Mehr als 300 Produkte sind bereits auf dem deutschen Markt erhältlich, die - meist ohne Deklaration - Nano-Silber enthalten. Der gesamte Markt von Artikeln mit diversen Nano-Materialien ist kaum mehr abzuschätzen. Die Umweltschutz-Organisation Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) veröffentlichte heute eine kritische Studie mit dem Titel "Nanosilber, der Glanz täuscht". Zugleich richtete der BUND an die Bundesregierung die Forderung nach einem Vermarktungsverbot für alle "Alltagsprodukte mit Nano-Silber, solange die Risiken für Umwelt und Gesundheit ungeklärt" seien. Dabei sind erhebliche Schädigungen von Umwelt und Menschen längst nachgewiesen.
Der BUND zeigt in seiner aktuellen Stellungnahme auf, daß der Einsatz von Millionstel Millimeter kleinen Silber-Partikeln in immer mehr Alltagsprodukten die Wirkung des in der Medizin als wichtiges Antibiotikum verwendeten Silbers gefährdet. Die Hersteller vieler Produkte verwenden Nano-Silber unter anderem, um Keime abzutöten und so dafür zu sorgen, daß sich Lebensmittel länger frisch halten oder wenigsten appetitlich aussehen. Ein weiterer Anwendungsbereich sind beispielsweise Socken: Nano-Silber soll dabei helfen, daß sich in Kleidungsstücken kein unangenehmer Geruch bildet. Nano-Silber findet sich heute auch als Beschichtung von Frischhalteboxen, als Zusatz in Farben, in Kosmetika und Textilien.
"Wir halten die Keimfreiheit für eine Illusion und schätzen die Risiken von Nano-Silber als ernst ein", erklärte der BUND-Chemikalienexperte Heribert Wefers am Mittwoch in Berlin. Die massenhafte Verwendung könne zur Resistenzbildung von Bakterien führen. Nano-Teilchen, die tausendmal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares, können die Blut-Hirn- oder die Plazenta-Schranke überwinden und stehen im Verdacht, das Erbgut zu schädigen. In Tierversuchen löste Nano-Silber Schädigungen der Leber, Nerven und Lunge aus. Bereits vor drei Jahren wurden Menschen bei der Nutzung von Bad- und WC-Sprays mit Nano-Teilchen verletzt.
Die schwedische Mikrobiologin Asa Melhus warnt vor dem zunehmenden Einsatz von Nano-Silber in Alltagsprodukten wie etwa Textilien. Sie weist die Behauptung zahlreicher Hersteller, diese Produkte seien unschädlich, als beschönigend zurück. Die Wissenschaftlerin verweist auf mehrere bislang vorliegende Studien, in denen die Bildung von Resistenzen bei Bakterien infolge des Einsatzes von Nano-Silber nachgewiesen werden konnte. Melhus argumentiert, die Resistenzen gingen auf Änderungen in den Zellwänden der Erreger zurück sowie auf verbesserte Entgiftungsmechanismen der Zellen. Als eine weitere Folge dieser verbesserten Abwehr der Erreger verlören eine Reihe von herkömmlicher Antibiotika an Wirkung und die Zahl mehrfach resistenter Keime nehme zu.
Nano-Silber ist das häufigste Nano-Material, das bislang in Alltagsprodukten eingesetzt wird. Die VerbraucherInnen werden jedoch kaum darüber informiert, wo es überall es überall zum Einsatz kommt. In der Medizin hätten die Nano-Silberpartikel nach Ansicht des BUND-Experten durchaus ihre Berechtigung. Um die medizinische Wirkung zu erhalten, gelte es aber, Nano-Silber nicht in Alltagsprodukten einzusetzen. Wefers befürchtet zudem, daß Nano-Silber vermehrt in die Umwelt gelangt: "Im Abwasser kann es zur Schädigung der Kläranlagenbiologie führen." Nano-Silber im Klärschlamm würde dann im Weiteren zur Düngung in der Landwirtschaft eingesetzt und sich dort negativ auf die Bodenorganismen auswirken.
Bislang ist die Verwendung von Nano-Materialien nicht gesetzlich geregelt. Der Umgang mit Nano-Silber wird gehandhabt wie der mit Silber, obwohl sich die Stoffeigenschaften von Silber, das makroskopisch völlig ungefährlich ist, im Nano-Bereich drastisch verändern. Nach Ansicht des BUND müßte Nano-Silber wegen seiner antimikrobiellen Eigenschaften unter die Biozid-Richtlinie fallen. Diese sieht vor, daß neue Wirkstoffe von der EU geprüft und zugelassen werden. Doch auch hier wird nicht zwischen Silber und Nanosilber unterschieden. Die Richtlinie wird zur Zeit überarbeitet. Ob Nano-Materialien in Zukunft berücksichtigt werden, ist bislang offen.
"Die hohe biologische Mobilität von Nano-Partikeln und die damit verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt sind nur unzureichend erforscht," erklärt Heribert Wefers, BUND-Experte für Chemie und Nanotechnologie. Deshalb richtet der BUND die Forderung an die Bundesregierung, endlich zu handeln. "Es muß aufhören, daß die Hersteller mit unhaltbaren Versprechungen über die angeblich so tollen Eigenschaften von Nano-Materialien immer mehr riskante Produkte auf den Markt bringen." Solange die Unbedenklichkeit nicht erwiesen ist, rät Wefers VerbraucherInnen, Produkte mit Nano-Silber zu meiden: "Im Zweifelsfall gilt es, die Eigenschaften 'geruchs-hemmend', 'keimtötend' und 'anti-bakteriell' zu hinterfragen." Auch das Umweltbundesamt warnte in einer Studie vor dem großem Gefahrenpotential der Nanotechnologie. Es fordert eine Meldepflicht sowie eine Kennzeichnung von Nano-Produkten. (Siehe unseren Artikel v. 20.10.09)
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Zum Thema Nano-Technologie siehe auch unsere Artikel:
Großes Gefahrenpotential
Umweltbundesamt warnt vor Nanotechnologie (20.10.09)
Nano-Technik und Kosmetik
Europa-Parlament: Deklaration erst ab 2012 (24.03.09)
Nano-Partikel in Lebensmitteln
Bundesregierung verweigert Schutz der Bevölkerung (12.03.08)
Nano-Technologie
Eine neue Durchsetzungs-Strategie (18.12.07)
Nano-Technologie - Ebenso vielfältig wie gefährlich (10.06.07)
Warnung vor Nano-Technologie
Waschmaschine von Media Markt birgt Umweltgefährdung (13.10.06)
Nano-Technologie gefährlich
Verletzungen durch 'Magic'-Spray (4.04.06)