Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden im vergangenen Jahr mehr Menschen unter dem Vorwand "Todesstrafe" ermordet als 2012. Vor allem die Regierungen im Iran und im Irak haben die Statistik über das staatliche Morden nach oben getrieben. Aktuell sorgt das ägyptische Regime mit einer Rekordzahl von 529 Todesurteilen für internationales Aufsehen.
Auch China und die USA sind weiterhin auf demselben ethischen Niveau. Amnesty International (ai) sieht allerdings weltweit einen langfristigen Trend zu weniger Todesurteilen. Insgesamt ließen nach den Zahlen von ai im Jahr 2013 Regierungen in 22 Staaten Menschen unter dem Vorwand "Todesstrafe" ermorden.
Im Iran (mindestens 369) und Irak (mindestens 169) fielen 2013 fast hundert Menschen mehr der "Todesstrafe" zum Opfer als 2012. Zusammen mit China, Saudi-Arabien (mindestens 79), den USA (39) und Somalia (mindestens 34) stellen sich diese Staaten gegen den weltweiten Trend zur Abschaffung der "Todesstrafe". Ohne China, woher keine verläßlichen Zahlen zur Verfügung stehen, stieg die Zahl der per "Todesstrafe" ermordeten auf mindesten 778 Menschen.
Allein in China werden allerdings nach Schätzung von ai jährlich deutlich mehr als 1000 Menschen von Staats wegen ermordet. Eine konkrete Jahresschätzung für das Land veröffentlicht die Organisation seit 2009 nicht mehr, weil Peking die Zahlen als Staatsgeheimnis betrachtet und keine verlässliche Angabe möglich ist.
Als "beunruhigend" wertet ai in dem am heutigen Donnerstag in London veröffentlichten Bericht, daß die Regierungen von Indonesien, Kuwait, Nigeria und Vietnam nach längerer Unterbrechung wieder die "Todesstrafe" praktizieren. "Daß die Masse der Hinrichtungen auf das Konto einiger weniger Staaten geht, ist bestürzend und beschämend," sagte Oliver Hendrich, Vorstandssprecher von Amnesty International in Deutschland und Experte auf diesem Gebiet. "Außerhalb Chinas finden fast 80 Prozent der Hinrichtungen in nur drei Ländern statt: Iran, Irak und Saudi-Arabien. Umso erfreulicher sind die kleinen Erfolge, die es in allen Regionen gab. In den meisten Teilen der Welt gehören Hinrichtungen der Vergangenheit an." Weltweit haben inzwischen 140 Staaten die "Todesstrafe" im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.
Als Erfolg wertet ai-Generalsekretär Salil Shetty, daß die Regionen Europa und Zentralasien 2013 völlig ohne "Hinrichtungen" ausgekommen seien, nachdem die Regierung Weißrußlands kein Todesurteil vollstreckt habe. Ungeachtet des aktuellen Anstiegs zeigten sich die ExpertInnen der Organisation, die sich seit Jahrzehnten massiv für die Abschaffung von Todesurteilen einsetzt, optimistisch. "Es gibt einen klaren Trend hin zur Abschaffung der Todesstrafe," sagte Salil Shetty. "Der langfristige Trend ist klar - die Todesstrafe wird zu einer Sache der Vergangenheit."
ai verurteilte erneut die Verhängung von 529 Todesurteilen gegen angebliche Anhänger der Muslimbrüder in Ägypten. Der Nahost- und Afrika-Beauftragte der Organisation, Jan Wetzel, bezeichnete die Lage als grotesk. Es habe nicht annähernd ein faires Gerichtsverfahren stattgefunden; gegen zwei Drittel der Abgeurteilten sei der Urteilsspruch in Abwesenheit ergangen. Das seit Langem größte Massentodesurteil hat weltweit Aufsehen erregt. Hintergrund ist die von den USA gestützte Festigung der politischen Macht des ägyptischen Militärs und die bevorstehende Etablierung Feldmarschalls Abdel Fattah al-Sisi als neuer Diktator.
Allerdings sieht ai auch Fortschritte in vielen Regionen der Welt: In den USA schaffte Maryland als achtzehnter Bundesstaat die "Todesstrafe" ab. Aus ganz Europa und Zentralasien wurden erstmals seit 2009 keine Hinrichtungen gemeldet. Viele Länder, die noch 2012 Gefangene hingerichtet hatten, vollstreckten 2013 keine Todesurteile, darunter Gambia, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan. In Bahrain, Benin, Jamaika und Tschad ergingen keine Todesurteile. Benin, die Komoren, Ghana, Liberia und Sierra Leone brachten Gesetzes- beziehungsweise Verfassungsänderungen auf den Weg, die die Abschaffung der "Todesstrafe" ermöglichen sollen.
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