2.07.2009

amnesty international
klagt an:

ZivilistInnen im Visier beim Gaza-Krieg

Sowohl die palästinensische Hamas als auch das israelische Militär haben beim Gaza-Krieg1 Ende 2008, Anfang 2009 "mutwillig und gezielt" ZivilistInnen ermordet. Dies geht aus einem aktuell veröffentlichten Bericht der Menschenrechts-Organisation 'amnesty international' (ai) hervor.

Die Menschenrechts-Organisation mit Hauptsitz in London wirft sowohl der Hamas aus auch dem israelischen Militär "Kriegsverbrechen" vor. Nach Angaben der Menschenrechts-Organisation rechtfertigen beide Kriegsparteien nach wie vor ihre Angriffe. Unparteiisch verurteilt 'amnesty international' (ai) die Raketen-Angriffe der Hamas. Die Hamas habe während des 22-tägigen Kriegs wahllos Raketen auf Städte und Dörfer im südlichen Israel abgefeuert. Donatella Rovera, die ein ai-Untersuchungsteam in Gaza und im südlichen Teil Israels leitete, nannte diese Raketen-Angriffe "inakzeptable Kriegsverbrechen", mit denen die Hamas im Süden Israels Angst und Schrecken verbreitet und drei Menschen ermordet habe. Der israelischen Regierung dienten diese Angriffe als willkommener Anlaß, den Gaza-Krieg zu beginnen. Laut ai-Bericht gibt es entgegen den Behauptungen von israelischer Seite keine Belege dafür, daß die Hamas oder andere palästinensischen KämpferInnen während der Angriffe ZivilistInnen als menschliche Schutzschilde mißbraucht hätten.

Dagegen muß sich das israelische Militär vom ai-Bericht vorhalten lassen, während der dreiwöchigen "Operation Gegossenes Blei" Hunderte unbewaffneter ZivilistInnen ermordet und Tausende von Häusern zerstört zu haben. "Ein großer Teil der Zerstörungen im Gaza-Streifen war mutwillig und gezielt", erklärt die Menschenrechtsorganisation. "Davon wurden viele Aktionen auf ein Weise und unter Umständen ausgeführt, die darauf schließen lassen, daß keine militärische Notwendigkeit vorlag." Damit hat Israel laut ai das internationale Kriegsrecht gebrochen.

Dem Bericht zufolge wurden in den Auseinandersetzungen rund 1400 Palästinenser getötet, darunter 300 Kinder und mehrere hundert ZivilistInnen, darunter mehr als 115 Frauen und 85 Männer über 50 Jahren. Mindestens 200 der unter 50-jährigen Männer seien unbewaffnet gewesen. Über 3.000 Gebäude seien zerstört und mehr als 20.000 beschädigt worden. Ein Großteil der Zerstörung sei mutwillig geschehen und rührte von direkten Angriffen auf zivile Objekte her, heißt es weiter. Die israelische Armee gab die Zahl der Todesopfer mit 1166 an, darunter 295 ZivilistInnen. Auf israelischer Seite seien 13 Menschen getötet worden, darunter drei ZivilistInnen.

Der Gaza-Krieg wird von ai in Umfang und Intensität als bisher einmalig eingestuft. Etwa 300 Kinder und Hunderte weitere unbewaffnete ZivilistInnen, die nicht an den Kämpfen teilnahmen, seien getötet worden. In vielen Fällen sei es palästinensischen ZivilistInnen nicht möglich gewesen, sich in Sicherheit zu bringen. So seien Kinder beim Spielen in ihren Zimmern oder auf dem Hausdach getroffen worden. SanitäterInnen und Krankenwagen gerieten laut ai mehrfach unter Beschuß, während sie Verletzte retten oder Tote bergen wollten. In den meisten Fällen habe das israelische Militär hochpräzise Waffen eingesetzt, häufig mit Hilfe unbemannter Flugzeuge, sogenannter Drohnen. In anderen Fällen seien ZivilistInnen von Panzergranaten getötet worden. Das israelische Militär habe in dicht bewohnten Gebieten in Gaza auch Phosphorbomben eingesetzt.

