Zusammenhang mit Reaktor-Tuning
Mittlerweile mußte die Kraftwerksleitung des vom Vattenfall-Konzern betriebenen AKW Krümmel noch eine weitere "Panne" im Zuge des zweiten mißlungenen Startversuchs am vergangenen Samstag, 4. Juli, einräumen.1 Demnach wurde inzwischen festgestellt, daß mindestens ein Brennelement im Reaktordruckbehälter defekt ist.
Vattenfall behauptet, solche Schäden an Brennelementen seien nichts Ungewöhnliches. Ursächlich sei vermutlich ein Problem bei der Filterung im Wasserkreislauf. Dies habe nach ersten Erkenntnissen nichts direkt mit dem Trafo-Kurzschluß vom Wochenende zu tun. Tatsächlich jedoch ist es weitaus wahrscheinlicher, daß der Defekt an einem oder mehreren Brennelementen nicht von Verunreinigungen im Kühlkreislauf, sondern vielmehr durch die Schnellabschaltung nach dem Trafo-Brand verursacht wurde. Eine Verunreinigung des Wassers im Kühlkreislauf ist dagegen in der Regel nicht die Ursache, sondern die Folge von Rissen oder Brüchen in Brennelementen.
In der Flut der in den vergangenen Tagen in den Mainstream-Medien verbreiteten Nachrichten gingen zudem zwei gravierende Details der "Panne" vom 4. Juli unter oder wurden erst gar nicht erwähnt:
Fakt ist, daß entgegen der behördlichen Auflage, in der Leitwarte des AKW Krümmel per Audio-Mitschnitt - entsprechend der "Blackbox" eines Flugzeugs - die Kommunikation der Verantwortlichen aufzuzeichnen, die bereits installierte Anlage abgeschaltet war. Hintergrund dieser Auflage war die lückenhafte Dokumentation des Ablaufs beim Beinahe-GAU im AKW Krümmel am 28. Juni 2007. Nach dem damaligen Trafo-Brand war Rauch in die Leitwarte eingedrungen und statt der üblichen lediglich fünf befanden sich zeitweilig insgesamt 37 Personen in der Leitwarte. Zwischen 15 Uhr und 15:30 Uhr muß dort Panik geherrscht haben, als im Reaktordruckbehälter der Füllstand unter die Normhöhe von 14,07 Meter bis auf 11,60 Meter und der Druck von 65 auf 20 bar abgesunken war. Welche Schalter zu welchem Zeitpunkt betätigt werden und der Einsatzzeitpunkt von Pumpen wird in einem AKW automatisch protokolliert. Merkwürdigerweise sind jedoch die automatischen Aufzeichnungen, die per Computer ausgeführt werden, ausgerechnet im fraglichen Zeitraum des 28. Juli 2007 wegen einer "Panne" nicht vorhanden.
Fakt ist ebenso, daß zum wiederholten Mal die behördliche Auflage, das zuständige Ministerium unverzüglich zu unterrichten, mißachtet wurde. Nachweislich wurde das Ministerium unter Ministerin Gitta Trauernicht am 4. Juli von der Polizei und nicht von der Kraftwerks-Leitung unterrichtet.
Daß ein Defekt an mindestens einem Brennelement festgestellt wurde, ist deshalb ein wichtiges Detail, weil es im Zusammenhang mit der Problematik des Reaktor-Tuning gesehen werden muß. Zu diesem Thema scheint bei den Mainstream-Medien jedoch eine totale Nachrichtensperre vorzuliegen. Fakt ist jedoch, daß der Vattenfall-Konzern nach dem Vorbild der schwedischen AKW Forsmark und Ringhals, die ebenfalls von ihm betrieben werden, mit sicherheitstechnisch bedenklichen Tricks die Leistung der Reaktoren gesteigert hat. Im AKW Forsmark war es - vermutlich aufgrund dieses Reaktor-Tuning - am 25. Juli 2006 zu einem Beinahe-GAU gekommen, dessen Begleitumstände auffällige Parallelen mit den "Pannen" im Juni 2007 in den AKWs Brunsbüttel und Krümmel aufweisen.
