Der US-amerikanische Journalist Seymour Hersh enthüllt in einem in Großbritannien veröffentlichten Artikel, daß US-Präsident Barack Obama Ende August Geheimdienst-Informationen vorlagen, die darauf hinwiesen: Auch die syrischen Aufständischen waren im August im Besitz von Giftgas.
In der Öffentlichkeit hatte es Obama hingegen so dargestellt, als könne er beweisen, daß der Giftgas-Einsatz bei Damaskus am 21. August vom syrischen Militär zu verantworten sei (Siehe unseren Artikel v. 31.08.13). Rußlands Präsident Wladimir Putin hatte damals umgehend geantwortet, er halte die Behauptung des Kollegen und Friedensnobelpreisträgers für "absoluten Unfug". Russische ExpertInnen hatten bereits eine Woche zuvor herausgefunden, daß einige Hinweise dafür sprechen, daß der Giftgas-Einsatz vom 21. August auf das Konto von Aufständischen ging (Siehe unseren Artikel v. 23.08.13). Und so forderte Putin Obama heraus, seine Beweise gegen das syrische Regime unter Baschar al-Assad der Weltöffentlichkeit vorzulegen. Obama war als Bluffer bloßgestellt.
Der bekannte Investigativ-Journalist Seymour Hersh ging nun der naheliegenden Frage nach, ob nicht auch die US-amerikanischen Geheimdienste Ende August im Besitz von Erkenntnissen waren, daß die syrischen Rebellen durchaus Zugang zu Giftgas besaßen. Und er wurde fündig. Schon in den Wochen vor dem Giftgas-Einsatz am 21. August hätten mehrere US-Geheimdienste in streng geheimen Berichten festgehalten, daß auch die in Syien kämpfende islamistische Al-Nusra-Front in den Besitz des Giftgases Sarin gelangt war, ja sogar die Produktionstechnik zur Herstellung von Sarin beherrschte und dieses "in Mengen produzieren" konnte. Als Quellen nennt Pulitzer-Preisträger Hersh ehemalige und aktive US-Geheimdienstler, die "sehr besorgt und mitunter verärgert" seien und Obama die Manipulation von Informationen vorwerfen. Obama wußte Ende August also sehr wohl bescheid.
Auch die damals in den Mainstream-Medien weiterverbreitete Story, wonach die Täterschaft am Giftgas-Einsatz durch ein abgehörtes Telefonat von Militärs der regulären syrischen Armee bewiesen sei, wird nun von Hersh als Fake entlarvt: Wie Hersh aus US-Geheimdienst-Quellen erfuhr konnte die NSA zu jener Zeit die militärische syrische Kommunikation nicht abhören. Zwischen dem 20. und 22. August habe es in den täglichen Briefings der US-Geheimdienste für Obama keine einzige Information über Syrien gegeben.
Und aus einigen Geheim-Dokumenten, die der Whistleblower Edward Snowden publik machte, geht hervor, daß die NSA seinerzeit auch die Kommunikation im Büro von Syriens Machthaber Baschar al-Assad nicht überwachen konnte. Es gab zwar zeitweilig Wanzen, die den US-Geheimdienst darüber informieren konnten, wann Sprengköpfe der syrischen Streitkräfte mit Giftgas befüllt würden. Doch ausgerechnet Ende August habe dieses System nicht mehr funktioniert. Hersh zieht daher den Vergleich, daß die Kriegs-Lügen von Barack Obama denen von George W. Bush, die im Januar und Februar 2003 den Irak-Krieg legitimieren sollten, in nichts nachstehen.
Seymour Hersh kritisiert auch die Mainstream-Medien in aller Härte: Diese hätten im August und September die Angaben der Obama-Administration unkritisch übernommen und dabei auch die Aussagen von WissenschaftlerInnen, die dem entgegenstanden, ausgeblendet. Hersh verweist etwa auf die beiden renommierte Experten Richard Lloyd und Theodore Postol. Als diese Anfang September eine Studie veröffentlichten, wonach am 21. August eine unerwartet hohe Menge des Giftgases Sarin eingesetzt wurde, berichtete die 'New York Times' ausführlich. Jüngst legte Postol, der am renommierten Massachusetts Institute of Technology lehrt, eine weitere Studie vor, wonach die bei dem Einsatz verwendeten Raketen "sehr wahrscheinlich" vor Ort hergestellt worden seien. Da dies der regierungsamtlichen Darstellung widersprach, habe die 'New York Times' - so Hershs Kritik - nicht eine Zeile über diese Untersuchung gedruckt.
Auch den aktuellen Artikel Hershs wollten die 'Washington Post' und das Magazin 'The New Yorker', beides Blätter für die der Journalist regelmäßig arbeitet, nicht drucken. Er wurde daher am gestrige Sonntag auf der Internet-Seite des 'London Review of Books' veröffentlicht. Dabei gehört Seymour Hersh zu den bekanntesten Investigativ-Journalisten der USA. 1969 deckte er das Massaker der US-Armee im vietnamesischen My Lai auf. Und 2004 schrieb der heute 76-Jährige als Erster über die Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Zuletzt warf Hersh der Obama-Administration vor, nach der Ermordung Osama Bin Ladens die Öffentlichkeit gezielt getäuscht zu haben: "Nicht ein einziges Wort" der offiziellen Verlautbarungen sei wahr.
Mitte Oktober konnte der bereits von US-Präsident Obama angekündigte Syrien-Krieg abgewendet werden (Siehe unsere Artikel v. 10.09. und 14.10.). Hersh schreibt hierzu, daß sich bei dieser Gelegenheit insgeheim auch höhere US-Militärs ihm gegenüber erleichtert gezeigt hätten.
Von Seiten der Obama-Administration wird die Darstellung Hershs dementiert.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
OPCW meldet: Alle C-Waffen-Anlagen
in Syrien zerstört (31.10.13)
Mord in Pakistan mit Drohnen
Amnesty-Bericht prangert Obama an (22.10.13)
Durchbruch in Genf
Einigung über C-Waffen-Abrüstung in Syrien (14.09.13)
Syrien: Putin weist Ausweg
Vernichtung der C-Waffen (10.09.13)
Syrien und G20
Obama als Bluffer bloßgestellt (7.09.13)
Obama kündigt militärische "Mission"
gegen Syrien an (31.08.13)
Syrien-Krieg rückt näher
Giftgas-Einsatz von Rebellen?
Kriegshetze aus Frankreich und 'taz' (23.08.13)
Rüstungs-Export gesteigert
Deutschland rüstet Golfregion auf (8.08.13)
Inszeniert Angriff vor
Stationierung von 'Patriots' in der Türkei? (17.03.13)
Krieg in Syrien
Demo gegen Einsatz deutscher 'Patriot'-Raketen (5.01.13)
Warlord Obama zündelt in Syrien
Vermittler Annan gibt auf (2.08.12)
Über 1000 Foltergefängnisse in Syrien?
Human Rights Watch liefert Kriegspropaganda (6.07.12)
Syrien...in 6 Monaten am Boden
Karikatur von Harm Bengen (1.07.12)
Syrien - Die nächste Runde der Eskalation?
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Gastbeitrag von Hakam Abdel-Hadi (2.04.12)
UN-Sicherheitsrat:
Friedensplan für Syrien (21.03.12)
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Libyen-Krieg beendet + Demokratisierung
gescheitert + Gaddafi tot + Erdöl okkupiert (20.10.11)