19.11.2009

Bilanz des UN-Hunger-Gipfels in Rom:
In Zukunft noch mehr Tote
für noch mehr Profit

Der dreitägige UN-Hunger-Gipfel in Rom zum weltweiten Nahrungsnotstand ging mit einer negativen Bilanz zu Ende - wie es kaum anders zu erwarten war. Auch der Chef der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO, Jacques Diouf, konnte das ergebnislose Treffen kaum mehr beschönigen, als er am gestrigen Mittwoch erklärte: "Nur wenn den Worten Taten folgen", könne die Hungerkrise doch noch erfolgreich bewältigt werden. An einer Bewältigung zeigen jedoch die Urheber der Krise, die Eliten der Industrienationen, seit Jahrzehnten keinerlei Interesse. Statt dem von der UN im Jahr 2000 proklamierten "Milleniums-Ziel", die Zahl der weltweit Hungernden bis 2015 zu halbieren, ist das Gegenteil zu besichtigen: 842 Millionen waren es im Jahr 2004 - heute sind es mehr als eine Milliarde.

Ungehört verhallt sind die Worte des früheren UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung Jean Ziegler, der die Industrienationen zu recht anklagte, daß jedes verhungernde Kind ein Kind sei, das ermordet wird. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bilanzierte bereits zu Beginn des Gipfel-Treffens nüchtern: "Allein am heutigen Tag werden mehr als 17.000 Kinder an Hunger sterben, ein Kind alle fünf Sekunden, sechs Millionen pro Jahr."

Mit ungedeckten Versprechungen auf solchen Gipfel-Treffen konnten bis vor wenigen Jahren die Regierungs-Chefs eine gewissen Publicity erzielen. Doch dies ist - ähnlich wie bei den ebenso folgenlosen Klima-Gipfeln - offenbar inzwischen uninteressant geworden. Vor allem die Regierungen vieler reicher Länder hatten lediglich ihre Fachminister nach Rom geschickt. Hilfsorganisationen, Medien und Beobachter hatten den UN-Hungergipfel zuvor bereits als Flop kritisiert. "Für den Gipfel gibt es leider nur die Gesamtnote mangelhaft", stellt die Hilfsorganisation Oxfam fest.

Dabei wäre der Hunger - den politischen Willen vorausgesetzt - mit weit weniger Geld aus der Welt zu schaffen als Jahr für Jahr für Rüstung ausgegeben wird. In den vergangenen Jahrzehnten sind auf der Erde unglaubliche Reichtümer entstanden, der Welthandel hat sich in den vergangenen zwölf Jahren mehr als verdreifacht, das Welt-Bruttosozialprodukt fast verdoppelt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist der objektive Mangel besiegt und die Utopie des gemeinsamen Glückes wäre materiell möglich. Die Weltlandwirtschaft könnte schon heute - ohne Gentechnik - problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren.

Zugleich wird immer deutlicher, daß es keineswegs unbeabsichtigt ist, wenn laut Welternährungsbericht auf der Erde jeden Tag mehr als 100.000 Menschen an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen sterben. Jean Ziegler nennt den Hunger daher konsequent eine "Massenvernichtungswaffe". Nach seiner Analyse werden die Welthandelsorganisation WTO und der Internationaler Währungsfond IWF gezielt eingesetzt, um beispielsweise mit Hilfe von Verschuldung die rohstoffreichen Länder in Armut und Abhängigkeit halten zu können. Auch die sogenannten Freihandelsabkommen dienen diesem Ziel. Das strukturell erzeugte Elend wurde zudem in den vergangenen Jahren durch die Spekulation mit Nahrungsmitteln und den Boom sogenannter Bio-Kraftstoffe weiter gesteigert. Systematisch wird die landwirtschaftliche Grundlage zur Eigenversorgung in den abhängigen Ländern weiter zerstört. Und die Folgen des von den Industrienationen verursachten Klimawandels treffen weit überwiegend die Menschen in diesen Ländern.

Joseph Ratzinger alias Papst Benedikt XVI nahm wie vor 13 Jahren sein Vorgänger Karol Woityla alias Johannes Paul II am UN-Hunger-Gipfel teil, hatte aber wie dieser nicht mehr zu sagen als eine wohlfeile Ermahnung. Diese läuft darauf hinaus, Wölfen zu predigen, weniger gierig zu sein und nicht so viele Schafe zu fressen. Und wie zum Hohn für die weltweit Hungernden erklärte die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner zum Ende des Gipfels: "Damit geben wir den Startschuß für eine neue Struktur der Zusammenarbeit in der Welternährung."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Berlusconi: Besser in Afrika verhungern
      als in Italien interniert (20.05.09)

      Flüchtlingselend und Artenschwund in Nordafrika
      Führt Tierschutz zu mehr Menschenschutz? (22.01.08)

      Volle Tanks - leere Teller
      Agro-Treibstoffe verursachen Hunger,
      Vertreibung und Umweltzerstörung (29.11.07)

      "Konzerne eignen sich die Welt an"
      Interview mit dem UN-Beauftragten Jean Ziegler (5.01.06)

      Eine mörderische Weltordnung
      Ceuta und Melilla (21.10.05)

      Hunger - tagtäglicher Mord
      der Reichen an den Armen (16.10.04)

      Hunger - noch immer ein Thema (31.03.04)

      Hunger und Weltraumfahrt
      Die Tageszeitung 'L'Alsace' zum Welternährungstag (20.10.03)

      Dürre in der Sahel-Zone als Folge des Klimawandels?
      (13.10.03)

      Hunger (30.07.03)

      Die alljährliche Hungerkatastrophe
      in Äthiopien (8.06.03)

 

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