Die Friedensbewegung nach dem NATO-Gipfel
"Bewegung am Boden"* schreibt die 'taz' nach den Protesten gegen den NATO-Gipfel in den vergangenen Tagen. Das ist sicherlich übertrieben. Aber ein Mißerfolg der Friedensbewegung ist nicht zu leugnen.
Von den Mainstream-Medien ist nichts besseres zu erwarten. Aber dennoch stellt sich die Frage, welche Fehler von Seiten der Friedensbewegung dazu beigetragen haben, daß sie sich eine solche "Berichterstattung" leisten können.
In der Friedensbewegung muß nun eine offene und transparente Diskussion geführt werden. Eine der entscheidenden Fragen dürfte dabei sein, ob es sinnvoll ist, weiterhin zu Protesten
gegen die Gipfel-Treffen von Politik oder Militär aufzurufen.
* Der Artikel der 'taz' ist im folgenden hier dokumentiert:
5.04.2009
Kümmerliche Proteste gegen G-20 und Nato
Bewegung am Boden
Die erhoffte große Protestwelle beim G-20-Gipfel in London und beim
Nato-Gipfel am Rhein blieb aus. "Ernüchternd" falle die Bilanz aus,
heißt es bei Attac. Was waren die Gründe?
VON FELIX LEE
Mindestens 40.000 sollten am 28. März in Berlin und Frankfurt am Main auf
die Straße gehen, um Druck auf den G-20-Weltfinanzgipfel in London
auszuüben. Es kamen - wenn überhaupt - 30.000. In London selbst lag die
Zahl während des Gipfels sogar gerade mal bei einem Fünftel dessen. Und
was vom Nato-Jubiläumsgipfel im öffentlichen Bewusstsein hängen bleibt,
sind allenfalls versprengte Protestierer in Baden-Baden und brennende
Häuser im Straßburger Armenviertel. Dass es auch friedliche
Demonstrationen mit etwa 16.000 TeilnehmerInnen gegeben hat, täuschte
nicht darüber hinweg, dass auch die Friedensaktivisten ihre selbst
gesteckten Ziele nicht erreichen konnten. "Von einem überschaubaren
Kreis", sprach Mitorganisator Monty Schädel, als zur Kundgebung am Freitag
in Baden-Baden statt der erwarteten "mindestens 5.000" gerade mal 600
erschienen.
Nato-Gipfel, G 20 und die großen Krisendemonstrationen: Es sollte die
Woche der Proteste werden. Die Globalisierungskritiker von Attac wollten
sich mit der Friedensbewegung zusammenschließen, radikale Antikapitalisten
mit den Gewerkschaften. Umweltverbände wollten ebenso dabei sein wie die
zum Teil kirchlich orientierten entwicklungspolitischen Initiativen. Vor
allem hatten sich die Aktivisten erhofft, dass in Krisenzeiten endlich
auch die Menschen auf die Straße gehen würden, die sonst nicht so häufig
anzutreffen sind: "Menschen aus der Mitte der Gesellschaft", wie es der
linke Politologe Peter Grottian nennt. Doch die Erwartungen der Aktivisten
wurden nicht erfüllt. "Ernüchternd" sei die Woche gewesen, sagt Peter Wahl
von Attac. Von einem "sehr, sehr bescheidenen Erfolg", spricht auch
Grottian.
Nun wird nach den Gründen gesucht. Dass die Dramatik der Krise für
viele Leute nach wie vor nicht spürbar ist, sei ein wesentlicher
Grund, sagte Wahl. Zugleich sei es ein Fehler gewesen, zu so vielen
Anlässen gleichzeitig zu mobilisieren. "Die Bewegungen haben sich
selbst überschätzt", sagt der Attac-Vordenker und findet es umso
wichtiger, "ein gutes Gespür dafür zu entwickeln, wie
mobilisierungsfähig die Menschen tatsächlich sind". Bewegungen könne man
nicht erzwingen, so Wahl.
Werner Rätz vom linken Attac-Flügel hingegen beteuert, dass er von
vornherein nicht mit "Massendemos" gerechnet habe. Beim Protest am
28. März sei es vor allem darum gegangen, die unterschiedlichen
Aktivisten zunächst zusammenzubringen. Dies sei auf den Demos am 28. März
durchaus gelungen. Einig sind sich Rätz, Wahl und Grottian darin, dass es
ein "Auftakt" gewesen sei. Bei den bereits vorgesehenen Protesten im Mai
könnte die Stimmung bereits eine andere sein.
Der Bewegungsforscher Roland Roth von der Universität Magdeburg ist
da skeptisch. Er spricht gar von einem "generellen Abgesang der
Mobilisierungsfähigkeit in Deutschland". Hierzulande gebe es in den
Betrieben eine lange Tradition der Sozialpartnerschaft. Die
derzeitige Krise zeige, dass Belegschaften und Unternehmer in
schlechten Zeiten enger zusammenrücken. "Man kann hier lange warten, bis
Manager in Geiselhaft genommen werden wie in Frankreich", so Roth. Und
auch Dauerthemen wie die Nato würden nach Ansicht des
Politikwissenschaftlers nur dann viele Menschen auf die Straße bringen,
wenn eine unmittelbare Bedrohung anstehe. "Ein Jubiläumsgipfel, an dem
nicht mal vorher klar ist, was auf der Tagesordnung steht, mobilisiert
gerade einmal den harten Kern."