehmen nach eigenen Angaben frühestens 2013/14.
KritikerInnen befürchten Gesundheitsrisiken, weil die Kartoffel auch Gene für Antibiotikaresistenzen enthält. Der Anbau stellt nach Ansicht von Greenpeace einen Verstoß gegen die EU-Freisetzungsrichtlinie dar. Seit 2004 dürfen keine Gen-Pflanzen mit gesundheitsgefährdenden Antibiotika-Resistenzgenen in Umlauf gebracht werden. Auch die mangelhafte Prüfung von ökologischen Risiken widerspricht der Richtlinie. Dennoch hat die EU-Kommission Amflora Anfang März für den Anbau und die Verwertung sowie für die Tierfütterung und - bis zu einem Verschmutzungsgrad von 0,9 Prozent - für Lebensmittel zugelassen. Rund um Bütow war Amflora über Jahre hinweg angeblich zu "Testzwecken" angebaut worden. 2009 war es - begleitet von heftigen Protesten - der einzige Anbaustandort bundesweit.
Immer wieder war es bereits in der Vergangenheit beim sogenannten Versuchs-Anbau der Gen-Kartoffel zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Auf abgeernteten Versuchs-Feldern in Bayern wurden herumliegende Kartoffeln genmanipulierter Sorten entdeckt. Die unkontrollierten Verbreitung der Sorte Amadea in Schweden bestätigt das Argument von KritikerInnen, daß eine Koexistenz beim Anbau von genmanipulierten Pflanzen nicht zu gewährleisten sei.
Laut einer Umfrage des Emnid-Instituts vom Januar 2010 lehnen 77 Prozent der Deutschen den Anbau von Amflora ab.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
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