25.06.2003

Radioaktive Verseuchung
im Irak

Bereits im ersten Golfkrieg 1991 und ebenso im Kosovo-Krieg 1999 wurde vom US-amerikanischen Militär urangehärtete DU-Munition eingesetzt. Abgereichertes Uran (DU = depleted uranium) verleiht den Geschossen extrem hohe Durchschlagskraft, so daß sie für panzerbrechende Waffensysteme eingesetzt werden können1.

Im April 2003 wurde eine britische Studie veröffentlicht, die an Kriegsveteranen aus dem Golfkrieg 1991 vorgenommen worden war. Sie belegt, daß uranhaltige Munition ursächlich für dauerhafte Erbgutschädigungen ist2. Mindestens 60.000 ehemalige britische und US-amerikanische Soldaten werden von den Veteranenverbänden beider Länder als kontaminiert bezeichnet.

Überdurchschnittlich häufig auftretende Mißbildungen bei Kindern von Golfkriegsveteranen und bei den Kindern im Südirak sowie hohe Krebsraten der Veteranen haben die Wissenschaftler zu dieser Studie veranlaßt. Die auch im ZDF-Magazin 'ML Mona Lisa' vorgestellte Studie belegt eindeutig eine Schädigung der Chromosomen in den Blutzellen um das 7- bis 15-fache gegenüber der Normalbevölkerung. Diese Schäden, so die Studie, würden an die nächste Generation weitervererbt. Einer der Verfasser, Prof. Albrecht Schott, spricht in diesem Zusammenhang von einem "Kriegsverbrechen".

DU-Geschosse müßten als "Massenvernichtungswaffe angesehen werden, da unabsehbar ganze Generationen von Krankheiten und Mißbildungen betroffen sein werden." Noch in derselben Woche hatte der britische Rüstungsminister Adam Ingram die Anfrage des Labourabgeordneten Jeremy Corbyn im Unterhaus bezüglich einer Ächtung von DU-Munition mit der Behauptung abgewehrt, daß es bisher keinen wissenschaftlichen Beweis für die gesundheitsschädigende Wirkung von DU-Munition gäbe. Auch die Abteilung für Gesundheitsfragen des Pentagon teilte noch wenige Tage vor Ausstrahlung der 'ML Mona Lisa'-Sendung mit, bei Langzeituntersuchungen von Veteranen, die durch DU-Munition kontaminiert worden waren, seien "keinerlei Auswirkungen" festzustellen. Das Uran "werde vom Körper sehr schnell abgebaut".

Das britische Militär ebenso wie ein Vertreter des Pentagon räumten gegenüber dem ZDF ein, daß auch im Irak-Krieg wieder DU-Munition eingesetzt wurde. Eine Warnung an die irakische Bevölkerung, sich von beschossenen und dadurch kontaminierten Panzern fern zu halten, erging zu keinem Zeitpunkt. Die UNO hatte bereits 1996 und 1997 durch zwei Resolutionen dringend und zugleich vergeblich vor einem Einsatz von DU-Munition gewarnt.

Bereits Anfang April dieses Jahres3 erschien ein Artikel in der deutschen 'Ärzte Zeitung', worin ausgeführt wird: "Gefährlich könnten die Inkorporation durch Einatmen von Uranstaub und die Ingestion durch kontaminierte Nahrung oder verseuchtes Wasser sein. Das könne zu strahleninduzierten Krebserkrankungen wie Leukämie und zu Nieren- sowie Lungenschädigungen führen, befürchten Experten." Die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) haben mehrfach vor dem Einsatz uranhaltiger Munition gewarnt und die UN aufgefordert, sich für ein weltweites Verbot von DU-Munition einzusetzen. Das Inhalieren feiner Partikel sowie das Eindringen dieser Partikel in offene Wunden könne zu Krebserkrankungen führen.

Obwohl das britische Verteidigungsministerium, das Pentagon und die NATO eine Langzeitgefährdung durch DU-Munition nach wie vor abstreiten, empfehlen sie einem Bericht des britischen Senders BBC zufolge ihren Truppen, Schutzkleidung anzulegen, wenn sie Fahrzeuge untersuchen, die von uranhaltiger Munition zerstört worden sind. Auf der Web Site des britischen Verteidigungsministeriums heißt es wörtlich: "Wir erkennen an, daß unser Service-Personal einem kleinen Risiko durch DU-Staub ausgesetzt ist, wenn es ohne Schutzkleidung in der Nähe eines Fahrzeugs arbeitet, das kürzlich von DU-Munition getroffen worden ist."

Bei einer Untersuchung der Schlachtfelder des Bosnien- Krieges 1994 und 1995 durch das UN-Umweltprogramm UNEP wurde nachgewiesen, daß abgereichertes Uran bereits ins Grundwasser eingedrungen war. Trotzdem wurde bei der damaligen Untersuchung wie nicht anders zu erwarten jegliche Gesundheitsgefährdung verneint.

