6.11.2005

Demo gegen Sozialabbau
15.000 in Berlin

Am gestrigen Samstag demonstrierten in Berlin nach unabhängigen Schätzungen mindestens 15.000 Menschen aus der ganzen Bundesrepublik gegen Sozialabbau und für die bedingungslose Rücknahme von Hartz IV.

Die mitgeführten Transparente ließen erkennen, daß ein großer Teil der DemonstrantInnen aus NRW angereist war. In Sprechchören forderten sie unter anderem ein Ende der Umverteilung von unten nach oben und die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Aufgerufen hatte ein Bündnis vieler lokaler Montags-Demos, des 'Erwerbslosen-Forums Deutschland', mehrerer linker Initatiativen und der MLPD. Im Vorfeld hatte es diesmal keine Distanzierung des im vergangenen Herbst konkurrierenden Bündnisses von Montags-Demos, attac und Gewerkschaftern gegeben, sondern einen - wenn auch recht dezenten - Termin-Hinweis und einen Verzicht auf eine konkurrierende Veranstaltung. Die hohe Zahl an TeilnehmerInnen in Berlin, die weit über die Mobilisierungsfähigkeit der MLPD und sogenannter Vorfeld-Organisationen wie 'Courage' hinausging, zeigt, daß sich ein großer Teil der Linken nicht von Ausgrenzungsversuchen beeindrucken läßt, bei denen die MLPD nur als Vorwand benutzt wird.

In Redebeiträgen wurde auch solidarisch auf die gleichzeitig in Lüneburg stattfindende Demo für Atomausstieg und Erneuerbare Energien hingewiesen und es wurde der Abzug der deutschen Truppen aus anderen Ländern, namentlich Afghanistan, gefordert. Auf die gleiche Ebene wie Ex-Minister Clement begab sich allerdings ein Redner, indem er das Schimpfwort von den Parasiten meinte gegen die Damen und Herren in den Chefetagen und ihre Untergebenen im Bundestag wenden zu müssen. Eine sachliche Rechtfertigung wäre zwar allemal eher für diese Sicht der Dinge zu finden, doch gerade bei Deutschen erstaunt immer wieder die mangelnde Sensibiltität bei der Verwendung von Sprechweisen mit eliminatorischem Anklang. Positiv ist dagegen hervorzuheben: Es wurde nicht zwischen den "herrschenden Parteien" - kleineren oder größeren Üblen - differenziert und vorab wurde die zukünftige Bundesregierung vor einer Fortsetzung des "neoliberalen Ausplünderungskurses" gewarnt.

Nicht nur das milde Herbstwetter erinnerte an die großen Anti-Hartz-IV-Demos des August 2004. Der große Erfolg des Demo-Aufrufs hatte selbst KennerInnen der linken Szene überrascht. Die OrganisatorInnen hatten nur mit etwa 10.000 TeilnehmerInnen gerechnet und angesichts der in Berlin denkbar schlechten Mobilisierung schien diese Schätzung im Vorfeld reichlich optimistisch. Ankündigungsplakate waren in Berlin nur sehr sporadisch zu entdecken. Nahezu unübersehbar waren die drei Demozüge als sie um ein Uhr auf dem Alexanderplatz eintrafen. Die Prachtstraße 'Unter den Linden' war von Anfang, 'Palast der Republik', bis Ende, Pariser Platz, nahezu restlos von DemonstrantInnen ausgefüllt.

Die 15.000 von Berlin zeugen von einer Stärke der sozialen Bewegung in Deutschland, die längst mehr hätte erreichen können als eine Minderheits-Repräsentanz im Reichstag. Doch dem standen bislang massive interne Behinderungen und Spaltungsmanöver entgegen. Entgegen unterschwelliger Distanzierungen und Warnungen vor der MLPD war die Gewerkschaftsbasis sichtbar auf der Demo vertreten. Wie kaum anders zu erwarten, hatte es keinen Demo-Aufruf von Seiten der DGB-Bürokratie gegeben. Auch die "Linkspartei", noch PDS und vor der angekündigten Vereinigung mit der WASG, hatte weder zur Teilnahme aufgerufen oder irgendeine erkennbare Unterstützung geleistet.

Bei einer Pressekonferenz im Anschluß an die Berliner Demo sagte Fred Schirrmacher von der 'Koordination Bundesweite Montagsdemo', die OrganisatorInnen seien auch in Zukunft offen für "breite Bündnisse". Offen blieb allerdings, ob dabei auch ein Verzicht auf für Parolen wie "Das Volk sind wir!", die auf antinational orientierte Linke provokativ wirken müssen, erwogen wird.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

Siehe hierzu unsere Artikel:

    'Hessens Marodeur Roland Koch droht
    mit "Heulen und Zähneklappern"'(25.10.05)

    'Generalstreik in Frankreich'
    Über eine Million Menschen protestieren gegen Sozialabbau (3.10.05)

    'Sozialabbau macht auch psychisch krank' (13.04.05)

    'Sozialgerichte bestätigen: Hartz IV verfassungswidrig' (20.02.05)

    'Löhne real niedriger als 1991' (6.01.05)

    'Bundesweites Koordinierungs-Treffen
    mit der Montags-Demos in Magdeburg' (7.11.04)

    'Bundesweites Koordinierungs-Treffen
    mit der Montags-Demos in Hannover' (17.10.04)

 

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