21.04.2011

Daten-Skandal
Schnüffel-Software in Apples iPhone

iPhone Tracker Ein neuen Daten-Skandal erblickt das Licht der Öffentlichkeit: IPhones und iPads des Computer-Produzenten Apple speichern dauerhaft die Aufenthaltsorte ihrer NutzerInnen. Apple ist offenbar daran interessiert, die gesammelten Daten an Werbefirmen zu verkaufen. Doch schon heute stürzen sich Privatdetektive, Geheimdienste und Polizei auf diese Fundgrube.

Wie die beiden IT-Experten Alasdair Allan und Pete Warden auf einer Fachkonferenz veröffentlichten, speichern iPhones und iPads von Apple mit Hilfe von Programm-Codes in den Tiefen ihres Betriebssystems iOS 4 die Aufenthaltsorte ihrer NutzerInnen. Die Informationen werden in einer versteckten Datei abgespeichert, können aber leicht mit spezieller Software namens iPhone Tracker (deutsch: Spurenleser) ausgelesen werden kann. Bisher ist nicht bekannt, ob Apple die Daten bereits kommerziell genutzt hat.

Offenbar werden von iPhones und iPads die per Mobilfunkmast-Triangulation ermittelte Ortung und dazu noch alle WLAN-Netze in "Sichtweite" aufgezeichnet und gespeichert. Die Geodaten, die zudem im Backup enthalten sind, können automatisch via iTunes an jeden angeschlossenen und autorisierten PC überspielt und im Fall eines Gerätewechsels auf das neue Telefon oder Pad übertragen werden. Ob die Daten auch auf den Zentral-Rechner im Apple-Stammsitz im US-amerikanischen Cupertino übermittelt werden, ist bisher nicht nachweisbar. Allerdings kann mit nur geringem technischen Aufwand leicht abgefragt werden, wo sich die BesitzerInnen eines iPhones oder iPads in den vergangenen Jahren aufgehalten haben - teilweise bis auf wenige Meter genau.

Der US-Konzern Apple, der im vergangenen Jahr seinen Gewinn auf sechs Milliarden US-Dollar verdoppelt hat, verweigert bislang eine Stellungnahme. Das "Kleingedruckte" - Textteile die meist in einem Wust an Jura-Sprech nicht auffallen - aus dem EndnutzerInnen-Lizenzvertrag ("EULA"), das bei der Inbetriebnahme der Apple-Geräte von den KundInnen als gelesen abgehakt werden muß, enthält allerdings Hinweise darauf, daß die versteckten Dateien zu dem Zweck angelegt werden, sie weiterzuverkaufen: "Um standortbezogene Dienste auf Apple-Produkten anzubieten, können Apple und unsere Partner und Lizenznehmer präzise Standortdaten speichern, nutzen und weitergeben, einschließlich des geografischen Standorts Ihres Apple-Computers oder Geräts in Echtzeit. Diese Standortdaten werden in anonymisierter Weise erhoben, durch die Sie nicht persönlich identifiziert werden."

Damit hat sich Apple das Sammeln der Daten quasi genehmigen lassen. In den USA mag dies juristisch unanfechtbar sein. In Deutschland allerdings wurde der IT-Konzern Anfang April mit dem Negativ-Preis "Big Brother Award" ausgezeichnet, weil aufgrund dieser Klausel mit eben der nun entdeckten Datensammlung zu rechnen war. Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Club (CCC), kommentiert dies so: "Vermutlich werden sich jetzt eine Menge von Apple-Kunden verraten vorkommen, weil sie nicht explizit darauf hingewiesen wurden, daß ihr Telefon die ganze Zeit aufzeichnet." Bei der Erfassung und Speicherung von Orts-Daten bestehe vor allem das Risiko, "daß das Telefon verloren geht und die Daten ausgelesen werden," erklärt der CCC-Experte. Auch können sich weitere Personen Zugriff auf die Ortungs-Daten verschaffen. Mit Blick auf die Strafverfolgung bestehe nun auch die Möglichkeit, daß iPhone oder iPad beschlagnahmt werden und dann die Aufenthaltsorte der vergangenen Jahre verfügbar und auslesbar sind, ohne daß die BenutzerInnen dies ahnten.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kommentierte die veröffentlichte Apple-Datensammlei: "Diese Speicherung von Standortdaten ohne Kenntnis der Betroffenen wäre nach deutschem Datenschutzrecht sicherlich nicht zulässig." Die Datenschutzbehörde habe sich der Angelegenheit angenommen. "Sie recherchiert und wird Apple auch formell auffordern, diese Fakten zu klären und dazu Stellung zu nehmen. Dann wird es eine Bewertung geben, und wenn die negativ ist, wovon ich ausgehe, dann muß Apple seine Praxis ändern." Auch das Verbraucherschutz-Ministerium äußerte sich halbwegs kritisch: "Das heimliche Erfassen und Speichern der Standort-Daten eines Smartphones wäre ein grober Eingriff in die Privatsphäre des Nutzers." Schließlich geht es bei der von Apple installierten Datensammelei um einen Eingriff, der dem Staat von höchsten Gerichten wiederholt verweigert wurde.

In jüngster Zeit stand wegen der bereits im vergangenen Herbst angelaufenen Volkszählung "Zensus 2011" die Datensammelei von Behörden und Staat im Zentrum der Kritik. Auch die Vorratsdatenspeicherung ist heftig umstritten. Doch "Big Brother" ist offenbar zumindest ebenso häufig in den Reihen der Konzerne wie auf der Seite staatlicher Kontroll-Organe zu finden.

In der IT-Szene ist die mehr oder weniger geheime Abspeicherung von KundInnen-Daten schon länger ein Thema: Beispielsweise hat der französische Autor Paul Courbis bereits im September 2010 hierüber berichtet. Und der US-amerikanische Software-Spezialist Alex Levinson kritisiert Allan und Warden dafür, sich als Entdecker darzustellen, schließlich habe er selbst die Funktion bereits Ende vergangenen Jahres in einem Fachbuch analysiert. In der breiten Öffentlichkeit ist das Thema allerdings erst jetzt angekommen. CCC-Sprecher Rieger bezeichnet die aufkommende Diskussion als einen "Weckruf". Die Veröffentlichung zeige, "wie wenig wir unsere Mobiltelefone unter Kontrolle haben."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Zweiter Anlauf
      zur Internet-Zensur (11.04.11)

      Erfolg gegen Internet-Zensur
      Das Gesetz zur Sperrung von Internet-Seiten fällt (5.04.11)

      Big Brother Award 2011 für
      Facebook, Apple und Daimler (1.04.11)

      Paßwort-Dienst greift zu Holzhammer
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      Die virtuelle Diskussions-Armee
      ist im Anmarsch (22.02.11)

      EU-Kommissarin Malmström
      kämpft weiter für Internet-Zensur (17.02.11)

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      Speicherung angeblich zum Zweck der Terrorabwehr (3.02.11)

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