Resistenz-Gen: nicht berücksichtigt
Alternativen aus konventioneller Züchtung: nicht berücksichtigt
Die umstrittene vom deutschen Chemie-Konzern BASF entwickelte genmanipulierte Kartoffel-Sorte Amflora wurde heute von der EU-Kommission für die industrielle Anwendungen und als Futtermittel zugelassen. Damit genehmigt sie erstmals seit 1998 wieder den Anbau einer genmanipulierten Pflanze in der EU und bricht ein de facto mehr als zehn Jahre bestehendes Moratorium. Amflora enthält ein Antibiotika-Resistenz-Gen und birgt somit das Risiko, daß ein Antibiotikum gegen Tuberkulose unwirksam wird. In einer EU-Richtlinie von Ende 2004 war ausdrücklich festgelegt worden, daß in der EU keine genveränderten Pflanzen mehr angebaut werden dürfen, die gesundheitsbedenkliche Antibiotika-Resistenz-Gene enthalten.
Der BASF-Konzern bemühte sich bereits seit 13 Jahren um eine Zulassung für seine Industriekartoffel. Amflora produziert im Gegensatz zu herkömmlichen Kartoffelsorten kein Stärke-Gemisch, sondern ausschließlich Stärke in Form von Amylopektin. Diese Substanz wird als Rohstoff für technische Produkte wie Kleister oder Papier benötigt. Da eine Verunreinigung von normalen Lebens- und Futtermitteln mit Gen-Pflanzen niemals auszuschließen ist, hat das Unternehmen dafür die Zulassung gleich mitbeantragt. Es ist ausdrücklich vorgesehen, daß Abfallprodukte aus der Stärkegewinnung als Futtermittel verwertet werden.
Sowohl die Weltgesundheitsorganisation WHO als auch die Europäische Arzneimittelbehörde EFSA hatten das Risiko erkannt, daß Amflora die Wirksamkeit bestimmter Medikamente einschränken könnte, die gegen Tuberkulose eingesetzt werden. Zwei Gutachter der EFSA hatten im vergangenen Sommer vor den gesundheitlichen Risiken gewarnt.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert die Zulassung der Gen-Kartoffel Amflora durch die Brüsseler EU-Kommission in scharfer Form. BUND-Vorsitzender Hubert Weiger sprach von einem "politischen Kniefall vor der BASF". Der BUND hatte bereits in der Vergangenheit nachgewiesen, daß es infolge unsachgemäßer - aber wohl so beabsichtigter - Freilandversuche mit Amflora in Deutschland bereits Vermischungen mit normalen Kartoffeln gegeben hat. So habe ein die Amflora anbauender Landwirt in Mecklenburg-Vorpommern Aussaatflächen verwechselt. Daraufhin habe die BASF auf 20 Hektar Fläche die Knollen vernichten müssen. Nachgewiesen ist jedoch ebenfalls, daß es bereits mehrfach zu "Durchwuchs" kam. Dies bedeutet, daß auf abgeernteten Feldern trotz anderweitigem Anbau im Folgejahr erneut und entgegen den Behauptungen der Gentech-PropagandistInnen Knollen der Kartoffel-Sorte Amflora vorgefunden wurden.
"Vor den Risiken schließen sowohl die gentechnikverliebte Bundeskanzlerin als auch Agrarministerin Ilse Aigner die Augen", erklärte der Umweltschutz-Verband. "Die BASF-Manager haben ein Ziel erreicht. Für sie ist das ein Schritt zur Abschaffung der Gentechnikfreiheit in der Landwirtschaft. Wir setzen jetzt auf die Vernunft der Stärkeindustrie und der Bauern, Amflora nicht zu akzeptieren, zumal es konventionelle Alternativen gibt."
Für den BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger hat vor allem der neue EU-Kommissar John Dalli versagt: "Der für den Schutz der Gesundheit und der Verbraucher zuständige EU-Kommissar Dalli hat mit seiner ersten Amtshandlung einen schweren Fehler begangen. Der Weg der Gentech-Kartoffel vom Feld auf die Teller der europäischen Verbraucher ist viel zu kurz und die Risiken sind viel zu groß. Ein EU-Kommissar, der den Gesundheit- und Verbraucherschutz ernst nimmt, hätte gegen die Zulassung der Amflora stimmen müssen."
"Es ist schockierend, daß die neue Kommission mit dieser Entscheidung die erheblichen ökologischen und gesundheitlichen Risiken der umstrittenen Gen-Kartoffel ignoriert", kommentiert Martin Hofstetter von Greenpeace. Der Agrarökonom fürchtet, daß die Kommmission gegen den Willen einer breiten Öffentlichkeit und gegen alle guten Argumente einen neuen Pro-Gentechnikkurs einleiten will.
BASF-Vorstandsmitglied Stefan Marcinowski erklärte: "Wir hoffen, daß diese Entscheidung einen Meilenstein für weitere Innovationen zu Gunsten einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft in Europa darstellt." Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat angekündigt, nichts gegen die Zulassung zu unternehmen. Bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung hatte die "schwarz-gelbe" Regierung entgegen den früheren Beteuerungen des "CS"U-Ministerpräsidenten Horst Seehofer die Zulassung der Gen-Kartoffel Amflora unterstützt: " In der Landwirtschaftspolitik dominiert trotz der Bekenntnisse von Union und "F"DP zum ökologischen Landbau und zur Nachhaltigkeit eine industriefreundliche Politik. "Schwarz-Gelb" unterscheidet sich damit in keiner Weise von den vorangegangenen Regierungen in "schwarz-rot" und in "rot-grün".
Ebenso wenig wie das Resistenz-Risiko wurde von der EU-Kommission berücksichtigt, daß es mittlerweile zwei Kartoffel-Sorten aus konventioneller Züchtung gibt, die dieselben Anforderungen der Industrie erfüllen. Auch diese Kartoffel-Sorten enthalten ausschließlich die Stärke Amylopektin. Die Entscheidung der EU-Kommission ist also allein vor dem Hintergrund der politischen Macht des BASF-Konzerns erklärbar.
Das Meinungsforschungsinstitut Emnid hat im Auftrag von Greenpeace im Januar 2010 eine Umfrage durchgeführt, ob Ministerin Aigner den Anbau der Gen-Kartoffel Amflora verbieten sollte. 77 Prozent antworteten mit "ja", 17 Prozent mit "nein", 5 Prozent machten keine Angaben. Die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' empfiehlt daher dem BASF-Konzern, "die erst vor kurzem begonnene Akzeptanz-Kampagne für die grüne Gentechnik zu verstärken."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
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