Donatella Rovera kritisierte Israel wegen mangelnder Zusammenarbeit. "Der Tod so vieler Kinder und anderer Zivilisten kann von Israel nicht einfach als Kollateralschaden abgetan werden", sagte Rovera. "Viele Fragen über diese Angriffe müssen noch beantwortet werden." Sie forderte die "internationale Gemeinschaft" dazu auf, Israel zur Kooperation mit einem UN-ExpertInnen-Team unter Leitung des südafrikanischen Richters Richard Goldstone zu drängen.

Die israelische Armee reagierte verärgert. ai habe sich von der extremistischen Palästinenser-Organisation Hamas manipulieren lassen, erklärte ein Armeesprecher. Der ai-Bericht sei "unausgewogen". Weiter behauptete der Armeesprecher wahrheitswidrig, der ai-Bericht berücksichtige weder die anhaltenden Raketen-Angriffe der Hamas noch die Bemühungen der israelischen Armee, zivile Opfer so weit wie möglich zu vermeiden. Darüber hinaus behauptete der israelische Militärsprecher, bevor die Einheiten in ein Gebiet vorrückten, seien die BewohnerInnen durch Millionen von Flugblättern oder durch Telefonanrufe rechtzeitig gewarnt worden.

Die Menschenrechts-Organisation fordert als Schlußfolgerung des 117 Seiten umfassenden Berichts ein internationales Waffen-Embargo gegen Israel und die im Gaza-Streifen herrschende Hamas. Die Verantwortlichen müssten vor Gericht gebracht werden.

Erinnert werden muß hinsichtlich der von ai untersuchten "Kriegsverbrechen" allerdings, daß Krieg und Terror auch dann Verbrechen sind, wenn dabei "nur" SoldatInnen ermordet werden.

Ebenfalls heute kritisierte die deutsche Initiative 'Free Gaza' das Vorgehen der israelischen Regierung gegen die Besatzung eines Schiffes, das im Auftrag eines humanitären Bündnisses Hilfsgüter nach Gaza bringen wollte. Die israelische Armee habe die 'Spirit of Humanity' gehindert, Gaza zu erreichen. Das Bündnis forderte, die Besatzung sofort freizulassen und die Hilfsgüter freizugeben.

Nach Angaben des Roten Kreuzes schränkte Israel die Hilfsgüterlieferungen im Vergleich zu April deutlich ein. Dem Bündnis gehören unter anderen die kirchliche Organisationen 'pax christi' und die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft an. Unter den beteiligten Menschenrechts-AktivistInnen befindet sich auch die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel

      Bilanz des Gaza-Kriegs
      Die Mehrheit der Israelis und der PalästinenserInnen sind Opfer
      (25.01.09)

      Israel begeht Kriegsverbrechen
      Alfred Grosser zur aktuellen Situation im Libanon (1.08.06)

      "Israel von der Landkarte tilgen!"
      Irans Präsident outet sich als fanatischer Irrer (26.10.05)

      Israel und der Wunsch nach Frieden
      Neue expansive Siedlungspolitik (22.03.05)

      Israel räumt 25 Siedlungen
      Einseitige Vorleistung nach Konzept der Friedensbewegung
      (20.02.05)

      "Die Tötung sichergestellt"
      Besatzer erschießen Kind im Gaza-Streifen
      Erstmals massive Kritik in Israels Medien (25.11.04)

      'Gewaltfreie Kampagne in Palästina' (27.08.04)

      Palästina: Pressefreiheit und der Zweck der EU-Gelder (23.07.04)

      Kinder & Künstler malen Gemälde an die Mauer
      Ein Zeichen der Hoffnung in Palästina (20.07.04)

      Vanunu endlich frei (21.04.04)

      Israels Spiel mit der Atombombe
      Israel soll einen neuen Atomtest unternommen haben
      Der Aufbau einer Nuklearflotte mit deutschen U-Booten
      schreitet voran (23.03.04)

      'Machsomwatch'
      - konkrete Friedenspolitik an den israelisch-palästinensischen
      Checkpoints (17.03.04)

 

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