In seiner neuen Ausgabe erhebt der 'spiegel' schwere Vorwürfe gegen die Bahn AG. Diese habe über viele Jahre hin systematisch die Kosten für das Mega-Projekt heruntergerechnet. Nach den eigenen Vorgaben hätte das Unternehmen "Stuttgart 21" bereits im Jahr 2009 bei Überschreiten des Kosten-Limits in Höhe von 4,5 Milliarden Euro aufgeben müssen.
Derzeit versucht die Bahn AG durch gezieltes "Anfüttern" von ausgewählten JournalistInnen Stimmung zu machen. In den vergangenen Tagen erschien eine Vielzahl von Artikeln, die den Anschein erwecken, ein positives Ergebnis des "Stress-Tests" läge intern bereits vor. Verwunderlich wäre dies allerdings nicht, da dieser angebliche Stress-Test, der im vergangenen November als Trostpflaster nach einer für die Bahn AG optimal verlaufenen "Geißler-Schlichtung" verkauft wurde, entgegen der damaligen Ankündigung nicht von neutralen ExpertInnen, sondern in Eigenregie der Bahn AG durchgeführt wurde. (Siehe unseren Bericht vom 8. Februar) Das Ergebnis soll offiziell erst am 14. Juli mit ähnlich großem Medien-Aufwand wie bei der "Geißler-Schlichtung" der Öffentlichkeit präsentiert werden. So soll dieser "Live Act" mit Heiner Geißler etwa im TV-Sender Phoenix übertragen werden.
Gleichzeitig wird derzeit Stimmung gemacht, indem verschiedene Medien landesweite Umfrage-Ergebnisse veröffentlichen, wonach sich in Baden-Württemberg eine Mehrheit für den Weiterbau von "Stuttgart 21" ausspricht. Anfang September 2010 hatte das Meinungsforschungs-Institut Forsa das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht, wonach 51 Prozent der Baden-WürttembergerInnen gegen "Stuttgart 21" stimmten und lediglich 26 Prozent für das Projekt. Nach dieser Umfrage sprach sich in der Landeshauptstadt mit 67 Prozent sogar eine satte Zweidrittel-Mehrheit der Menschen gegen "Stuttgart 21" aus.
Nach den nun in der neuen 'spiegel'-Ausgabe veröffentlichten internen Berechnungen der Bahn AG hätte der Konzern bereits vor zwei Jahren das Mega-Projekt stoppen müssen. Die Bahn AG habe offenbar seit 2002 die Kosten für das umstrittene Projekt geschönt. Dies gehe aus Unterlagen der Deutsche-Bahn-Töchter DB Projektbau und DB Netz hervor, die dem Magazin vorlägen. Es handele sich dabei um Vermerke, Protokolle, Berechnungen, Präsentationen und Grafiken aus den Jahren 2002 bis 2010.
Laut 'spiegel' legen die Dokumente den Schluß nahe, daß bereits 2009 bahnintern die Kosten für den Bahnhofs-Umbau mit weit über 4,5 Milliarden Euro berechnet wurden. Damit hätte "Stuttgart 21" aber laut der eigenen Vorgaben der Bahn wegen Überschreiten des Kosten-Limits gestoppt werden müssen. Als Rüdiger Grube im April 2009 die Führung des Konzerns von Hartmut Mehdorn übernahm, verpaßte er offenbar den Zeitpunkt, zu dem das Mega-Projekt noch ohne Gesichtsverlust hätte aufgegeben werden können.
Schon vor dem Jahr 2009 habe die Bahn AG unter Hartmut Mehdorn laut 'spiegel' die Kosten gegenüber der Öffentlichkeit deutlich niedriger angegeben als intern errechnet. Dies gehe ebenfalls aus den dem 'spiegel' zugespielten Unterlagen hervor. Ende 2002 soll die Differenz 700 Millionen Euro betragen haben, im März 2005 bereits 1,3 Milliarden Euro. In der Öffentlichkeit veranschlagte die Bahn AG damals jedoch die Kosten für "Stuttgart 21" auf 2,8 Milliarden Euro, während die eigenen Finanzfachleute 4,1 Milliarden als realistisch einschätzten.
Erst vier Jahre später gab Bahn-Chef Rüdiger Grube 4,1 Milliarden Euro als zu erwartende Kosten bekannt. Laut Informationen des 'spiegel' überstiegen die internen Berechnungen zu diesem Zeitpunkt längst die 5-Milliarden-Marke.
Die Bahn AG bestreitet die Angaben des 'spiegel' vehement. Unterschiedliche interne Kostenschätzungen seien nichts Ungewöhnliches. Solche ergäben sich aus "unterschiedlichen, fortgeschrittenen Planungsständen".
Bei "Stuttgart 21" handelt es sich um ein Projekt, bei dem nicht nur der denkmalgeschützte Stuttgarter Hauptbahnhof teilweise abgerissen werden soll. Neben dem Bau eines 8-gleisigen unterirdischen Durchgangs-Bahnhofs im engen Stuttgarter Talkessel sind umfassende Tunnel-Arbeiten und eine völlige Neukonzipierung des Gleisknotenpunktes Teil der Planungen. Im vergangenen Jahr weitete sich der Protest in Stuttgart von Monat zu Monat aus, bis sich schließlich 110.000 Menschen im Oktober an einer Demonstration beteiligten. Die Bewegung gegen Stuttgart 21 konnte jedoch Mitte Oktober unter maßgeblicher Beteiligung der Pseudo-Grünen gespalten werden, indem eine Schlichtung inszeniert wurde.
