Mit über einem Monat Verspätung erfährt die deutsche Öffentlichkeit von einem "unkontrollierten" Austritt von radioaktiven Gasen aus dem AKW Fessenheim am 24. August. Dieser "Störfall" wurde entgegen wiederholter Zusagen in der Vergangenheit von den deutschen Behörden nicht veröffentlicht. Noch vor wenigen Tagen gab das Regierungspräsidium Freiburg eine Mitteilung der ASN (französische staatliche Atomenergie-Aufsicht) zum AKW Fessenheim vom 16. September in einer Kurzfassung heraus, in der für den Zeitraum zwischen Februar und September 2010 lediglich unbedeutende "Pannen" erwähnt werden, mit keinem Wort jedoch auf den Vorfall vom 24. August eingegangen wird.
Die französische Dachorganisation der Anti-Atom-Initiativen 'Reseau Sortir du Nucléaire' hat wegen der nach wie vor ungeklärten Umstände des Vorfalls und der nach wie vor fehlenden exakten Informationen zur Gefährdung der Bevölkerung eine Anfrage an die ASN gerichtet, die wir hier im Folgenden dokumentieren:
Transparenz bei der nuklearen Sicherheit?
Offener Brief an die ASN
(...) Das Netzwerk "Sortir du nucléaire" fordert von der ASN
(französische staatliche Atomenergie-Aufsicht) Rechenschaft
über den Austritt von Radioaktivität, der im AKW
Fessenheim, Oberrhein, stattgefunden hat.
Offener Brief an André-Claude Lacoste, Präsident der Behörde
Reaktorsicherheit
Betrifft: Austritt von Radioaktivität beim AKW Fessenheim
Sehr geehrter Herr Lacoste,
die Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) veröffentlichte am 30. August 2010 eine Meldung über einen Zwischenfall im Zusammenhang mit einem radioaktiven Leck im AKW Fessenheim, Oberrhein, am 24 August 2010 [1]. Unter Berufung auf die Verwaltungsvorschrift 2003/4/EG [2] über den öffentlichen Zugang zu Informationen betreffs der Umwelt und Artikel 18 des Gesetzes Nr. 2006-686 vom 13. Juni 2006 über die Transparenz und die nukleare Sicherheit, fordern wir Sie auf, uns weitere Informationen über diesen Austritt von Radioaktivität innerhalb der kommenden 30 Tagen ab Erhalt dieses e-mail zukommen zu lassen. Darüber hinaus erinnern wir daran, daß die ASN gemäß der Verwaltungsvorschrift 2003/4/EG verpflichtet ist, verständliche, exakte und vergleichbare Informationen zu liefern.
Doch Ihre Veröffentlichung über den Austritt von Radioaktivität am 24. August 2010 im AKW Fessenheim erscheint uns besonders undurchsichtig und im Widerspruch zu dem von der ASN behaupteten Anspruch auf Kompetenz, Transparenz und Klarheit. Beim Lesen ihrer Meldung über diesen Zwischenfall betreffs des Austritts von Radioaktivität scheint es uns, als habe die ASN weder vom Maß der Radioaktivität noch von den damit in Verbindung stehenden Radionukliden Kenntnis gehabt, die durch das Leck verursacht wurden. Schlimmer noch hat es den Anschein, daß die ASN das Gesundheitsrisiko der Bevölkerung aufgrund des Austritts von Radioaktivität nicht präzise bestimmen konnte. Tatsächlich beschreibt die ASN einen "unkontrollierten Austritt von 50 Kubikmeter radioaktiver Abgase", aber ...
- Sie beziffern nicht die Strahlungsaktivität in Becquerel (Bq), sondern geben nur Kubikmeter (m³) an, obwohl Radioaktivität in Becquerel (Bq) gemessen wird und nicht nach Volumen. Die Volumen-Aktivität wird daher in Bq pro m³ (Bq / m³) gemessen.
- Sie machen keine Angaben über das Inventar der radioaktiven Gase, die entwichen sind.
- Sie machen keine Angaben über das Maß der Dosisleistung auf die umliegende Bevölkerung, die durch das Leck verursacht wurde.
- Sie erklären nicht, warum kein Meßinstrument zur Radioaktivitätskontrolle in Ordnung war, während die Radioaktivität austrat.
- Sie bezeichnen nicht das Gebäudes, in dem das radioaktiven Leck aufgetreten ist.
- Sie schreiben, Sie hätten keine Kenntnis von der Radioaktivität der Gase, die entwichen sind. Deshalb bitten wir Sie, zu erklären, was Ihnen erlaubt, davon zu schreiben, "dieses Ereignis hatte keine signifikante Auswirkung auf die Umwelt." Wir wollen wissen, wie der Betreiber EDF seinerseits eine Auswertung der Radioaktivität vornehmen konnte.
Wir danken Ihnen im Voraus für die Zusendung der Auswertung der EDF über die Radioaktivität des unkontrollierten Austritts.
Hier folgt die Liste der Fragen, auf die wir ausdrücklich eine verständliche Antwort fordern:
1. Wie hoch war die radioaktive Aktivität der Gase, die ausgetreten sind? Vielen Danke im Voraus für eine genaue Mengenangabe in Bq/m³.
2. War das Reservoir, das die radioaktiven Gase enthielt, mit einem Gerät zur Messung der Radioaktivität ausgestattet? Wenn ja, warum war es nicht in Betrieb?
3. War der Schornstein mit Sensoren für Radioaktivität ausgestattet? Wenn ja, warum haben die Sensoren die Radioaktivität der ausgetretenen Gase nicht gemessen?
4. Welche Radionuklide sind aus dem Reservoir ausgetreten? Vielen Dank im Voraus für eine präzise und vollständige Bestandsaufnahme.
5. In welchem Gebäude das AKW Fessenheim befinden sich das Reservoir und der Schornstein, aus dem die radioaktiven Gase entwichen sind?
6. Wie hoch ist die Dosisleistung für die Bevölkerung der Umgebung, die durch diesen Austritt von Radioaktivität verursacht wurde? Vielen Dank im Voraus für eine Antwort mit der offiziellen Übersicht über das Maß der Dosis-Äquivalenz-Leistung, das heißt in Sievert pro Stunde.
Mit freundlichen Grüßen
Der Verwaltungsrat des Netzwerks 'Sortir du nucléaire'.
Kontakt: Remi Verdet
[1] http://www.asn.fr/index.php/content/view/full/115315
[2] in französisches Recht umgesetzt durch das Gesetz Nr. 2005-1319 vom 26.
Oktober 2005