Gestern wurde nun durch Untersuchungslabors der Nachweis erbracht, daß tote Schwäne und ein Habicht auf der Ostseeinsel Rügen mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 infiziert waren. Nachdem die örtlichen Behörden offenbar völlig unvorbereitet reagiert hatten, wurde nun ein "Krisenstab Tierseuchenbekämpfung", in dem Bund und Länder vertreten sind, eingerichtet. Die Weiterverbreitung des Virus über Deutschland dürfte dennoch nicht mehr zu verhindern sein. Landwirtschaftsminister Seehofer bezeichnete die Lage in Deutschland erwartungsgemäß als "ernst" und zugleich als "kein Anlaß zur Panik". Damit hat er ausnahmsweise recht: Denn ob das Virus mutiert und sich eine Grippe-Epidemie entwickelt, die sich von Mensch zu Mensch überträgt, ist nun eine Frage des Zufalls. Wenn jedoch im Jahr 2000 auf dem Höhepunkt der BSE-Krise die versprochenen Konsequenzen gezogen worden wären, wäre die Gefahr einer Pandemie wesentlich geringer.
Bislang handelt es sich bei der Vogelgrippe um eine Tierseuche, die bei Wildvögeln vorkommt. Das Virus H5N1 wird nur von Tier zu Tier - und auf den Menschen nur bei direktem Kontakt übertragen. In diesem Falle jedoch ist es höchst gefährlich und kann ein tödliches Fieber verursachen. Die Direktorin des amerikanischen 'Centers for Disease Control', CDC, Julie Gerberding warnte 2005 auf einer internationalen Konferenz in Washington mit drastischen Worten vor einer globalen Ausbreitung der Vogelgrippe. Die seit 2003 in Asien grassierende Viruserkrankung stehe kurz vor der Wandlung zu einer der gefährlichsten Seuchen überhaupt. Zwar müßte sich der Erreger der Geflügelkrankheit, das H5N1-Influenza-Virus, derart verändern, daß es nicht nur wie bisher von Vögeln auf einzelne Menschen überspringe, sondern schnell und wirksam auch von Mensch zu Mensch übertragbar wäre, sagte sie einschränkend. Bisher sei das noch nicht geschehen. Es bestünde aber ein großes Risiko, daß dies gesehen könne. Die Situation erinnere stark an die Vorboten der spanischen Grippe 1918/19, der über 20 Millionen Menschen zum Opfer gefallen seien.
Ende der 90er Jahre wäre es noch möglich gewesen, das Virus durch Impfungen auszurotten. Doch diese Maßnahme wurde allein aus ökonomischen Gründen in den Wind geschlagen. Ebenfalls auf dem Prinzip der Profit-Maximierung basiert die industrielle Massentierhaltung und damit eine weitere drastische Erhöhung des Risikos. Diese Risiko-Erhöhung liegt bei den immer häufiger auftretenden und sich rasch ausbreitenden Erkrankungen der zur Nahrungsproduktion oder Pelzzucht gehaltenen Tiere, klar auf der Hand. BSE, SARS und die Seuche der Zibethkatzen im Jahr 2003 waren kein Zufall. Sowohl die große Zahl an Tieren auf geringem Raum, der Verzicht auf teure Impfungen, mit denen das H5N1-Virus sofort hätte ausgerottet werden können, als auch die gigantische Zahl von Tiertransporten auch über Grenzen hinweg, sind nichts anderes als die blinde Vorbereitung des nächsten Super-GAU.
Auch wenn die Verbreitung der Vogelgrippe - wie bei so vielen Erregern - irgendwann in sich zusammenbricht und für uns Menschen glimpflich verläuft: Das wachsende Risiko einer globalen Katastrophe läßt sich nur vermeiden, wenn dem Prinzip der Profit-Maximierung ein Ende bereitet wird, wenn also der Kapitalismus abgeschafft wird.
Solveig Brendel
Anmerkung
Siehe auch unsere Artikel
'Risiko einer Vogelgrippe-Pandemie steigt
Erneut erkrankte ein Mensch in Vietnam an Vogelgrippe' (28.02.05)
'Vogelgrippe droht nach Ansicht der WHO zur neuen Pest zu werden'
(28.11.04)
'Vogelgrippe ist zurück' (8.07.04)
'Vogelgrippe - Gefährlicher als BSE?' (8.02.04)
'Hühner - Opfertiere auf dem Altar des Kapitalismus' (21.05.03)