Zufall oder Absicht?
Greenpeace und der ErzeugerInnen-Verband Bioland veröffentlichten gestern, Montag, das Ergebnis von Stichproben aus der Frühjahrserprobung: Mindestens sechs Prozent der Saatgutproben sind mit Gen-Mais kontaminiert. Es handelt sich überwiegend um Saatgut aus Ländern, in denen der Anbau von Gen-Mais nicht verboten ist.
In 13 Bundesländern wird jedes Frühjahr Mais-Saatgut auf Anteile von Gen-Mais untersucht. Bislang liegen erst aus neun Ländern die Ergebnisse vor: In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein- Westfalen, Thüringen, Schleswig-Holstein, Hessen und Brandenburg wurden die Behörden fündig. In 20 von insgesamt 386 Proben fand sich Gen-Mais.
Eine Probe aus Schleswig-Holstein enthielt zugleich vier Gen-Maislinien (Mon88017, Mon89034, Nk603 und Mon810). Diese sind in Deutschland nicht für den Anbau zugelassen. In Schleswig-Holstein waren zwei von sechs Proben mit Gen-Mais kontaminiert, in Nordrhein-Westfalen zwei von zwölf. Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben bislang noch keine Ergebnisse vorgelegt. In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen werden keine Untersuchungen durchgeführt.
In den vergangenen Jahren wurden die Ergebnisse der Untersuchungen des Saatgutes nicht selten erst dann veröffentlicht, wenn es bereits auf dem Markt war - zu spät, so Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. Selbst wenn die positiv getesteten Partien aus dem Handel genommen wurden, bleibt Importware riskant. Es wird nur stichprobenartig getestet, in Bayern beispielsweise nur sechs Prozent des gesamten Saatgutes. LandwirtInnen sollten Mais-Saaten erwerben, die in Deutschland vermehrt wurden und daher noch sicher vor genmanipulierten Einträgen sind. Nach wie vor gilt in Europa ein Reinheitsgebot für Saatgut.
Mit Blick auf die Häufung von Verunreinigungen in Saatgut fordern Greenpeace und Bioland umfassendere Kontrollen und frühzeitige Veröffentlichungen der Ergebnisse vor der Mais-Aussaat. "Verunreinigtes Saatgut kann dazu führen, daß sich Gen-Pflanzen unkontrolliert ausbreiten und in die Nahrungskette gelangen", sagte der Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. Die seit Jahren immer häufiger zu beobachtenden Befunde werfen die Frage auf, ob es sich bei den Vermischungen um Zufall oder Absicht handelt.
Von Gentechnik-KritikerInnen und von Umweltverbänden wird schon seit Jahren davor gewarnt, daß Gentech-Konzerne wie Monsanto im Verdacht stehen, gezielt Verunreinigungen mit von ihnen produzierten Gen-Pflanzen zu verbreiten. Die dahinter stehende Strategie ist offensichtlich: Wenn erreicht werden kann, daß sich im Erbgut herkömmlicher Sorten immer mehr genmanipuliertes Erbgut verbreitet, bricht der Widerstand gegen Agro-Gentechnik irgendwann zusammen. So deutet auch Vieles darauf hin, daß der über Jahre hinweg genehmigte sogenannte Versuchsanbau verschiedener Gen-Pflanzen nicht etwa wissenschaftlichen Zwecken dient, sondern der schleichenden, aber gezielten Gen-Kontamination herkömmlicher Nutzpflanzen. Seit mehr als sieben Jahren weisen UmweltschützerInnen darauf hin, daß die vielgepriesene "Koexistenz" nur ein vorgeschobenes Argument darstellt, um den Anbau von genmanipulierten Pflanzen durchzusetzen. Werden Gen-Pflanzen erst einmal angebaut, ist bereits nach wenigen Jahren keine Bio-Landwirtschaft und auch keine konventionelle Landwirtschaft ohne Gentechnik mehr möglich. "Die schleichende Verunreinigung von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen ist vollkommen inakzeptabel und widerspricht dem Prinzip der Wahlfreiheit", kritisierte Bioland-Präsident Thomas Dosch.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
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