Bei einem europaweiten Vergleich der Investitionen in den Schienenverkehr findet sich Deutschland noch nach Italien auf einem der hintersten Plätze. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung, die von 'Allianz pro Schiene' und dem Beratungsunternehmen SCI Verkehr heute (Freitag) in Berlin vorgestellt wurde.
Die Pro-Kopf-Investition der öffentlichen Hand in die Schienen-Infrastruktur im Jahr 2008 zeigt im europäischen Vergleich deutliche Unterschiede:
Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) fallen die Zahlen noch drastischer aus: Die BRD liegt dann sogar deutlich unter dem Niveau von Schwellenländern: Während China 12,5 und Indien 4,7 Eurocent pro 1000 Euro BIP für die Schieneninfrastruktur ausgeben, sind es in Deutschland lediglich 1,5 Eurocent. Dirk Flege, Geschäftsführer von 'Allianz pro Schiene', kritisiert, daß der deutsche Sonderweg beim Verkehr geradewegs in die Sackgasse führe. "Die mächtige Autoindustrie sorgt hierzulande seit Jahrzehnten dafür, daß die Straßeninfrastruktur stets um ein Vielfaches besser ausgestattet wird als die Schiene", sagte Flege. Da diese Politik in Deutschland jedoch bereits unverändert unter "Rot-Grün" (1998 bis 2005) wie auch "Schwarz-Rot" (2005 bis 2009) verfolgt wurde, mutet es sonderbar an, daß Flege nun ausgerechnet von "Schwarz-Gelb" ein "energisches Umdenken" verlangt.
Während in fast allen Industriestaaten ein Paradigmenwechsel zu verzeichnen ist - mehr Förderung für die Schiene und weniger für die Straße - haben die deutschen Automobil-Konzerne die Politik offenbar fest im Griff. In Neuseeland wurde gar nach schlechten Erfahrungen mit der Privatisierung nach 1993 die Eisenbahn im Mai 2008 in staatlichen Besitz rücküberführt.
Aus der von 'Allianz pro Schiene' heute vorgelegten Untersuchung geht hervor, daß die Investitionen in die Schiene in fast allen untersuchten Ländern mittlerweile deutlich über den Ausgaben für den Fernstraßenbau und -ausbau liegen. In der BRD jedoch erreichten sie im vergangenen Jahr gerademal 77 Prozent.
Weiter geht aus öffentlich zugänglichen Statistiken hervor, daß offensichtlich kein mittel- oder langfristiges Konzept für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes existiert. Entsprechende Investitionen wurden je nach Kassenlage von Haushalt zu Haushalt neu beschlossen. So gab es in den Jahren 1996 und 97 Rückgänge gegenüber den jeweiligen Vorjahren um 21 bzw 24 Prozent, 1999 dann mal eine Steigerung um 245 Prozent und 2004 einen erneuten Einbruch um 21 Prozent. Auch bei den laufenden "Konjunkturprogrammen" fielen für die Schiene im Vergleich zur Straße nur Alibi-Beträge ab. So enthalten die als Hilfsmittel gegen die Weltwirtschaftskrise bereitgestellten Summen beispielsweise in Großbritannien 16 Milliarden Euro für die Bahninfrastruktur, in Deutschland dagen lediglich 1,2 Milliarden Euro.
Peter Mnich vom Institut für Bahntechnik an der TU Berlin befürchtet, daß die deutsche Bahnindustrie aufgrund dieser einseitigen Politik ihre Spitzenposition auf dem Weltmarkt bald einbüßen könnte. Noch partizipiere die deutsche Bahnindustrie sehr stark am Schienenverkehrs-Boom beispielsweise in China, doch mittelfristig drohe mangels innovativer Referenzprojekte die Technologieführerschaft verloren zu gehen. Wenn es kein Umsteuern gebe, werde Deutschland in einigen Jahren "wie ein Bahnmuseum aussehen", so Mnich.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
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