14.01.2005

Janssen (VW)
legt Bundestagsmandat nieder

Einblicke ins System

Bisher nahmen erst die beiden Bundestagsabgeordneten Hermann-Josef Arentz und Lorenz Meyer wegen Zahlungen vom Energie-Konzern RWE ihren Hut und die Liste1 wurde immer länger, ohne daß sich weitere zu Konsequenzen durchringen konnten. Heute nun legte der VW-Bundestagsabgeordnete Jann-Peter Janssen sein Mandat nieder, so die niedersächische SPD. Der 59-jährige Janssen, Vorsitzender des Tourismus-Ausschusses, gehörte dem Bundestag seit 1994 an. Laut Bundestags-Handbuch war Janssen bis 1996 Betriebsratschef des VW-Werks in Emden.

Bei Janssen ist die Situation denn auch ein wenig eindeutiger als bei anderen VW-Abgeordneten und -KommunalpolitikerInnen. In der heute veröffentlichten Erklärung heißt es Mitleid heischend, Janssen habe das Handtuch geworfen, wegen den "unterschliedlichen Interpretationen hinsichtlich der VW-Liste von Abgeordneten" und um seine Familie "nicht länger mit Spekulationen über seine Einkünfte belasten." Janssen hatte noch gestern gesagt, er habe seit 1994 von VW kein Gehalt bekommen. Heute veröffentlichte 'spiegel-online' jedoch, daß der Abgeordnete aus Ostfriesland bis Ende 2004 sehr wohl von seinem früheren Arbeitgeber bezahlt worden ist. Und nach Angaben von VW mußte er dafür keine Gegenleistung erbringen. Wie es um die angeblichen Tätigkeiten anderer Abgeordneter steht, die sich bisher beispielsweise mit Heimarbeit für ihre "Nebeneinkünfte" rechtfertigten, dürfte noch interessant werden.

Rund 80 Prozent der Deutschen sind nach Umfrage-Ergebnissen (Forsa: 86, ZDF-Politbarometer: 79) für eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Bundestagspräsident Thierse hingegen warnt vor "gläsernen Abgeordeten".

Daß die zahlenden Konzerne durchaus mehr als die übliche Mitarbeit erwarten, geht aus aktuellen Mitteilungen hervor. Seit 1990 existiert eine interne Richtlinie bei VW, die bei einem Wechsel von Beschäftigten in ein Parlaments-Mandat die "Fortzahlung der Bezüge" vorsah. Der VW-Konzern versprach sich davon, "mehr Sachverstand in die Parlamente" zu bekommen, so der frühere Personalchef Martin Posth. In der Richtlinie steht lediglich als Begründung, daß "bei Mandatsende eine reibungslose Reintegration in das Unternehmen gewährleistet ist". Damit ist allerdings ebenso gewährleistet, daß sich Abgeordnete nicht darum scheren müssen, wiedergewählt zu werden, wenn sie ihre Wahlversprechungen nicht einhalten und statt dessen Konzern-Politik betreiben.

Seit 1990, als Gerhard Schröder niedersächsischer Ministerpräsident wurde, gedieh die Beziehung zwischen SPD und VW zu einer wunderbaren Freundschaft. Der bei allen Erwerbslosen gut bekannte Personalchef Peter Hartz zählt seit langem zu den engsten Beratern des "roten" Kanzlers. Für "Regierungsbeziehungen" zeichnet bei VW Reinhold Kopp zuständig, der früher Chef der Staatskanzlei in Saarbrücken unter Oskar Lafontaine war. Im niedersächsischen Landtag wird der Filz von CDU- und FDP-Abgeordneten neidvoll als "System VW" bezeichnet.

Auch andere Konzerne betreiben die "politische Landschaftspflege" heute weniger mit den in Folge der Flick-Affaire in Verruch geratenen Parteispenden, sondern mit als "Nebenjob" getarnten Geld- zuwendungen an anpassungsfähige MandatsträgerInnen. Der Energie-Konzern RWE beispielsweise schüttet seine Geld- zuwendungen von insgesamt mehr als 600.000 Euro pro Jahr an eine ganze Reihe von Amts- und MandatsträgerInnen bis hinunter zur kommunalen Ebene aus. Wie RWE gegenüber der 'Berliner Zeitung' bestätigte, erhielten allein die Mitglieder der bei der Stromtochter RWE Energy angesiedelten Regionalbeiräte jährliche Zahlungen von jeweils 6.650 Euro.

Der "Bekanntmachung von Rechenschaftsberichten politischer Parteien" des Deutschen Bundestages zufolge (Drucksache 15/2800) spendete der Versicherungs-Konzern Allianz, Großaktionär der Atomkraftwerks-Betreiber RWE und E.on, im Kalenderjahr 2002 insgesamt 450.000 Euro an die Parteien (125.000 an die SPD, 125.000 an die CDU). Die Daimler-Chrysler AG bezahlte die Politik mit rund 500.000 Euro (davon 211.000 an die SPD und 150.000 an die CDU), die Deutsche Bank mit rund 360.000 Euro. Die Commerzbank spendierte im selben Jahr 400.000 Euro und die Dresdner Bank 11.000 Euro. Der zu DaimlerChrysler gehörende Rüstungskonzern EADS legte nochmals 44.000 Euro drauf (26.000 an die SPD und 18.000 an die CDU) und bekam umgekehrt von "Rot-Grün" Rüstungs-Aufträge in Milliardenhöhe. Der Panzerhersteller Rheinmetall DeTec zahlte 51.000 Euro an die Politik. Vom Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW kamen 129.000 Euro. Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, in dessen Präsidium unter anderem Siemens, EADS, Bosch, BMW, Audi, und MAN vertreten sind oder waren, zahlte 2002 sogar 1.200.000 Euro an CSU, FDP, Grüne und SPD (Stand 27.05.2003).

Nach dem Regierungswechsel 1998 wurde mit dem parteilosen Werner Müller sogar ein Manager des heutigen Atom-Konzerns E.on (damals VEBA) für "Rot-Grün" Wirtschaftsminister. Auch die ehemalige Vorstandssprecherin der "Grünen", Gunda Röstel, hatte im September 2000, nachdem der Atomkonsens unter Dach und Fach gewesen war, einen Managerposten bei der E.on-Tochter Gelsenwasser bekommen. Früher führende Leute der Atomaufsicht arbeiten heute ganz offen bei Atom-Konzernen.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen

1 Die Liste der bisher geouteten Abgeordneten mit "Nebenjob":

Hermann-Josef Arentz (RWE)
Laurenz Meyer (RWE)
Hans-HermannWendhausen (VW)
Ingolf Viereck (VW)
Ulrike Flach (Siemens)
Hans-Jürgen Uhl (VW)
Hildegard Müller (Dresdner Bank)
Jens Jordan (ThyssenKrupp)
... (Bayer)
Jürgen Creutzmann (BASF)
Rainer Funke (M. M. Warburg)
Jann-Peter Janssen (VW)
Günter Lenz (VW)
Hans Joachim Werner (VW)

Siehe auch unsere bisher zu diesem Thema veröffentlichten Artikel:

      Noch ein Bundestagsabgeordneter...
      ...mit "Nebenjob" bei einer Bank (10.01.05)

      Auch CDU-Präsidiumsmitglied... (7.01.05)

      ...und weitere Abgeordnete
      (30.12.04)

      Auch SPD-Abgeordnete lassen sich von Konzernen bezahlen
      (29.12.04)

      Laurenz Meyer scheibchenweise (22.12.04)

      Auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer... (10.12.04)

 

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