Die im März gewählte neue "grün-rote" Landesregierung verzichtet auf jegliche effektiven Instrumente, um "Stuttgart 21" zu stoppen. Während die Bahn AG weiter baut, verkündet der pseudo-grüne Verkehrsminister Winfried Hermann, er bestehe darauf, daß das Kosten-Limit in Höhe von 4,5 Milliarden Euro eingehalten werde. In der Öffentlichkeit wird so der Eindruck erweckt, Hermann versuche alles, um einen Ausstieg aus dem Projekt zu erzwingen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß die Bahn AG eine Kostenüberschreitung einräumen wird.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
"Volksversammlung" zu Stuttgart 21
auf dem Markplatz
Minister Hermann ausgepfiffen (23.06.11)
Stuttgart 21
BUND stellt Eilantrag auf Bau-Stop (18.06.11)
IngenieurInnen: Weiterbau an Stuttgart 21
ist rechtswidrig (9.06.11)
"Stuttgart 21": Die Show
des neuen Verkehrsministers Winfried Hermann (12.05.11)
Bau-Stop selber machen
Aktions-Camp gegen "Stuttgart 21" (17.04.11)
Landtagswahl
Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)
Stuttgart 21
"Schlichterspruch" ad absurdum geführt
Stresstest einseitig aufgekündigt (8.02.11)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Stuttgart 21 - Schlichtung
oder schlicht Volksverdummung? (1.12.10)
Stuttgart 21 - MONITOR bestätigt Verdacht gegen Mappus
Direktive kam von oben (22.11.10)
stern: Erneut Millionenschwindel bei Stuttgart 21
"Schlichtung ist Verdummung" (17.11.10)
Stuttgart 21: Lug und Trug
Landesbeteiligung verfassungswidrig
"Käfer und Kammmolche" (16.11.10)
Stuttgart 21 - Neue Bäume
im gerodeten Teil des Schloßgartens (31.10.10)
Die Polizei: Dein Freund ...
... und Steinewerfer (18.10.10)
Stuttgart 21
Verrat der Funktionäre (15.10.10)
110.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
Merkel warnt vor "Unregierbarkeit" (9.10.10)
100.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
"Mappus muß weg!" (2.10.10)
Stuttgart 21 - "Mappus läuft Amok"
Hunderte Verletzte im Stuttgarter Schloßgarten (30.09.10)
Stuttgart 21
Stern enthüllt Chaos-Planung (29.09.10)
Weiter Zehntausende gegen Stuttgart 21
30 Festnahmen nach Demo (25.09.10)
69.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
Bahn-Chef Grube schließt höhere Kosten
für das Mega-Projekt nicht mehr aus (11.09.10)
Stuttgart 21: Polizei beendet Baumbesetzung
"S"PD plötzlich für Volksentscheid (7.09.10)
Stuttgart 21
Spaltungsversuch der Pseudo-Grünen gescheitert (6.09.10)
60.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
Baumbesetzung im Schloßgarten (3.09.10)
Forsa-Umfrage: Absolute Mehrheit gegen Stuttgart 21
Pseudo-Grüne versuchen Widerstand zu spalten
865 Millionen Euro neue Kosten für Ba-Wü (2.09.10)
Stuttgart 21 - 40.000 protestieren
Erster Durchbruch am Bauzaun gescheitert (27.08.10)
Stuttgart 21 - Abriß begonnen
Hilft nur noch Bauplatzbesetzung? (25.08.10)
30.000 protestieren:
"Stoppt Stuttgart 21" (21.08.10)
Millionen-Schmiergeld für Stuttgart 21?
'spiegel' berichtet über heimlichen Deal (16.08.10)
21.000 bei Menschenkette
gegen Stuttgart 21 (14.08.10)
Studie des Umweltbundesamtes
Stuttgart 21 provoziert Nadelöhr (12.08.10)
Immer mehr Menschen protestieren
16.000 gegen Stuttgart 21 (7.08.10)
Wachsender Protest gegen "Stuttgart 21"
Tausende legen Verkehr lahm (2.08.10)
Protestival der Parkschützer
Zehntausende gegen "Stuttgart 21" (10.07.10)
'stern' veröffentlicht geheime Studie
zu "Stuttgart 21" / Steilvorlage für GegnerInnen (8.07.10)
Europäische Nachbarn bauen Eisenbahn aus
In Deutschland wird das Schienennetz abgebaut (29.04.10)
Verkehrssicherheit
Bahn weit vor Konkurrenten (30.03.10)
'Robin-Wood'-Aktion gegen "Stuttgart 21"
"Stuttgart verscherzt es sich - Zug um Zug" (2.02.10)
Investitionen in Schienenverkehr:
BRD ist ganz hinten in der EU (21.01.10)