Behörden spielen auf Zeit
Laut Gentechnik-Gesetz sind LandwirtInnen, die genmaipulierte Pflanzen anbauen, verpflichtet, die BesitzerInnen von nachbargrundstücken rechtzeitig vor der Aussaat über ihre Pläne zu informieren. Eine Gesetzeslücke besteht jedoch bei der Aussaat von Saatgut, das nur zu einem gewissen Teil mit Gen-Saatgut kontaminiert ist. Um die Verbreitung genmanipulierter Erbanlagen in natürlichen Pflanzen auszuschließen, müßte die kontaminierte Saat rechtzeitig vor der Blüte untergepfügt oder auf andere Weise unschädlich gemacht werden. Als nun im Mai ein Fall von gen-kontaminiertem Saatgut bekannt wurde, haben jedoch die Behörden der betroffenen Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine Ausnahmeregelung erlassen, wonach der kontaminierte Mais geerntet und danach in Biogas-Anlagen verwertet werden darf.1
Im Mai dieses Jahres hieß es zwar, die LandwirtInnen, die sich auf diese Sonderregelung einlassen wollen, sollten die BewirtschafterInnen benachbarter Maisfelder in einem Umkreis von 300 Metern über "die Situation" informieren. Ob dies in jedem Fall erfolgte, läßt sich jedoch mangels Transparenz nicht überprüfen. Der Druck in der Öffentlichkeit wuchs und der Verdacht drängte sich - angesichts verschiedener vergleichbarer Fälle - auf, daß mit Hilfe einer schleichenden Gen-Kontamination aller Mais-Sorten die von einer Mehrheit abgelehnte Agro-Gentechnik auf dem kalten Weg durchgesetzt werden soll. So spielt auch das Freiburger Regierungspräsidium, das schon mehrmals in der Vergangenheit durch Kungeleien mit der Gentech-Industrie aufgefallen war, auf Zeit und will erst in den nächsten Tagen jene Landwirtschaftsbetriebe informieren, auf deren Nachbaräckern aufgrund der Saatgutverunreinigung mit Gen-Mais NK603 kontaminierter Mais wächst.
Gen-kontaminierter Mais wächst mittlerweile auf rund 170 Hektar in den Landkreisen Emmendingen, Ortenau, Karlsruhe und Rhein-Neckar-Kreis betroffen. Zwischen natürlichen Maispflanzen gedeiht hier Mais der in Europa nicht zugelassenen Sorte NK603. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund (NABU) und die Öko-Anbau-Verbände Bioland und Demeter und kritisieren scharf die Verschleppungstaktik der Behörden.
"Über die Verschleppung der Information sind wir empört", erklärte BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. "Seit Ende April sind die Verunreinigungen bekannt." Spätestens seit Mitte Mai wissen die Behörden, welche Äcker von der Saatgutverunreinigung betroffen sind. Trotzdem wurden LandwirtInnen, ImkerInnen und Öffentlichkeit bis nach Beginn der Maisblüte im Unklaren gelassen. Verantwortungsbewusste Vorsorge sieht anders aus."
Bioland-Geschäftsführer Matthias Strobl ergänzt: "Der Mais NK603 ist bei uns verboten und gehört von Rechts wegen vernichtet. Daß die Landesregierung zuläßt, daß die genmanipulierten Pflanzen zur Blüte kommen und später in Biogas-Anlagen verarbeitet werden, ist schlimm genug. Daß nicht einmal die Nachbarn rechzeitig unterrichtet werden, bevor die Pollen fliegen und Bienen die Maispollen aufnehmen können, ist ein Skandal. Zumal die zehn Landwirte mit verunreinigtem Saatgut gegenüber dem Regierungspräsidium Tübingen schon vor Wochen schriftlich zusichern mussten, ihre Nachbarn informiert zu haben."
Bioland, BUND, Demeter und NABU fordern das Regierungspräsidium Tübingen und die Landesregierung erneut auf, die unverzügliche Vernichtung der kontaminierten Maisbestände anzuordnen und die betroffenen Flächen ohne Einschränkung öffentlich bekannt zu geben. "Die Lage der kontaminierten Maisfelder muß in einem großen Umkreis von mehreren Kilometern an die potenziell Betroffenen mitgeteilt werden und nicht nur an die direkten Nachbarn im Umkreis von 300 Metern.
Mais-Auskreuzungen können in mehr als 1000 Metern Abstand vorkommen, erläutert der Landesvorsitzende des Naturschutzbund (NABU) Dr. Andre Baumann. "Niemand kann Bienen vorschreiben, kontaminierten Maispollen nach 300 Metern Flug abzuwerfen, bevor sie mehrere Kilometer weiterfliegen. Und niemand kann dem Wind vorschreiben, nicht mehr zu wehen."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unseren Hintergrund-Artikel
Agro-Gentechnik
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1 Siehe auch unsere Artikel zum Thema
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