Im Juni (2003) haben nun Greenpeace-AktivistInnen die Besatzungstruppen im Irak mit der radioaktiven Verseuchung in der Umgebung der frühreren Nuklearanlage Tuwaitha bei Bagdad konfrontiert. Ein Fahrzeug-Konvoi mit weißer Flagge und Greenpeace-Bannern brachte einen Container für radioaktives Urangemisch, der nach Plünderungen auf öffentlichem Boden hinterlassen worden war, an seinen Ursprungsort zurück: zum größten Atomkomplex im Irak, der inzwischen von der US-Armee bewacht wird. Greenpeace fordert, zum Schutz der Menschen die radioaktive Verseuchung der Dörfer um die Atomanlage zu beseitigen. Daher müsse die US-Armee ihre Blockade der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aufgeben und ihr wieder uneingeschränkten Zugang ermöglichen. Doch dies würde unweigerlich auch zu Untersuchungen über die radioaktiven Verseuchungen durch DU-Munition führen.

WissenschaftlerInnen verschiedener Nationalitäten untersuchten mit Geigerzählern und anderen Geräten Mitte Juni das Umfeld von Tuwaitha 18 Kilometer südöstlich von Bagdad. In Tuwaitha lagerten bis zu Beginn des Itak-Krieges Uran und andere nukleare Stoffe, die seit dem Golfkrieg 1991 unter der Kontrolle der Vereinten Nationen waren. Der Komplex war nach dem Sturz des Regimes geplündert worden. Doch die Menschen wußten nichts über die Gefährlichkeit des verstreuten Materials und nutzten beispielsweise radioaktiv kontaminierte Fässer zur Aufbewahrung von Lebensmitteln. Die Strahlung gefährdet nun immer noch Zehntausende Menschen in der Region, obwohl die Katastrophe schon einige Wochen bekannt ist.

"Nichtsahnend entwendeten die Menschen radioaktives Pulver aus der Nuklearanlage, im Glauben, es sei Seife, oder sie nutzten strahlende Fässer als Trinkwasserbehälter", so Greenpeace-Sprecher Wolfgang Sadik vor Ort. "Würde so ein nukleares Desaster in einem westlichen Land passieren, wären hier schon Schwärme von Experten und Entsorgungsteams am Werk und die Menschen erhielten medizinische Hilfe."

Die von Greenpeace gemessenen Werte liegen zum Teil um das 1000-fache über internationalen Grenzwerten. In einem bewohnten Haus nahe der Anlage sind sie sogar 10.000 Mal höher. Auf dem Gelände einer Grundschule für 900 Kinder beträgt der Wert das 3000-fache. Die ExpertInnen fanden in den Dörfern und Feldern zahlreiche Teile mit dem international bekannten Warn-Zeichen für Radioaktivität.

Vor einem solchen Szenario hatte die IAEO noch im April gewarnt und von den Besatzungsmächten gefordert, die Kontrolle der Anlage so schnell wie möglich zu übernehmen. Erst am 21. Mai 2003, sechs Wochen nach Kriegsende, erlaubte die USA der IAEO, in den Irak zurückzukehren und zu prüfen, was in einem Teil der Anlage gestohlen worden war. Der Zugang zu den Bewohnern der Region und zu anderen Atomanlagen wird der IAEO jedoch nach wie vor verweigert. Mit dieser Weigerung verletzt die US-Armee die nach wie vor bestehende UN-Resolution 1441, die für die IAEO uneingeschränkten Zugang zu allen Anlagen fordert.

Wollte die USA Krieg gegen die Nation führen, die sich am wenigsten an internationales Recht hält, die am meisten Massenvernichtungswaffen hortet und die für den Weltfrieden die größte Gefahr darstellt, müßte sie gegen sich selbst Krieg führen.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen:

1 Abgereichertes Uran fällt bei der Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke an. Das natürlich vorkommende Schwermetall Uran besteht zu mehr als 99 Prozent aus dem nicht direkt spaltbaren Isotop Uran-238 und nur zu 0,7 Prozent aus dem spaltbaren Uran-235. Da die Brennstäbe in Kernkraftwerken aber mindestens drei bis vier Prozent Uran-235 enthalten müssen, muß das Isotop angereichert werden. Zurück bleibt abgereichertes Uran, das nur schwach strahlt. Geschosse aus abgereichertem Uran besitzen eine sehr hohe Durchschlagskraft: Die Explosion beim Aufprall auf einen Panzer tötet die Besatzung auf der Stelle, die metallenen Wände schmelzen oder verdampfen. Durch die unvermeidlich hohe Staubentwicklung wird abgereichertes Uran in großem Umkreis verteilt und gelangt über Atmung und Nahrungsaufnahme in den menschlichen Körper. Dort entwickelt es trotz der kurzen Reichweite der Strahlung durch Veränderung der Erbsubstanz ein hohes Gefahrenpotential.

2 Siehe auch unsere Artikel:
'Uran-Munition - die Massenmedien verschleiern und lügen mehr als daß sie informieren' v. 16.01.2001
Dokumentationen über:
- Auswirkungen durch Einsatz im 1. Golfkrieg
- Monitor-Sendung v. 22.04. 1999
- Artikel v. Dr. Ralf Cüppers v. 10.01.2001
- Artikel v. Dr. Ralf Cüppers, Teil 2 v. 5.02.2001
- Artikel v. Dr. Rolf Bertram v. 20.03.2001

3 Ärzte Zeitung, 03.04.2003

 

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