An den Folgen des Nikotin-Konsums sterben zwar Jahr für Jahr weniger Menschen, weil er rückläufig ist. Dennoch sind dies jährlich rund 120.000 Tote. Die Droge Alkohol kostet jährlich rund 70.000 Menschen in Deutschland das Leben. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat ihr neues Jahrbuch in Berlin vorgelegt.
135 Liter an alkoholischen Getränken konsumieren Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Daran hat sich seit 2007 fast nichts geändert. 1,8 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig. Der Tabak-Verbrauch ging im Vergleich zu 2011 nur geringfügig um ein Prozent zurück. Dies ist auch nicht verwunderlich, da die Bundesregierungen - gleich welcher Couleur - nicht ernsthaft gegen diese Drogen vorgehen. Den zwei oder drei Millionen Euro für Aufklärungs-Kampagnen stehen jährlich hunderte Millionen Euro aus den Werbe-Etats der Alkohol- und Tabak-Konzerne gegenüber. Und mit diesen Konzernen wollte sich noch keine Bundesregierung ernsthaft anlegen.
Hinzu kommt, daß Absatz-Einbußen der Alkohol- und Tabak-Konzerne sinkende Steuer-Einnahmen nach sich ziehen würden. Daher ist unter Partei-PolitikerInnen immer noch ein Denken weit verbreitet wie es 28. Mai 2003 der damaliger "S"PD-Vorsitzender Franz Müntefering anläßlich einer bevorstehenden Erhöhung der Tabaksteuer versehentlich ausgeplauderte: "Ein einzelner großer Schritt kann zu einem Einbruch beim Zigarettenkonsum führen. Wird die Erhöhung aber auf drei Einzelschritte verteilt, ändert das nicht sehr viel am Verbrauchsverhalten." Tatsächlich verteilte die "rot-grüne" Bundesregierung daraufhin die geplante Erhöhung der Tabaksteuer auf drei zeitlich weit auseinanderliegende Stufen.
Dabei ist dieses Denken volkswirtschaftlicher Wahnsinn: Während der Staat auf der einen Seite jährlich rund 3,3 Milliarden Euro etwa an Steuern auf alkoholischen Getränken einnimmt, verursacht der Alkohol-Konsum auf der anderen Seite allein im Gesundheitssystem rund 26 Milliarden Euro an Kosten. Die Verluste an Menschenleben oder die bei Unfällen verursachten Kosten sind hierbei noch gar nicht einberechnet.
Damit haben die legalen Drogen Nikotin und Alkohol weitaus mehr negative Folgen als die illegalen. Dennoch hat die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler auf einer Bundespressekonferenz am 17.04. - zumindest verbal - eine Kehrwende um 180 Grad vollzogen. Während ihre VorgängerInnen - wenn auch ohne konkrete Konsequenzen - wenigstens noch die weitaus bedeutenderen Sucht-Probleme, Nikotin, Alkohol, Psychopharmaka, Spielsucht, ansprachen, redete Mortler nur über Heroin und Crystal Meth, über Tote infolge illegaler Drogen und Fahndungserfolge von Zoll und Polizei. Eine Warnung vor Cannabis durfte da auch nicht fehlen.
Tatsächlich jedoch hat sich die Zahl der Heroin-Toten in Deutschland - Dank Aussteiger- und Substitutions-Programmen - seit dem Jahr 2000 halbiert und heute gibt es weniger Neueinsteiger als all die Jahre zuvor. Bei Crystal Meth, Amphetaminen und Extasy scheint es zwar eine Schwemme auf dem Drogenmarkt zu geben. Wenn die Bundesregierung jetzt im Sinne Mortlers jedoch auf verstärkte Reprssion setzt - was das Beisein des BKA-Chefs Jörg Zierke auf der Bundespressekonferenz unterstrich - wird sie diesem Trend nicht beikommen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Volksentscheid in Bayern:
Konsequentes Rauchverbot
gegen "Schwarz-Gelb" durchgesetzt (4.07.10)
Alkohol:
74.000 Tote pro Jahr (28.06.10)
Kiffen kann Schizophernie verursachen
Neue wissenschaftliche Ergebnisse (7.01.09)
Wer verursachte 1988 die Lockerbie-Katastrophe?
Zweifel an der Beteiligung des Libyers Ali al Megrahi
(21.12.08)
Heroin für die Welt
Afghanistan bricht unter US-Protektorat alle Rekorde (30.11.07)
Jugendalkoholismus, Existenzangst
und Klimakatastrophe (26.10.07)
Einbruch bei der Tabaksteuer
...maximal 7 Mrd. Euro
80 Milliarden Euro wurden verschenkt (6.09.04)
Cannabis: Schneller schwarze Lungen
Kein April-Scherz (1.04.04)
Tabak - Schlachten oder Melken?
(27.05.03)