7.10.2013

Internet-Schnüffelei
BND zapft deutsche Provider an

Big Brother is watching you
Der deutsche Geheimdienst BND zapft mindestens seit zwei Jahren die Kommunikations-Leitungen deutscher Internet-Provider an. Dies geht aus einer Anordnung hervor, die der BND an den Verband der deutschen Internetwirtschaft schickte. Das vertrauliche dreiseitige Schreiben zur strategischen Fernmeldeaufklärung ist von Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium abgezeichnet.

In diesem Schreiben, in dem der Bundesnachrichtendienst (BND) eine "Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses" - sprich: seine Legitimation zum Lauschen - übermittelt, nennt der Geheimdienst 25 Internet-Provider, deren Leitungen er am Datenknotenpunkt De-Cix in Frankfurt a.M. anzapft. Unter den 25 Internet-Provider befinden sich auch die sechs deutschen: Freennet, 1&1, Strato, QSC, Lambdanet und Plusserver.

Nach der Einschätzung von ExpertInnen wird über De-Cix fast der gesamte innerdeutsche Datenverkehr abgewickelt. Der BND dürfte als "Auslands-Geheimdienst" eigentlich nur in Fällen von feindlicher Spionage und Landesverrat tätig werden und daher nicht beliebig BundesbürgerInnen bespitzeln - doch wie das Beispiel NSA zeigt, scheren sich Geheimdienste selten um Recht, Verfassung oder Grundgesetz.

Der BND kopiert den Datenstrom, den er Dank der zwangsweisen Beihilfe der Internet-Provider anzuzapfen in der Lage ist und wertet ihn anschließend mit Hilfe von Suchbegriffen aus. Zu den technischen Details der Lauschangriffe äußert sich der BND der Natur seines Metiers entsprechend selbstverständlich nicht. Und ebenso wie der Inlands-Geheimdienst "Verfassungsschutz" dies im Zusammenhang mit der NSU-Affaire immer wieder betonte, versichert auch der BND stets, sich immer an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Nach eigenen Angaben überprüfte er im Jahr 2011 fast 2,9 Millionen E-Mails, SMS und Datenverbindungen, wovon angeblich nur 290 "nachrichtendienstlich relevant" gewesen seien.

Wie nun allerdings auch zutage kam, nimmt es der BND zumindest mit den Formalitäten nicht so genau. Die Abhöranordnungen müssen eigentlich vierteljährlich neu an den Verband der deutschen Internetwirtschaft gesendet werden. Dieser drohte im dritten Quartal dieses Jahres sogar damit, die Abhörleitungen zu kappen, weil die staatliche Legitimation zum Lauschen nach Wochen noch nicht vorlag.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Adobe gehackt
      Zugriff auf Quellcodes von ColdFusion und Acrobat (4.10.13)

      Bluff mit eGesundheitskarte
      Druck auf Unwillige scheinbar erhöht (2.10.13)

      Internet-Schnüffelei
      GCHQ bespitzelt ganz Europa (28.08.13)

      Witz der Woche
      "Gilt auf deutschem Boden deutsches Recht?" (21.08.13)

      Größter Daten-Skandal der Nachkriegszeit
      Millionen PatientInnen und ÄrztInnen ausgespäht (18.08.13)

      Washington Post deckt auf:
      NSA hat doch US-Recht gebrochen (16.08.13)

      Snowden beibt vorerst in Rußland
      "Keine Auslieferung an USA" (1.08.13)

      "Stop watching us"
      Bundesweit Demos gegen Geheimdienst-Schnüffelei (27.07.13)

      Big Brother hört mit
      Hintertür per SIM-Karte (21.07.13)

      Microsoft half offenbar bei Schnüffelei
      und unterstützte NSA
      beim Umgehen von Verschlüsselungen (12.07.13)

      Snowden entwischt
      Whistleblower flieht nach Ecuador (23.06.13)

      Snowden: Britischer Geheimdienst GCHQ
      spitzelt noch extremer als NSA (17.06.13)

      Prism ist nichts Neues
      Whistleblower macht latenten Skandal publik (7.06.13)

      Big Brother wächst
      Bundesrat macht Weg frei für Überwachungs-Staat (3.05.13)

      "Anti-Terror-Datei"
      Urteil der Bundesverfassungsgerichts
      ebnet Weg zu neuer Gestapo (25.04.13)

      Big Brother liest mit
      Allein im Jahr 2011: 2,9 Millionen eMails und SMS (5.04.13)

      Witz der Woche
      Privatsphäre bei facebook (4.07.12)

      Dein Handy, der Bewegungsmelder
      Mobilfunkanbieter speichern illegal (18.06.12)

      Schaar: Mit Staats-Trojaner
      wurden Grundrechte verletzt (16.02.12)

      Max-Planck-Institut:
      Vorratsdatenspeicherung völlig ineffektiv (27.01.12)

      Sicherheitslücke bei Apple entdeckt
      IT-Sicherheitsexperte ausgesperrt (9.11.11)

      Trojaner-Skandal weitet sich aus
      "Big Brother" kann noch mehr (19.10.11)

      0zapftis
      CCC analysiert "Bundes-Trojaner"
      Verfassungsignoranz und Dilettantismus (8.10.11)

      Vorratsdatenspeicherung
      Schünemann bestätigt KritikerInnen (6.06.11)

      Daten-Skandal
      Schnüffel-Software in Apples iPhone (21.04.11)

      Big Brother Award 2011 für
      Facebook, Apple und Daimler (1.04.11)

      EU mit Appetit auf Passagier-Daten
      Speicherung angeblich zum Zweck der Terrorabwehr (3.02.11)

      google und Zensur
      Deutschland weit vorne (21.04.10)

      Bundesverfassungsgericht:
      Vorratsdatenspeicherung war verfassungswidrig (2.03.10)

      CCC: Handys abhören leicht möglich
      Sicherheitsexperte knackt Mobilfunk-Code (29.12.09)

      Mielke geistert weiter durch deutsche Telefone
      Zahl der Abhör-Aktionen steigt dynamisch (23.09.09)

      Bundesverfassungsgericht stoppt Wahl-Computer
      Die Manipulierbarkeit von elektronischen Speichersystemen,
      'Wikipedia' und Internet-Umfragen (3.03.2009)

      Barack Obama und das Nadelöhr
      ... anderes zu erwarten als von Bush? (9.10.2008)

 

neuronales Netzwerk