Droht Wiederholung der Seehofer-Farce?
Unmittelbar vor der anstehenden Aussaat gab Bundes- landwirtschaftsministerin Ilse Aigner heute (Dienstag) ein Verbot der Aussaat der genmanipulierten Maissorte MON 810 bekannt. Der US-Hersteller Monsanto will eine Klage gegen die Entscheidung prüfen.
Laut Aigner ist mit dem Anbauverbot auch jeder weitere Verkauf von Saatgut oder Mais der Sorte MON 810 in Deutschland untersagt. Dies ist allerdings lediglich auf der rechtlichen Grundlage erfolgt, daß die Genehmigung von MON 810 vorübergehend ruht. Die Bundesländer würden laut Aigner umgehend informiert und die Einhaltung des Verbots überwachen. Als Begründung des Verbots nannte Aigner die "Annahme, daß der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt." Laut dem Ministerium gibt es Risiken für bestimmte Schmetterlinge, Marienkäfer und Wasserorganismen. Diese Auffassung sei auch vom Bundesumweltministerium bestätigt worden.
Aigners Vorgänger als Bundeslandwirtschaftsminister, der jetzige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, hatte im Jahr 2007 ebenfalls kurzfristig ein Verbot der Aussaat von Gen-Mais MON 810 ausgesprochen.1 Nachdem jedoch MON 810 auf dem weitaus größte Teil der vorgesehenen Flächen ausgebracht war und schwerlich überprüft werden konnte, ob dies noch vor oder schon kurz nach dem Verbot geschehen war, wurde der Anbau im Jahr 2007 legalisiert. Diese Farce droht nun in diesem Jahr wiederholt zu werden.
Monsanto kündigte heute an, eine Klage schnellstmöglich zu prüfen. Die Dringlichkeit sei hoch, da die Aussaat kurz bevorstehe, sagte der Monsanto-Deutschland-Sprecher, Andreas Thierfelder. Könne der Mais nicht ausgesät werden, drohe ein Schaden in Millionenhöhe.
Gen-Mais der Sorte Mon 810 ist bislang die einzige genmanipulierte Pflanze, die in Europa zum kommerziellen Anbau zugelassen ist. In fünf EU-Staaten, darunter Österreich, Ungarn und Frankreich, ist die Aussaat von Gen-Mais schon seit längerem verboten. Als Reaktion auf das französische Verbot hat Monsanto die Regierung unter Nicolas Sarkozy verklagt. Ein Urteil steht noch aus. Im Falle Österreichs und Ungarns verzichtete der Konzern auf eine Klage - vermutlich weil der Markt dort zu klein ist.
Genmanipulierter Mais der Sorte MON 810 enthält ein Gen des üblicherweise im Boden vorkommenden Bakteriums Bacillus thuringiensis. Dieses Bakterium ist in der Lage, ein Gift zu bilden, das bestimmte Insektenlarven schädigt. Die genmanipulierte Pflanze wird so vor bestimmten Insekten und deren Larven geschützt, die in der Landwirtschaft als Schädlinge gelten.
In einer aktuellen Pressemitteilung der Umwelt-Organisation BUND weist deren Vorsitzender Hubert Weiger neben den Risiken von MON 810 für bestimmte Arten auch auf die Gefahr einer drohenden Abhängigkeit von den Saatgut-Unternehmen hin: "Ein Ausbringen von genverändertem Saatgut birgt unkalkulierbare wirtschaftliche Risiken für Landwirte und Imker. Letzteren wird ihr Honig gentechnisch verunreinigt, erstere geraten in eine wirtschaftliche Zwangslage, weil sie das Gen-Saatgut und zugleich die entsprechenden Pestizide von den Gentechnik-Konzernen kaufen müssen. Wer den Heilsversprechen der Gen-Saat-Hersteller auf den Leim geht und genverändertes Saatgut ausbringt, schadet der Landwirtschaft in
Deutschland."
Weiger erinnert daran, daß über 70 Prozent der VerbraucherInnen Gentechnik im Essen lehnen. Aus guten Gründen, so Weiger: "Gentechnisch verändertes Saatgut breitet sich unkontrolliert aus, gefährdet nachweislich Natur und Tierwelt und bedroht die Existenz von landwirtschaftlichen Betrieben, die gentechnikfrei arbeiten wollen. Frau Aigner hat dem Druck großer Gentechnik-Unternehmen nicht nachgegeben und in letzter Minute vor der Aussaat das Anbauverbot für MON 810 verhängt. Wir erkennen dies an und erwarten nun, daß sie konsequent bleibt und sich auf Brüsseler Ebene klar gegen die Zulassung
anderer gentechnisch veränderter Pflanzen ausspricht."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu:
Verbot von Gen-Mais MON 810
Folge des Augsburger Gerichtsurteils? (20.05.07)
Siehe auch unsere Artikel zum Thema
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