Im AKW Krümmel wurde per Reaktor-Tuning die Leistung kurz vor dem 28. Juni 2007 um 72 MW erhöht. Bei diesem Reaktor-Tuning handelt es sich darum, daß Brennstäbe mit einem höheren Anteil von Uran-235 als ursprünglich vorgesehen eingesetzt werden. Zudem werden die Steuerstäbe weiter herausgezogen, um mehr Neutronen für die Kettenreaktion freizugeben. Daher müssen die Umwälzpumpen für das Kühlwasser mit einer höheren Leistung betrieben werden, um so die zusätzliche Hitze schneller abzuführen. Durch die erhöhte Neutronenstrahlung und durch höhere Temperaturen werden die Hüllrohre der Brennstäbe stärker belastet. Das Risiko von Versprödung, Rissen und Bruch sowohl an den Brennstäben als auch am Reaktordruckbehälter wird erhöht.
Erinnert werden muß in diesem Zusammenhang auch an den nur selten erwähnten und daher in der Öffentlichkeit nahezu vergessenen Totalschaden des AKW Gundremmingen A im Januar 1977. Bei diesem AKW handelte es sich wie beim AKW Krümmel um den in Deutschland weniger verbreiteten Typ des Siedewasserreaktors. Damals rissen die abführenden Hochspannungsleitungen unter Eis- und Schneelast. Die Energie konnte - wie nach den Trafo-Bränden am 28. Juni 2007 und am 4. Juli 2009 im AKW Krümmel - nicht abgeführt werden. Die Schnellabschaltung funktionierte nicht vorschriftsmäßig und in kürzester Zeit stand das Wasser im Reaktorgebäude drei Meter hoch. Im Inneren des Reaktors traten so viele Risse auf, daß das AKW stillgelegt werden mußte.
Dennoch war bereits im Jahr 1999 ein Reaktor-Tuning bei den Blöcken B und C des AKW Gundremmingen geplant. Bekannt wurden diese Pläne jedoch erst als eine Bürgerinitiative geheime Papiere - unter anderem einen Genehmigungsantrag vom September 1999 - veröffentlichte. Zunächst hieß es damals vom Bayerischen "Umwelt"-Ministerium als Genehmigungsbehörde, eine Beteiligung der Öffentlichkeit sei nicht vorgesehen, da vom Atomgesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Die Genehmigung sei ein Routinevorgang, der innerhalb von eineinhalb Jahren abgeschlossen sei. Doch noch vor März 2001 wurde der Genehmigungsantrag wieder zurückgezogen - offenbar konnten die erforderlichen Sicherheitsnachweise nicht erbracht werden. Doch im Dezember 2007 kündigten die Betreiber-Konzerne RWE und E.on (E.on ist auch am AKW Krümmel beteiligt) den für das AKW Gundremmingen zuständigen Behörden eine Steigerung der Nennleistung um 112 Megawatt an. Die Nennleistung der Blöcke B und C betrugt seinerzeit jeweils 1.284 MW.
Das Reaktor-Tuning verringert die Sicherheitsreserven wie dies auch bei einem Auto der Fall ist, dessen Motor getunt wird, dessen Bremsen und Getriebe hierfür aber nicht ausgelegt sind.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe auch unsere bisherigen Artikel:
AKW Krümmel: "Blackbox" war abgeschaltet
Die Atom-Mafia interessiert sich nicht für behördliche Auflagen
(5.07.09)
AKW Krümmel: Zweiter Startversuch gescheitert
(4.07.09)
AKW Krümmel vom Netz
Methode "try and error" (1.07.09)
AKW Krümmel heute wieder am Netz
Trauernicht und Gabriel schweigsam (24.06.09)
"Black Box" für Atomkraftwerke?
Audioüberwachung für AKW Krümmel angeordnet (25.02.09)
AKW Krümmel und AKW Brunsbüttel seit 20 Monaten außer Betrieb
Was steckt dahinter? (13.02.09)
Abgeschaltetes AKW Krümmel
mit "normalen" Pannen
War "AKW-Tuning" Ursache des Beinahe-GAU am 28. Juni?
(28.12.07)
AKW Krümmel:
Atom-Ministerin Trauernicht beim Lügen ertappt (26.07.07)
Beinahe-GAU oder Medien-GAU?
Betrachtungen zum Unfall im AKW Krümmel
im Zerrbild der Mainstream-Medien (17.07.07)
AKW Krümmel knapp an GAU vorbei
Schnellabschaltung infolge des Brands gefährdete Reaktor (3.07.07)
Brand im AKW Krümmel
Reaktor heruntergefahren (28.06.07)
Informationen zum "Atom-Ausstieg"