Neben Klima-Politik gehen auch soziale Inhalte über Bord
Im Koalitionsvertrag mit der "S"PD des Matthias Platzeck hat die Linkspartei nicht nur die vor der Wahl versprochene Klima-Politik verraten, sondern darüberhinaus weitere Wegmarken gesetzt. So weisen die nun vertretenen Positionen zum Lissabon-Vertrag, zur Elite-Förderung in Schulen und Universitäten, zum Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst und zur - auch klimapolitisch - gefährlichen CCS-Technologie in Richtung auf eine Anpassung der Linkspartei, um bis 2013 für eine "rot-rot-grüne" Bundesregierung kompatibel zu werden.
Wie wir bereits am 19. Oktober berichteten, hat die Linkspartei - für viele aus der brandenburger Umweltbewegung, die sich Illusionen hingaben, völlig überraschend - der weiteren Verstromung von Braunkohle zugestimmt. Obwohl bereits großflächig ganze Landschaften zerstört und von der Ausrottung bedrohte Arten dezimiert wurden, soll der Tagebau für viele Jahre ungebremst ausgedehnt werden. Mit dem Abbau von geschätzten 42 Millionen Tonnen Braunkohle aus Brandenburg sollen zukünftig die klimaschädlichsten Kraftwerke in ganz Europa weiter Strom produzieren.
Weiter ist im "rot-roten" Koalitionsvertrag zu lesen: "Brandenburg bekennt sich nachdrücklich zum Vertrag von Lissabon." Obwohl mit Sicherheit keine Abstimmung mehr im Bundesrat über den als Ersatz für die gescheiterte EU-Verfassung mit allen Tricks nun auch in Irland durchgepeitschten Vertrag zu erwarten ist, und eine Festlegung auf landespolitischer Ebene daher unnötig wäre, wurde dieser Geßlerhut aufgerichtet. Gerade gegenüber der Linkspartei wird eine "positive Haltung zu Europa" penetrant in den deutschen Mainstream-Medien angemahnt, wobei nicht ohne Bedacht stets von "Europa" geschrieben wird, wenn die bürokratische, undemokratische und auf Aufrüstung zielenden EU gemeint ist.
"Daher unterstützt die Landesregierung die universitäre und außeruniversitäre Spitzenforschung. Sie wird gemeinsam mit dem Bund Exzellenzcluster und Graduiertenschulen fördern," heißt es weiter im "rot-roten" Koalitionsvertrag. So wird nun in Brandenburg weiterhin auf Elitenförderung statt auf Breitenbildung gesetzt. Eine Reaktionärin wie Bundesforschungs- und Bildungsministerin Annette Schavan wird sich freuen.
20 Prozent der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sollen langfristig abgebaut werden: "Die Landesregierung wird so viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, daß der Personalbestand im Jahr 2014 bei 45.500 liegt. Für 2019 geht die Koalition von einer Zielzahl von 40.000 aus." Dabei fehlen in Brandenburg schon heute 50.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Die Landesverwaltung ist völlig unterbesetzt. Vielerorts werden insbesondere SozialpädagogInnen benötigt. Die Universitäten leiden unter Personalmangel. Die Betreuung von StudentInnen ist mangelhaft. In Brandenburg herrscht ein Mangel an qualifizierten SozialarbeiterInnen, um der zunehmenden Gefahr von Neo-Nazis entgegenwirken zu können. Auch die brandenburger Polizei ist chronisch unterbesetzt.
"Eine wichtige Option ist die CCS-Technologie. Die Koalition wird sich für eine Erprobung und Demonstration dieser Technologie in Brandenburg einsetzten." Bei der CCS-Technologie handelt es sich um den großtechnisch noch in der Modellphase steckenden Versuch, die längst überholten Kohlekraftwerke durch CO2-Abscheidung als klimaverträglich verkaufen zu können. Auch die beim Konzept von CCS enthaltene Option, das bei der Verbrennung anfallende klimaschädliche CO2 unterirdisch einzulagern, ist äußerst riskant. Auch hierbei soll - ähnlich wie bei der Atomenergie - das Risiko, daß die "Endlager" eines Tages undicht werden, zukünftigen Generationen aufgebürdet werden.
Einen Vorgeschmack, was an inhaltlichen Positionen der Linkspartei alles zur Disposition steht, lieferte deren thüringischer Landes-Chef Bodo Ramelow bereits Anfang Oktober. Vielen aus der Friedensbewegung gilt die Linkspartei inzwischen als einzige Garantin eines "politischen Pazifismus", der zumindest die Beteiligung an Angriffskriegen ausschlösse. Nun verblüffte Ramelow selbst SkeptikerInnen in der eigenen Partei als er - sicherlich unbeabsichtigt - bei einem Interview mit der Springer-Zeitung 'Welt am Sonntag' eine für Linke wohl auch heute noch außergewöhnliche Sichtweise verriet. Wenig neu für einen Spitzenpolitiker der Linken war, daß er die programmatische Position seiner Partei, einen sofortigen Abzug aus Afghanistan zu fordern, in Frage stellte. Schockierend jedoch war für so einige, wie emphatisch er sich in die Emotionen der damaligen US-Führung zum Ende des Vietnam-Kriegs hineinzuversetzen vermochte: "Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Brandenburg: Linkspartei fällt um
Platzeck darf weiter klimaschädliche Braunkohle verstromen
(19.10.09)
Ramelow markiert Anpassungs-Kurs an "S"PD
Anerkennung von NATO und Kapitalismus
als Voraussetzungen für "Politikfähigkeit" (6.10.09)
Kampagnen-Journalismus:
'spiegel' verunglimpft Ulla Jelpke (8.09.09)
Die Entwicklung der Grünen zur Kriegspartei
und die Vorbereitung des Kosovo-Kriegs (24.03.09)
Austrittserklärung von Christel Buchinger
aus der Linkspartei (17.03.09)
Europa und die Linkspartei
Warum die Journaille vor Wut schäumt (28.02.09)
Lafontaine in Freiburg
Wahre Worte, wenig Glaubwürdigkeit, schwache Resonanz (1.07.07)
Lafontaine will die Systemfrage stellen
Ist die neue "Linkspartei" antikapitalistisch? (17.06.07)
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