6.03.2007

Bienen-AIDS in den USA

Ist Gentechnik die Ursache?

In den USA bahnt sich eine Katastrophe an: Seit Herbst 2006 ist in bislang 24 US-Bundesstaaten ein massives Bienensterben zu verzeichnen. InkerInnen berichten vom Sterben zehntausender Bienenvölker und den größten Schäden seit Menschengedenken. Mehr als 70 Prozent ihrer Bestände an der Ostküste wurden seit Ende vergangenen Jahres vernichtet. An der Westküste sind es bis zu 60 Prozent. BienenwissenschaftlerInnen in den USA stehen vor einem Rätsel: Die beobachteten Symptome lassen sich bisher keiner bestimmten Ursache wie einem Krankheitserreger zuordnen. Zusammenbrechende Bienenkolonien verlieren innerhalb kurzer Zeit die Bienen, die zum Sterben ihren Kästen verlassen.

Zurückbleibende Bienen zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Bei den wenigen überlebenden Bienen, die nach dem Verschwinden ihrer Artgenossen noch in den Kästen gefunden wurden, wurden oft nahezu alle bekannten Bienenviren auf einmal nachweisen. Manche litten an fünf bis sechs Infektionen gleichzeitig und waren überdies von Pilzen befallen - für die Experten ein Hinweis, daß das Immunsystem der Insekten kollabierte. Die Bienenbrut ist dann dem Tod geweiht. US-BienenforscherInnen bezeichnen den Symptom-Komplex als Colony Collapse Disorder (CCD). "Äußerst alarmierend ist", so Diana Cox-Foster, Mitglied der CCD-Forschungsgruppe, daß das Sterben mit Symptomen einhergehe, "die so bisher noch nie beschrieben wurden". Offenbar bricht das Immunsystem der Bienen zusammen. Daher wird das Phänomen bereits als Bienen-AIDS bezeichnet.

Bemerkenswert ist zudem, daß die leeren Bienenkolonien samt Wabenbau und Honigvorrat nicht von Schadinsekten wie Wachsmotte oder Beutenkäfer aufgesucht werden, die sonst sofort zur Stelle sind, wenn ein Bienenvolk zu schwach ist, um sich zu verteidigen. Normalerweise werden die Honig- und Pollen-Vorräte von Kolonien, die etwa in kalten Wintern eingegangen sind, von Nachbarvölkern oder Parasiten ausgeraubt. "Das legt den Schluß nahe", so Cox-Foster, "daß da etwas Giftiges in den Kolonien ist, das die anderen fernhält."

Wenig bekannt ist selbst bei BienenwissenschaftlerInnen bislang eine Studie der Universität Jena aus den Jahren 2001 bis 2004. Die Thüringer Gruppe von WissenschaftlerInnen um Professor Hans-Hinrich Kaatz untersuchten, wie die Pollen des genmanipulierten BT-Mais auf Bienen wirken. Eine "toxische Wirkung von Bt-Mais auf gesunde Honigbienenvölker", so das Ergebnis der Studie, konnte zwar "nicht nachgewiesen werden". Doch als die Versuchsbienen im Anschluß an den Versuch zufällig von einem Parasiten befallen wurden, zeigte sich Erstaunliches: Bei den mit BT-Mais-Pollen gefütterten Bienen kam es, so die Jenaer Studie, zu einer deutlichen "Abnahme der Zahl an Bienen". Womöglich, so Professor Kaatz, habe das BT-Gift im Gen-Mais "die Darmoberfläche der Bienen verändert und die Bienen dadurch so geschwächt, daß der Weg für die Parasiten frei war - vielleicht aber war es auch umgekehrt, wir wissen es nicht".

Die Konzentration des BT-Giftes war im Versuch allerdings zehnmal höher als in BT-Mais-Pollen. Andererseits wurde das Gift den Bienen über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum von nur sechs Wochen verabreicht. Üblicherweise bleiben Fütterungsstudien auf noch kürzere Zeiträume beschränkt. Kaatz hätte das Phänomen gern weiter erforscht. Bezeichnenderweise fand sich keine Finanzierung. "Diejenigen, die das Geld haben, haben an solchen Forschungen kein Interesse", sagt der Professor, "und die, die daran Interesse haben, haben kein Geld."

Auf einer Tagung des Europäischen Berufsimkerbundes in Graz wurden Hinweise bekannt, nach denen ein ähnliches Phänomen wie in den USA auch in Indien - ebenfalls eines der Länder, in denen Gen-Pflanzen großflächig angebait werden - beobachtet wird.

Betroffen sind in den USA insbesondere große Imkereien, die auf die Bestäubung von Mandel- und Blaubeerplantagen sowie weiterer Kulturen spezialisiert sind. Diese Imkereien arbeiten mit bis zu 60.000 Völkern und überwintern in den warmen Südregionen der USA. Von den Überwinterungsquartieren aus brechen die Imker mit ihren Völkern dann auf und fahren die entsprechenden Plantagen zur Bestäubung an.

Der materielle Wert der Bestäubungsleistung, den die Bienenvölker für die Landwirtschaft erbringen, wird in den USA auf rund 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Auf dieser Leistung der Honigbienen beruht ein großer Teil des menschlichen Nahrungsangebots und darüber hinaus der Erhalt vieler weiterer Tier- und Pflanzenarten. Die 'New York Times' beziffert den durch Bienen-AIDS entstandenen wirtschaftlichen Schaden schon jetzt auf 14 Milliarden US-Dollar. WissenschaftlerInnen sprechen von einer "nationalen Katastrophe".

Ein Indiz, daß Gentechnik die Ursache des Bienen-AIDS ist, sehen ImkerInnen darin, daß in allen der betroffenen 24 US-Bundesstaaten ein großflächiger Anbau von genmanipulierten Pflanzen betrieben wird. Vorwiegend handelt es sich um Gen-Mais, der mit dem Insektengift BT ausgerüstet ist. Gen-Mais-Pollen wird - wenn auch in geringem Maß - von den Bienen als Eiweißquelle genutzt. In den USA werden bereits auf 40 Prozent aller Maisanbauflächen genmanipulierte Maissorten angebaut, überwiegend BT-Mais. In Deutschland beträgt der Anteil erst 0,06 Prozent und der Anbau beschränkt sich weitgehend auf Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg. Würde ein europaweites Gen-Moratorium eingehalten, könnte diese Entwicklung noch gestoppt werden.

Über 70 Prozent aller Blütenpflanzen werden von Bienen bestäubt. Ohne Bienen aber tragen sie keine Früchte mehr. Eine katastrophale Folge für die Welternährung. Bereits Albert Einstein schrieb über die Bedeutung der Bienen für die gesamte Nahrungskette: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr - keine Bestäubung mehr - keine Pflanzen mehr - keine Tiere mehr - keine Menschen mehr..."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Bienensterben
      nimmt bedrohliche Ausmaße an (30.05.03)

      Bienensterben zweite Stufe (6.06.03)

      Nach dem Bienensterben
      nun auch ein Rückgang bei den Hummeln (18.06.03)

      Bienentod durch Imidacloprid
      Bayer-Konzern verliert Prozeß (10.07.03)

      Bienensterben
      und noch ein Insektizid (14.08.03)

      Bayer und BASF
      wegen Bienensterben angeklagt (19.02.04)

      Gentech-Konzern Bayer
      in tiefroten Zahlen (27.03.04)

 

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